Persönlichkeiten
Namen, Skizzen, Charaktere: Mitglieder der Unitas Ruhrania, Persönlichkeiten aus dem Unitas-Verband, Menschen und Bundesbrüder, die mit uns an der Ruhr und im Land verbunden sind – so unterschiedlich sie sind, so sehr sind sie doch miteinander verbunden. Was wir ihnen verdanken, wofür sie in ihrem Leben standen oder heute noch stehen, motiviert. Wir haben einige von ihnen hier zusammengetragen. ...
Der große Strippenzieher: An den Brennpunkten deutscher Politik
Sie nannten ihn den „großen Strippenzieher“, „Ackerdoktor“, „Kohls treuen Statthalter“. Und kommentierten seine lange Zeit hinter den Kulissen der Macht in der Bonner Repubik mit dem Spruch „In Bonn ist jeder einmal dran, nur nicht der Edi Ackermann.“ Am 10. Februar 2015 ist Bbr. Dr. Eduard Ackermann, einer der engsten Mitarbeiter von Helmut Kohl und nach Meinung vieler Journalisten in den achtziger und frühen neunziger Jahren „wichtigster Mann im Kanzleramt“, im Alter von 86 Jahren in Bonn gestorben.
Bild oben: (v.l.) Bbr. Friedhelm Ost und Bbr. Eduard Ackermann beim 34. Bundesparteitag der CDU in der Rheingoldhalle, Mainz (6.-8.10.1986), Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - Bildbestand (B 145 Bild)
Über Jahrzehnte kam kein Medienvertreter an ihm vorbei, dessen Tätigkeit seit 1957 auf der Bonner Politikbühne alle Rekorde brach. Viele Journalisten schätzten den „Geheimrat“, der die CDU-Fraktionsvorsitzenden und den Kanzler im kleinsten Kreis beriet. Nie im Rampenlicht vor laufenden Kameras, nie selbst Darsteller, nie in einem Wahlamt aktiv, bezeichnete er sich selbst allenfalls als „Souffleur, Kulissenschieber, gelegentlich auch Ratgeber und Helfer der Akteure“. Die große politische Rolle habe er nie spielen wollen.
Der Niederrheiner in Bonn
Geboren wurde Eduard Ackermann am 1. November 1928 in Geldern als Sohn eines Schreiners in einer sehr politisch aktiven Familie. Der Vater war im dortigen Kreistag Fraktionsvorsitzender der Zentrumspartei und späterer Sozialsekretär der Christlichen Gewerkschaften. Er hatte 1928 erfolglos für einen Sitz im Reichstag kandidiert, bekam als Schwierigkeiten mit den Nazi-Machthabern und wurde 1944 vorübergehend von der Gestapo inhaftiert. Nach dem Krieg hatte ihn die Besatzungsmacht in Kapellen als Gemeindedirektor eingesetzt.
Eduard Ackermann besuchte ab 1940 das Humanistische Gymnasium seiner Heimatstadt. Nach einer aktiven Zeit bei der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg und dem 1950 abgelegten Abitur ging Bbr. Ackermann mit dem Berufsziel Lehrer zum Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie nach Mainz und dann nach Bonn. Hier wurde er im WS 1951 bei Unitas Stolzenfels rezipiert. Im WS 1952/53 übernahm er in dem 32 Aktive und Inaktive zählenden Verein das Amt des FM, wie der von ihm für die Verbandszeitschrift dort mit „Edi Ackermann, FM“ gezeichnete Semesterbericht ausweist.
Bei Unitas Stolzenfels kam er in Kontakt mit Bbr. Dr. Heinrich Krone, damals Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, und arbeitete seit 1953 als Redakteur für die von Krone herausgegebene politische Zeitschrift „Politisch-Soziale Korrespondenz". Anfang 1953 philistriert, wurde Bbr. Ackermann am 30. Mai 1956 mit seiner Arbeit „Die historiographischen Grundlagen der Methodik des Geschichtsunterrichtes an den höheren Schulen in Preußen und anderen deutschen Ländern seit der Jahrhundertwende“ zum Dr. phil. promoviert.
Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion
Durch „Papa Krone“, seinen politischen Ziehvater, den er als „väterlichen Freund" bezeichnete, kam Bbr. Ackermann nun ganz in die Nähe der Schaltstellen der Politik. Bbr. Krone überredete ihn zur Aufgabe seines angestrebten Berufs als Pädagoge und berief ihn am 1. März 1957 zum Stellvertretenden Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bereits ein Jahr später übernahm Ackermann das Amt des Fraktionssprechers und stand seitdem in dieser Funktion fünf CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden als erfahrener und unentbehrlicher Mitarbeiter zur Seite:
 Nach Bbr. Krone arbeitete er mit den Fraktionsvorsitzenden Heinrich von Brentano, Rainer Barzel, Karl Carstens und schließlich mit Helmut Kohl zusammen.
Bbr. Ackermann, der seit der Jugend unter einer starken und zunehmenden Sehbehinderung litt, scheiterte in den 1960er Jahren beim Versuch, ein Bundestagsmandat zu bekommen. Doch in seinen Ämtern hatte der Ministerialdirektor, verheiratet und Vater eines Sohnes, längst eine Schlüsselstellung. Am 1. März 1977 blickte er auf eine 20jährige Tätigkeit als Pressesprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zurück, wie die Unitas unter dem Titel „20 Jahre Treue zur Fraktion“ berichtete. Ein Jahr später, 1978, würdigte die Verbandszeitschrift den „inzwischen wohl am häufigsten zitierten Mann in Bonn“ zu seinem 50. Geburtstag: „Er ist - trotz seines jugendlichen Alters - der dienstälteste Pressesprecher in Bonn“. Sein hauptsächliches Arbeitsgerät war ihm in seiner Tätigkeit vor allem das Telefon: An einem normalen Tag, so bekannte er, waren es rund 80 Telefonate mit in- und ausländischen Korrespondenten, in Krisenzeiten aber auch schon mal hundert.
„Carbonara“ im Kanzleramt
Als CDU-Fraktionschef Helmut Kohl am 1. Oktober 1982 zum Bundeskanzler gewählt wurde, nahm er Bbr. Eduard Ackermann mit ins Kanzleramt und übertrug ihm dort formal die Leitung der Abteilung 5 „Kommunikation und Dokumentation und politische Planung". Tatsächlich blieb „Carbonara", wie Kohl ihn wegen dessen Vorliebe für Pasta nannte, in dieser Funktion bis zu seiner Pensionierung vor allem Kohls persönlicher Pressesprecher und Vertrauter, sein Horchposten und Frühwarnsystem mit einem großen Netzwerk. In über 38 Jahren an den Schaltstellen und allen Brennpunkten deutscher Politik erlebte und beeinflusste er den Gang der Geschichte - sogar über die deutsche Wiedervereinigung hinaus, die er als das eindrucksvollste Erlebnis bezeichnete.
Der Unitas verbunden
Über seine Tätigkeit, einen der „interessantesten Jobs, die das politische Bonn zu vergeben hat“, legte Bbr. Ackermann ein Buch vor, das die Erfahrungen von fast vier Jahrzehnten nachzeichnet („Mit feinem Gehör – vierzig Jahre in der Bonner Politik“, Lübbe-Verlag, Bergisch-Gladbach, 416 Seiten). Und blieb auch der Unitas und vielen Bundesbrüdern weiter verbunden: Bei Unitas Stolzenfels berichtete er im Herbst 1996 in einem kleinen Kreis über „Mittelfristige Perspektiven der deutschen Politik", schilderte die Hintergründe zum Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt 1972 und die Ereignisse hinter den Kulissen, die 1990 zur deutschen Wiedervereinigung führten. Das „Jawort" der UdSSR zur deutschen Einheit, so Ackermann damals, sei demnach nicht erst auf der Kaukasus-Reise, sondern schon tags zuvor in Gorbatschows Moskauer Datscha gefallen. Zum 1. Januar 1995, nach Kohls letzter Wiederwahl, trat Bbr. „Ede“ Ackermann in den Ruhestand, 1996 veröffentlichte er sein Buch „Licht und Schatten der deutschen Politik: Bewährungsproben".
R.I.P.
Schuhmacher, Gewerkschafter, Ministerpräsident: Bbr. Dr. Karl Arnold
Bbr. Karl Arnold, 1901 im württembergischen Herrlishöfen bei Biberach an der Riß geboren, hatte eine Ausbildung als Schuhmacher-Geselle absolviert und studierte 1920/21 an der Sozialen Hochschule Leohaus in München. Seit 1920 Mitglied der Zentrums-Partei, arbeitete er hauptamtlich als Funktionär der christlichen Gewerkschaften, 1924 als Sekretär des Bezirks Düsseldorf des Christlichen Gewerkschaftsbundes. 1925-1933 war er Mitglied der Düsseldorfer Stadtverordnetenversammlung und dort stellvertretender Vorsitzender der Zentrumsfraktion. Nach Heirat 1928 – sein 1933 geborener Sohn Gottfried gehörte 1961-1983 wie schon zuvor sein Vater dem Deutschen Bundestag an – wurde Arnold Miteigentümer eines Installationsgeschäfts in Düsseldorf. Während des Dritten Reichs beobachtet undverfolgt von der Gestapo, wurde er im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 inhaftiert.
Mitbegründer der CDU
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Arnold seine politischen Aktivitäten wieder auf. Er gründete 1945 die Düsseldorfer Christlich-Demokratische Partei, die später Teil der CDU wurde. Mit Jakob Kaiser gehörte er zu der Gruppe ehemaliger christlicher Gewerkschaftsführer, die sich innerhalb der CDU für die Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien einsetzten. 1945 beteiligte sich Arnold mit Hans Böckler an der Gründung der Einheitsgewerkschaften, des heutigen DGB, im Rheinland und saß dem Bezirk Düsseldorf vor. Am 29. Januar 1946 wurde Arnold zum Oberbürgermeister von Düsseldorf ernannt und am 26. Oktober 1946 in den ersten freien Kommunalwahlen im Amt bestätigt. Im Dezember 1946 zum stellvertretenden nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten im Kabinett Amelunxen ernannt, war Arnold seit 1947 bis 1956 Ministerpräsident verschiedener Koalitionen aus CDU, Zentrumspartei, SPD (bis 1950), FDP (seit 1954) und KPD (bis 1948).
Arnold, der von der amerikanischen Besatzungsmacht die Tageszeitungslizenz für die bis heute christlich orientierte „Rheinische Post“ erhalten hatte, war von 1946 bis zu seinem Tod Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, 1947-1949 auch Mitglied des Länderrates der Bizone. Im März 1948 legte er unter dem Titel „Manifest an die deutsche Einheit“ Vorschläge zur Wiedervereinigung der vier Besatzungszonen vor. Am 7. September 1949 wurde er (bis zum 6. September 1950) der erste Bundesratspräsident und damit bis zur Wahl von Theodor Heuss am 12. September 1949 amtierendes Staatsoberhaupt. Nach der ersten Bundestagswahl gehörte Arnold in der CDU zu den Befürwortern einer Großen Koalition, konnte sich aber mit diesen Vorstellungen nicht gegen Konrad Adenauer durchsetzen. Zweimal wurde er als Ministerpräsident wiedergewählt. Wichtige politische Handlungen in diesem Amt waren sein Beitrag zur Gründung einer landeseigenen Rundfunkanstalt, zur Montanmitbestimmung und die Etablierung eines Landesjugendplans. Am 20. Februar 1956 wurde Arnold - 1956 bis zu seinem Tode stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender - durch ein konstruktives Misstrauensvotum von SPD und FDP gestürzt.
Im selben Jahr hatte ihn die nach UNITAS Assindia (1912) und UNITAS Silesia (1952) als dritte in Aachen entstandene UV-Korporation, die nach einem ehemaligen Prämonstratenserkloster in der Eifel benannte UNITAS Reichenstein (1954), an ihrem Stiftungsfest als Ehrenphilister aufgenommen. Die Technische Hochschule in Aachen verlieh ihm die Würde eines Dr. ing. ehrenhalber.
Tod im NRW-Wahlkampf 1958
1957 wurde Arnold mit einem Ergebnis von 72,6 % im Wahlkreis Geilenkirchen-Erkelenz-Jülich in den Bundestag gewählt und wurde dort stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. 1958 - kurz zuvor hatte er als Nachfolger von Jakob Kaiser den Vorsitzend der CDU-Sozialausschüsse übernommen, starb Karl Arnold am 29. Juni eine Woche vor der Wahl im Alter von erst 57 Jahren an Herzversagen während des Landtagswahlkampfes, in dem er Spitzenkandidat seiner Partei war. Er wurde auf dem Südfriedhof in Düsseldorf beigesetzt.
Nach Bbr. Karl Arnold, der sich zeitlebens als „christlichen Sozialisten“ bezeichnete, ist die Karl-Arnold-Stiftung, die der CDU nah stehende politische Bildungseinrichtung in Nordrhein-Westfalen, benannt. Auch die Karl-Arnold-Schule Biberach, eine gewerbliche Schule im Kreisberufsschulzentrum Biberach an der Riß trägt seinen Namen. Aus Anlass seines 100. Geburtstages veröffentlichte die Deutsche Post AG 2001 eine von der Künstlerin Ursula Maria Kahrl entworfene Briefmarke mit seinem Bild.
Erinnerung in Düsseldorf
Am 2. Oktober 2012 wurde in Düsseldorf eine Portrait-Büste des ersten gewählten nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten der Öffentlichkeit vorgestellt. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann enthüllte die Figur in einer Feierstunde in Vertretung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und im Beisein der Familie Arnold. „Nordrhein-Westfalen hat Karl Arnold viel zu verdanken. Er war ohne Zweifel eine der ganz großen, prägenden Figuren unseres Landes“, so Ministerin Löhrmann. „Karl Arnold hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Menschen die Marktwirtschaft nach dem Krieg überhaupt akzeptiert haben. Er hat sie eben nicht in ihrer Form als Marktwirtschaft pur, sondern in der Form einer sozialen Marktwirtschaft vertreten: Mit starken Gewerkschaften und Mitbestimmung, mit einem Staat, der für fairen Wettbewerb sorgen muss, und mit der Gewissheit, dass alle einen gerechten Anteil von dem bekommen müssen, was gemeinsam erarbeitet worden ist“.
Die Bronze-Büste steht künftig auf dem Platz vor der Villa Horion in Düsseldorf. Die Skulptur wurde im Auftrag und mit Mitteln des Landes und unter Einbeziehung der Familie Arnold von dem international renommierten Düsseldorfer Bildhauer Bert Gerresheim geschaffen. Mit seinem Werk will der Künstler Karl Arnold wiedererkennbar darstellen, gleichzeitig aber sollen Details der Plastik wie z.B. bronzene Schriftstücke mit den politischen Maximen Karl Arnolds auch auf seinen Charakter, seine Bedeutung und seine Persönlichkeit verweisen.
C. Beckmann
Furchtlos für die Kirche: Bbr. Prälat Dr. Paul Aufderbeck
Im Alter von 95 Jahren hat am Sonntag, 24. Januar 2010, der langjährige Regens des Essener Priesterseminars, Bbr. Prälat Dr. Paul Aufderbeck, sein Leben in die Hand seines Schöpfers zurückgegeben. Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck feiert das Requiem für den Verstorbenen am Montag, 1. Februar, um 10. Uhr im Essener Dom. Anschließend wird Bbr. Aufderbeck auf dem Kapitelsfriedhof (Kreuzgang Dom) beigesetzt.
Viele verantwortungsvolle Aufgaben
Im März 2009 hatte er sein 70-jähriges Priesterjubiläum begehen können. Der „an der unitarischen Quelle“ in Essen-Werden lebende emeritierte Domkapitular und zweifache Ehrendomherr blickte auf viele ereignisreiche Jahrzehnte als Priester zurück, in denen er im Erzbistum Paderborn und insbesondere im Ruhrbistum Essen der Kirche und den ihm anvertrauten Menschen in verantwortungsvollen Aufgaben gedient hat.
Fünf Jahre nach seinem Bruder Hugo, dem späteren Bundesbruder und Bischof von Erfurt (1909-1981), am 27. September 1914 in Hellefeld bei Sundern geboren, wirkte Bbr. Paul Aufderbeck nach seiner Priesterweihe am 26. März 1939 in Paderborn zunächst als Vikar in Gelsenkirchen-Schalke, 1941 als Seelsorger der Wandernden Kirche Stargard (Pommern) und ab 1943 als Vikar in Dortmund-Hombruch und Pfarrvikar in Kirchhörde. 1946 berief ihn der Erzbischof von Paderborn zu seinem Geheimsekretär, 1950 zum Präses des dortigen Erzbischöflichen Knabenseminars.
Bewegtes Leben im Dienst der Kirche
Der erste Essener Bischof Franz Hengsbach berief ihn bei der Gründung des Bistums 1958 zum Regens des neuen Priesterseminars. Aufderbeck wurde als Priester in das Ruhrbistum inkardiniert und prägte hier für 12 Jahre die Priesterausbildung in verantwortlicher Position. Im November 1958 Prosynodalexaminator, wurde er 1959 zum Wirklichen Geistlichen Rat, 1961 zum Synodelexaminator und 1964 zum Päpstlichen Ehrenprälaten ernannt.
1970 vom Amt des Regens entpflichtet, trat er die Professur für Pastoraltheologie am Bischöflichen Priesterseminar St. Ludgerus in Essen-Werden an. Bischof Hengsbach ernannte ihn 1971 zum residierenden Domkapitular, übertrug ihm 1972 erneut die Aufgabe des Prosynodelexaminators, 1977 die Geistliche Leitung der Ordensseelsorge, 1979 den Vorsitz des Bonifatiuswerkes und die Aufgabe des Diözesandirektor des Bonifatiuswerkes der Kinder im Ruhrbistum. 1980 ging Bbr. Aufderbeck als Rector ecclesiae an die Kirche der „Congregatio Beatae Mariae Virginis“ (BMV), 1983 schied er aus seiner Professur für Pastoraltheologie am Bischöflichen Priesterseminar. 1990 emeritierte er als Domkapitular und diente bis 1996 als Seelsorger und Begleiter von alten und kranken Priestern im Ruhrbistum.
Für die Menschen: Ein Mann der Caritas
Zahlreiche caritative Initiativen gingen von Bbr. Prälat Aufderbeck aus: In der Zeit des Eisernen Vorhangs hatte er als Bischöflicher Beauftragter für die Kontakte zur Kirche in Osteuropa zahlreiche Verbindungen geknüpft. So auch mit dem seinerzeitigen Bischof von Leitmeritz (Litomerice), Mons. Josef Kuckl. Auf zahlreichen Fahrten transportierte er theologische Literatur, aber auch Lebensmittel und Kleidung zum Beispiel ins tschechische Sobotka-Libosovice, wofür jährlich viele Tonnen zusammenkamen. 1992 vom Amt des Diözesanexaminators entpflichtet, gab er 1996 die übernommenen Tätigkeiten für die „Kirche in Osteuropa“ und für „Geistliche in Alter und Krankheit“ auf.
Dompropst Vieth: „Klug und furchtlos im Einsatz für die Kirche“
Der Essener Dompropst Otmar Vieth würdigte besonders die Bemühungen des Verstorbenen um die Kirche in Osteuropa. Gerade in der kommunistischen Zeit habe sich dieser klug und furchtlos für die Kirche und die Christen in Osteuropa eingesetzt, erklärte Vieth. Für sein tatkräftiges Engagement und seine Unterstützung erhielt Aufderbeck zahlreiche hohe Auszeichnungen und Ehrungen. So war der Verstorbene unter anderem Ehrendomherr des Metropolitankapitels von Esztergom (Budapest) und seit 1996 auch im Griechisch-katholischen Bistum Prešov (Slowakei), wo er vor allem die Ausbildung von Priesteramtskandidaten unterstützte.
Fast 75 Jahre lang hielt Bbr. Paul Aufderbeck der UNITAS die Treue: Er hatte sich im Sommer 1935 der UNITAS Hathumar in Paderborn angeschlossen, war bei UNITAS Markomannia Tübingen aktiv und gehörte über 50 Jahre dem Essener UV-Zirkel an. R.I.P.
Bbr. Prälat Joseph Becker: „Er prägte das Bild der Caritas in der Erzdiözese“
Nach schwerer Krankheit verstarb in Paderborn am 4. September 2012 Bbr. Prälat Joseph Becker (83). Der 2004 emeritierte Domkapitular war seit 1967 Direktor des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn und 1973-2001 Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn.
Bbr. Prälat Joseph Becker wurde am 21. April 1929 in Eppe, Dekanat Waldeck im Kreis Waldeck-Frankenberg, geboren und wuchs mit 13 weiteren Geschwistern auf. Während seines Studiums schloss er sich im Sommersemester 1951 der UNITAS Hathumar in Paderborn an. Nach der Priesterweihe am 6. August 1953 in Paderborn wirkte er zunächst als Vikar in Ense-Bremen (Kreis Soest), als Referent an der Landvolkshochschule Hardehausen und 1956-1967 als Diözesan-Landjugendseelsorger.
In zahlreichen Aufgaben und Ämtern
Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger ernannte Bbr. Becker 1967 zum Direktor des Diözesan-Caritasverbandes. Von 1967 bis 1987 war er Vorsitzender des Vereins für Caritasheime - heute Caritas Wohn- und Werkstätten im Erzbistum Paderborn, 1967-1997 Diözesanseelsorger des Malteser-Hilfsdienstes, 1972-1986 Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender der Bank für Kirche und Caritas Paderborn. 1973 wurde Becker Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn, in dem die Dienste und Einrichtungen der Caritas im Erzbistum zusammengefasst sind, 1975-1987 war er Vorsitzender der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle (KSA) der Deutschen Bischofskonferenz in Hamm, 1989-1994 Beisitzer in deren Vorstand. Als Diözesanseelsorger wirkte er bei den Caritas-Konferenzen und beim Malteser Hilfsdienst im Erzbistum Paderborn. Bis 1997 gehörte er dem Vorstand des Deutschen Caritasverbandes an, 1977-2004 war er Domkapitular am Hohen Dom zu Paderborn.
Zahlreiche Ehrungen wurden Bbr. Prälat Becker zuteil: So der Verdienstorden des Landes NRW im Jahr 1987, die Ehrenmitgliedschaft im Maltese Cross Corps, Malta (1991) und die Ehrendomherren-Würde im polnischen Caritas-Partnerbistum Köslin-Kolberg (1996). Im Jahr 1997 wurde Becker für seine Verdienste um die verbandliche Caritas der „Brotteller“ verliehen, die höchste Auszeichnung des Deutschen Caritasverbandes.
„Caritas-Becker“ stand für herzliche Begegnungen
„Wie kaum ein zweiter prägte Becker in seiner zutiefst gütigen und herzlichen Art das Bild der Caritas in der Erzdiözese“, würdigte der Verband seinen langjährigen Vorsitzenden. „Wir sind traurig und dankbar zugleich“, betont Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. „Traurig, weil uns dieser großartige Mensch fehlen wird, dankbar, weil viele Menschen durch ihn erfahren durften, was Caritas letztlich bedeutet: Gott hat Freude an jedem einzelnen Menschen.“ Ob Wissenschaftler, Politiker, Mitarbeiter oder auch Suchtkranke, Wohnungslose, Menschen mit Behinderung - Prälat Becker, der als Vinzenzbruder auch ehrenamtliche Besuchsdienste in Paderborn übernahm, habe es verstanden, die Distanz zwischen sich und seinen Gesprächspartnern mit beneidenswerter Leichtigkeit zu überwinden, so der Nachruf des Verbandes:
„Er „traf den Ton“ und damit die Herzen seines Gegenübers. Ein unergründlicher Schatz von Anekdoten und „Dönekes“ kam ihm dabei zu Hilfe. Der Name „Caritas-Becker“, wie ihn viele seit den 70-er Jahren nannten, stand für herzliche, warme Begegnungen. Noch als Ruheständler drehte er seine Runden durch die Paderborner Innenstadt, pflegte Kontakte mit den „kleinen Menschen“ auf der Straße. „Ich kenne inzwischen jeden Hundebesitzer, auch manche Hunde erkennen mich schon von weitem“, gab er zu seinem 80. Geburtstag zum Besten. Prälat Becker sorgte dafür, dass der Caritasverband nie „die Bodenhaftung“ verlor. Dies gilt gerade in der stürmischen Zeit der siebziger und achtziger Jahre angesichts des Ausbaus des Sozialstaates unter Mithilfe der Freien Wohlfahrtspflege. Ob Alte, Kranke, Menschen mit Behinderung, Arbeitslose, Suchtkranke, Kinder und Jugendliche – immer hat Prälat Becker die besonderen christlichen Bezüge des katholischen Wohlfahrtsverbandes verdeutlicht.“
Die UNITAS, der sich Bbr. Joseph Becker im Sommersemester 1951 bei der UNITAS Hathumar in Paderborn anschloss, verlor in ihm einen treuen Bundesbruder und immer verlässlichen Ansprechpartner. Die Aktivitas fand in ihm in den 1970-er Jahren einen langjährigen Ehrensenior. (pdp/cpd/UV)
Essener-Zirkelvorsitzender: Bbr. Dipl. Ing. Wilm Böcker
Bbr. Dipl. Ing. Wilm Böcker, bei UNITAS Reichenstein aktiv gewordener Ur-Westfale aus Südlohn, übernahm 1978 den Vorsitz des Essener Unitas-Altherrenzirkels von Rechtsanwalt und Notar Hans Greefrath v/o Pascha.
Regelmäßige AHZ-Treffen am ersten Mittwoch des Monats im Essener Saalbau, Museumsbesuche, Vorträge und gemeinsame Ausflüge standen jährlich auf dem Zirkel-Programm. Seine Amtszeit kennzeichneten gute Kontakte zu den übrigen Korporationsverbänden in der Ruhrmetropole und sein großer Anteil an der Gründung der UNITAS in Bochum-Essen-Dortmund vor vier Jahren. Auch als erster Ehrensenior stand Bbr. Wilm Böcker den Gründern der Aktivitas an den Universitäten im Ruhrgebiet bis zur gegenseitigen „Adoption“ von UNITAS Ruhr und dem AHV der Münsteraner UNITAS Ruhrania tatkräftig zur Seite.
Fünfzehn Jahre lang leitete Bbr. Böcker den mit rund 90 Mitgliedern größten Ruhrgebiets-Zirkel. Sein Amt trat am 20. August 1993 Dr. Richard Wessendorf an. Mit dem aus Vreden stammenden Nachfolger, der zuvor als Kassierer dem Vorstand angehörte, übernahm ein Winfride den Vorsitz des AHZ. Ihr hatte sich der der bei Veba-Öl tätige Chemiker 1953 in Münster angeschlossen.
KONSTANZ. Am 26.7.2024 ist Bbr. Dr. Laurenz Bösing im Alter von 90 Jahren verstorben. Der ehemalige Leiter der Universitätsbibliothek Trier, geboren am 5.8.1933, hatte sich während seines Studiums der Klassischen Philologie und Romanistik am 1. Dezember 1954 der Unitas Ruhrania in Münster angeschlossen und hielt ihr 140 Semester lang die Treue.
In seiner Aktivenzeit erlebte der nach dem Krieg 1950 rekonstituierte Verein mit dem langjährigen Ehrensenior Bbr. Prälat Dr. Heinrich Portmann und 56 aktiven Bundesbrüder einen ungeheuren Aufschwung: 1957 wurde die Unitas Fürstenberg ins Leben gerufen und die Ruhranen übernahmen den Vorort im Verband. Im SS 1958 richtete der Verein unter dem angehenden Altphilologen und Senior Laurenz Bösing als präsidierende Korporation des Unitas-Ortsverbandes das 99. Stiftungsfest des UV Münster aus und feierte im SS 1959 das 100-Jährige. Ein aus heutiger Sicht strammes wissenschaftliches, religiöses, geselliges und sportliches Veranstaltungsprogramm kennzeichnet den Aufschwung dieser Jahre, zum 50. Stiftungsfest der Unitas Ruhrania im Festsaal der Bahnhofsgaststätten entsandten 26 Korporationen ihre Chargen. Doch kennzeichnete die Zeit auch bereits ein Bruch mit altstudentischen Formen, denen sich gerade die Unitas Ruhrania seit ihrer Gründung besonders verpflichtet sah.
Laurenz Bösing, der zum 1.1.1962 philistriert wurde, blieb seinem Altherrenverein auch nach der Auflösung der Aktivitas treu. Er setzte inzwischen seine Laufbahn mit der Promotion und der bibliothekarischen Ausbildung an der ULB Bonn und am Bibliothekar-Lehrinstitut in Köln fort. Von 1968 bis 1986 war er an der Universitätsbibliothek Konstanz u. a. als Leiter der Katalogabteilung tätig. Zum Wintersemester 1985/86 kam der damals 52jähriger nach Trier und trat im Februar 1986 sein Amt als Leitender Bibliotheksdirektor der Universitätsbibliothek an. Wie der ehrende Nachruf der Universität unterstreicht, war es eine Zeit großer technischer und organisatorischer Umbrüche: Die Zettelkataloge wurden unter seiner Leitung schrittweise automatisiert und der Aufbau eines campusweit nutzbaren CD-ROM-Netzes vorangetrieben, um die UB vorausschauend und umsichtig mit einem zuletzt 1.3. Millionen Bände und 100.000 sonstige Medien umfassenden Medienbestand zu einem umfassenden elektronischen Dienstleistungsangebot zu machen.
„Durch seine Erfahrung und fachlichen Qualitäten hat Dr. Laurenz Bösing zum Gelingen vieler Projekte beigetragen und die Bibliothek ins digitale Zeitalter geführt“, würdigte ihn die Universitätsbibliothek: „Der sich persönlich durch große Beharrlichkeit und Zuverlässigkeit auszeichnende geborene Westfale hatte schon bei seinem Amtsantritt formuliert, stets „das Denkbare und Machbare zusammenführen“ zu wollen. In einem noch heute lesenswerten Rückblick auf seine zwölfjährige Tätigkeit in Trier gab er das Rezept preis, mit dem er im institutionellen Dschungel zwischen Bibliotheks- und Universitätsverwaltung, ministeriellen Vorgaben und sich aus technischen Anforderungen von Bibliotheksverbünden ergebenden Sachzwängen die Bibliothek auch durch bisweilen unruhige Wasser zu steuern wusste: „Vertrauensvolle Kooperation ist der Weg zum Erfolg, und zwar der einzige". Wir haben Herrn Bösing als engagierten, freundlichen und interessierten Bibliotheksdirektor geschätzt. Sein weiter Bildungshorizont und seine hohe berufliche Kompetenz halfen ihm im akademischen Milieu der Universität, sich Gehör, Respekt und Anerkennung zu verschaffen.“
Bbr. Dr. Laurenz Bösing, Mitglied im Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB), war auf Landesebene Geschäftsführer des Landesverbandes Rheinland-Pfalz im Deutschen Bibliotheksverband und Vorsitzender des Beirats für das wissenschaftliche Bibliothekswesen in Rheinland-Pfalz. Er schloss sich in Trier dem örtlichen Zirkel an und blieb ihm auch nach seiner Übersiedlung nach Konstanz immer verbunden. Nicht zuletzt aber auch seiner Unitas Ruhrania, die Anfang der 1990er Jahre wiederbegründet wurde, und die er bis zuletzt unterstützte. Fotos aus frühen Aktivenzeiten der Korporation gehören zum kostbaren Erbe des Vereins, der sich seiner Familie verbunden weiß.
CB
Gründervater und „Pionier im Wilden Westen"
Die Entscheidung fiel im SS 1852: Als die Frage nach Vorbildern für die junge Bonner Ruhrania anstand, wählten sie gleich zwei Vereinspatrone: Den Dominikaner Thomas von Aquin und den Jesuiten Aloisius von Gonzaga - ein ungleiches Paar. Ihm folgte für die neu entstandene Unitas zwei Jahre später als Patronin auch Maria Immaculata - unmittelbar nach der Verkündigung des neuen päpstlichen Dogmas 1854. Zuvor war die mit erste deutsche katholische Studentenvereinigung überhaupt knapp 10 Semester lang ohne formelle Patrone ausgekommen. Jetzt gewann sie ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Verantwortlich für den wegweisenden Beschluss zur Wahl der Verbandspatrone und Einrichtung der Vereinsfeste war offensichtlich vor allem ein Bundesbruder, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr am 1. November 2022 zum 200. Mal jähren wird: Bbr. Leonhard Brandt, der damalige Präses der 1847 gegründeten Ruhrania.
Im Bild oben: Bbr. Pfr. Leonhard Brandt, Katholische Kirchen in Madison/Indiana, Inneres der Kirche St. Mary 1888, St. Mary School, East 2nd Street
Entscheidender Beitrag für die Gründung der Unitas
Leonhard Brandt, geboren am 1. November 1822 in Eupen im seinerzeit zu Preußen gehörenden deutschsprachigen Ostbelgien, ist nach Jahrgang der wahrscheinlich älteste der gesamten unitarischen Familie. Er hatte sich als junger Theologiestudent der an der Universität Bonn gegründete Ruhrania angeschlossen, die 1847 unter landsmannschaftlichen Gesichtspunkten von Studenten aus dem späteren Ruhrgebiet ins Leben gerufen worden war. Sie unterzog sich 1850 einer grundsätzlichen Reform: Die Gründergeneration legte ihre rot-weiß-roten Farben ab, verzichtete auf eine Fahne und wählte die Prinzipien „Virtus, scientia, amicitia“. Auch die zweimal wöchentlich stattfindenden Vortrags- und Diskussionsabende begannen Gestalt anzunehmen, so Verbandshistoriker Werner Ohlendorf im UNITAS-Handbuch von 1913. Statt studentischer Kneipen wurden die Namenstage der Mitglieder gefeiert: „Dann kam der entscheidende Schritt, der mit einem Schlage die Ruhrania von den übrigen katholischen Korporationen trennte und sie zu den positivsten aller Vereine erhoben hat“, unterstreicht Ohlendorf und zitiert dazu den entscheidenden Beitrag des „hochw. Missionars Brand in Amerika, derzeit Praeses“: Auf dessen Anregung „wurde beschlossen, dem Verein in den Heiligen Aloisius und Thomas von Aquin Patrone zu geben und ihre Feste durch gemeinschaftliche Kommunion der Mitglieder zu feiern“ - die Grundlegung der unitarischen Vereinsfeste. Die Wahl des Hl. Aloisius von Gonzaga mag durchaus auch auf ein persönliches Erlebnis von Brandt zurückzuführen gewesen sein: Unmittelbar vor der Entscheidung, von Ende April bis Anfang Mai 1852, hielten in seiner Eupener Heimat vier Jesuiten eine große Volksmission, von der bis heute ein Missionskreuz an der Westseite der Eupener Nikolauskirche zeugt.
Priesterweihe in den USA
Schon kurz nach dem Convents-Beschluss traf Bbr. Leonard Brandt für sich selbst eine weitreichende Lebensentscheidung: Nach dem Abschluss seines Studiums folgte er dem Ruf in den „Wilden Westen“. Er verließ das Rheinland und seine Heimat für immer, schiffte sich nach Übersee ein und ging als Missionar in die USA nach Madison (Indiana) im Bistum Vincennes, das auf die Mission von Jesuiten zurückging und war 1834 gegründet worden war. Im Dezember 1852 erhielt er in der von französischen Kolonisten gegründeten Stadt durch den Bischof von St. Palais seine niederen Weihe, die Subdiakons- und Diakonatsweihe. Am 1. Januar 1853 wurde er in der St. Francois Xavier-Kathedrale Vincennes zum Priester geweiht und feierte seine Primiz am 2.1.1853 in der St. John´s German Catholic Church.
„Wilder Westen": Madison Main Street 1852 (Madison-Jefferson County Public Library; Jefferson County Historical Society), Greiner Brewing Company Madison 1860-1870 (Sammlung Harry Lemen)
Gerade erst Priester geworden, empfahl er sich schon für höhere Aufgaben: Mit 31 Jahren wurde er bereits Generalvikar der heutigen Erzdiözese Indianapolis, der zwischen den verschiedenen zugewanderten Sprachgruppen wechselte. Zwischen 1853 und 1861 – acht Jahre lang - sorgte er in dieser Funktion vor allem für die deutschsprachigen Auswanderer, die in der Prärie eine neue Heimat suchten. Ein harter Job in der knapp 18.500 Quadratmeilen großen Diözese: Brandts Vorgänger starb bei einem Sturz vom Pferd.
Generalvikar, Missionar und Priester
Doch war Leonhard Brandt zugleich vor allem Missionar und Priester: Sein erster Einsatzort war zunächst die 1851 für die deutschsprachige Gemeinde gebaute Kirche St. John Baptist in Vincennes. Am 5. Februar 1856 wechselte er an die 1850 für die deutschsprachige Gemeinde errichtete St. Mary's Church in der damaligen Boom-Town Madison an der Staatsgrenze zu Kentucky. Im heute 940 Quadratkilometer großen Jefferson County/Indiana hatten sich seit dem Bau der Eisenbahn viele Iren und Deutsche angesiedelt. Der mächtige Ohio mag Bbr. Brandt an den Bonner Rhein erinnert haben, doch die Herausforderungen seiner neuen Aufgabe waren groß: Auf ihn wartete eine mit 6.000 Dollar vollständig verschuldete Gemeinde, in der Priester und Lehrer allein von den Kollekten leben mussten. Allerdings bewies der inzwischen 34-Jährige - parallel zu seiner Aufgabe als Generalvikar des Bistums - sein außerordentliches Organisationstalent, wie die Bistums-Quellen zur Arbeit in seiner Gemeinde vermerken: „He was a talented and energetic priest and (...) In fact he raised it from nothing as it were to one of the most flourishing in the diocese“.
Aufbau der katholischen Gemeinde
Mit großer Energie brachte Brandt in der weit abgelegenen Kleinstadt die völlig heruntergekommenen Gebäude der St. Mary´s-Kirche an der North Vine Street auf Vordermann, sorgte für einen neuen Altar und Heiligenfiguren, für die Innenausstattung und neue liturgische Gewänder. Zum Dezember 1858 konnte er ein Nebengebäude dazukaufen, 1860 wurde eine Scheune gebaut, 1864 eine große Orgel und eine nahegelegene Quelle erworben. Das viel zu klein gewordene Schulhaus konnte 1865 durch einen dreistöckigen Ziegelbau ersetzt werden und 1867 in einer Meile Entfernung ein großes Friedhofsgelände gekauft werden. 1869 wurde die Kirche vergrößert und mit Fresken ausgemalt, 1876 kam eine weitere Schule für Mädchen dazu, die von Ordensschwestern versorgt wurde. In den Kirchenregistern zeugen bis heute zahllose Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen von seinem Wirken – vor allem in der deutschsprachigen Community.
Ein letzter großer Kraftakt gelang ihm mit Mitte 50: Das alte Pastorat wurde abgerissen und 1877 mit vier weiteren Schulräumen und Versammlungssaal vollständig neu errichtet – ein Schmuckstück für die Stadt „and the crowning act of Father Brandt's great work at Madison”, wie die Bistumschronik vermerkt. Neben seinen zahlreichen Projekten in der eigenen Pfarrei - seit 1993 heißt sie „Parish Prince of Peace" - kümmerte sich Leonhard Brandt zudem um weitere Gemeinden und Missionsstationen im weit entfernten Indianapolis, wo er mit dem Bau der Marienkirche begann, aber auch im Umland. „We can barely realize all the hard work done by the indefatigable Father Brandt; however, it is all recorded in the Book of Life”, so die Bistums-Chronik.
Früher Tod des „treuen Seelenhirten”
Doch sein rastloses Leben hatte seinen Preis: Bbr. Leonhard Brandt starb nach langer schwerer Krankheit am 13. April 1881 - gerade mal 58 Jahre alt. Begraben wurde er als einer der ersten Seelsorger auf dem von ihm erworbenen St. Joseph´s Cemetery in Madison / Jefferson County. Der Grabstein für „Hochw. P.L. Brandt“ (Section 3, Row 4, Block 37) würdigt sein segensreiches Wirken über mehr als 25 Jahre im Dienst der Marien-Gemeinde. Es ist aus weißem Carrara-Marmor und trägt die deutsche Inschrift:
„Dem treuen Seelenhirten widmet dieses Denkmal die dankbare Gemeinde. – Gewiss ist dieses Wort: Wenn wir mit Ihm sterben, werden wir auch mit Ihm leben: Wenn wir mit Ihm dulden, werden wir auch mit Ihm herrschen“ aus dem II. Brief des Paulus an Timotheus.
Eine offensichtlich später ergänzte Grabplatte für „Rev. Leonard Brandt“ nennt seine Lebensdaten: „BORN AT EUPEN PRUSSIA Nov. 1. 1822, ORDAINED PRIEST Jan 1. 1953, TOOK CARE OF ST. MARY´s MADISON. Feb. 5. 1856. DIED April 13. 1881.”
Die Arbeit von Leonhard Brandt für den Aufbau der jungen Kirche in den USA ist in den Annalen der Erzdiözese Indianapolis nicht vergessen. Auch an das unitarische Vermächtnis dieses Bundesbruders aus der frühesten Generation, der dem missionarischen Gedanken der Unitas persönlich folgte, sollte zu seinem 200. Geburtstag erinnert werden.
C. Beckmann
In memoriam: Bbr. Fritz Brüggemann
Am 15. Februar 1935 geboren, hatte sich Fritz Brüggemann im Februar 1957 der UNITAS angeschlossen und wurde zum Jahresbeginn 1961 philistriert. Zu seiner Studentenzeit gehörte er der UNITAS Arminia in Berlin und der UNITAS Burgundia in Münster an. Bereits mit 25 Jahren übernahm er 1960 die Leitung der traditionsreichen Kornbrennerei Fritz Brüggemann in der Bocholder Straße in Essen-Borbeck. Er führte das Familienunternehmen lange Jahre „innovativ und erfolgreich durch zum Teil turbulente Jahre“, hieß es heute in einem großen Artikel der BORBECKER NACHRICHTEN. Seine intensive unternehmerische Tätigkeit habe ihn aber nicht davon abgehalten, immer auch Zeit für ehrenamtliches Engagement einzusetzen. So übernahm er 1967 den Vorsitz im Borbecker Bürger- und Verkehrsverein und begleitete in seiner fast zwanzigjährigen Amtszeit wichtige Weichenstellungen in Borbeck, so etwa die umfassenden Sanierungsmaßnahmen der 80-er Jahre in Borbeck-Mitte und die Umwandlung von Schloss Borbeck in ein Bürger- und Kulturzentrum.
Besonders am Herzen gelegen habe Fritz Brüggemann vor allem das Schloss und der Schlosspark, hebt die Zeitung hervor, aber auch die „Borbecker Maienmahlzeit", die viele prominente Redner erlebte, wurde während seiner Amtszeit 1984 ins Leben gerufen. Seine Tatkraft und Kreativität habe dazu beigetragen, dass die 1111-Jahrfeier Borbecks „zu einem großen, weit über den Stadtteil hinausweisenden Ereignis“ habe werden können. Fritz Brüggemann, so die Würdigung, war in Borbeck wegen seines offenen, zugewandten und freundlichen Wesens außerordentlich beliebt: „Ihm gelang es immer wieder auf scheinbar spielerische Weise, Menschen für den Heimatstadtteil Borbeck einzunehmen. Diese besondere Mischung aus fröhlichem Optimismus und energischem Zupacken war das Markenzeichen von Fritz Brüggemann bis zum letzten Tag seiner Amtszeit im Jahre 1987, als der den Vorsitz im Borbecker Bürger- und Verkehrsverein an Dr. Jürgen Marsch übergab.“ Der Bürger- und Verkehrsverein Borbeck unterstrich die Durchsetzungsfähigkeit und Zielstrebigkeit des langjährigen Vorsitzenden: „Fritz Brüggemann, verlässlich und vertrauenswürdig wie kaum ein anderer, hatte stets das Wohlergehen Borbecks und seiner Bürger im Blick. Beharrlich und konsequent begleitete und förderte er die Entwicklung seines Borbeck, das ihm zur Heimat geworden war. Fritz Brüggemann war ein Borbecker durch und durch, ein Borbecker erster Güte.“
In Dankbarkeit denken auch seine Bundesbrüder an Fritz Brüggemann zurück, der 53 Jahre lang der UNITAS treu geblieben ist. Auch wenn sich seine unitarische Heimat in Berlin und Münster veränderten: Die Aktivitas der Arminia wurde zur UNITAS Berlin, die Burgundia fusionierte mit UNITAS Rolandia. Dass ihm – ausgerechnet in Borbeck und in so kurzer Entfernung zu seinem Haus – mit der Unitas Ruhrania noch mal eine studentische Aktivitas der UNITAS „so nah auf den Leib rücken“ würde, habe ihn sehr überrascht. Er zeigte sich hochinteressiert am Fortgang der Renovierungsarbeiten am „Feldschlößchen“ und nahm die Fortschritte bei einer Visite selbst in Augenschein. Nicht nur mit der Morgengabe seines berühmten „Borbecker Schlosstropfens“ bewies seine enge Verbundenheit mit der jungen unitarischen Pflanze in seinem Stadtteil, zu deren Wachsen er seinen Teil beitrug.
Bbr. Fritz Brüggemann ist am 25. September 2010 in seinem 75. Lebensjahr gestorben. Am Freitag, 1. Oktober, wurde er auf dem Katholischen Friedhof Dachstraße / Essingweg zu Grabe getragen. Die UNITAS Ruhrania ehrt seine Großzügigkeit, sein Engagement für die communitas und das bonum commune bleibt uns Vorbild. Semper in unitate.
Stadtdirektor in Castrop-Rauxel: Bbr. Theodor Elting
Bbr. Theodor Elting verstarb nach längerer schwerer Krankheit am 30. Januar 2010 im Rochus-Hospital im Alkter von 79 Jahren. 1966 war Elting zur Stadtverwaltung gekommen und bekleidete zunächst das Amt des Beigeordneten. Am 1. Juni wurde er Stadtdirektor und blieb bis zum 31. Juli 1977 Verwaltungschef der Stadt. Anschließend war Theo Elting bis zum Eintritt in den Ruhestand am 30. April 1995 wieder als Erster Beigeordneter tätig und fungierte dabei ab 1988 auch als Kämmerer. „Elting zählte über Jahrzehnte zu den profiliertesten Christdemokraten unserer Stadt und war insbesondere engagiert in der Kommunal- und Europapolitik“, würdigten ihn die RUHR-NACHRICHTEN am 2. Februar.
Vor seinem Eintritt in die CDU hatte Theodor Elting das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der Jungen Union Westfalen-Lippe inne, war viele Jahre Mitglied des CDU-Kreisvorstandes Recklinghausen und Vorstandsmitglied des CDU-Stadtverbandes Castrop-Rauxel. Mehr als 20 Jahre lang übte er das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der kommunalpolitischen Vereinigung Nordrhein-Westfalen der CDU (KPV) aus. Dadurch gehörte er als kooptiertes Mitglied dem CDU-Landesvorstand Nordrhein-Westfalen und dem Bundesvorstand der KPV an. Lange Zeit übernahm er die Aufgabe als Vizepräsident der deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas.
Engagiert in Politik und Caritas
„Als praktizierender Katholik war er zudem über viele Jahre engagiert im Caritas-Verband“ hoben die RUHR-NACHRICHTEN hervor. So war unter seinem Vorsitz als Stadtdirektor am 4.7.1969 im heutigen Marcel-Callo-Haus der Caritas e.V. für die Stadt Castrop-Rauxel gegründet worden, heute mit 50 hauptamtlichen Mitarbeitern und 567 Mitgliedern der größte Sozialverband in der Stadt. Bb. Theo Elting erhielt für seine vielfältigen Tätigkeiten eine Reihe von Auszeichnungen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz. „Mit Theodor Elting verlieren wir einen Mann, der unsere Partei über 57 Jahre durch Höhen und Tiefen begleitet hat“, äußerte sich die CDU in ihrem Nachruf. „Theodor Elting hat sich für die Christlich Demokratische Union in Castrop-Rauxel verdient gemacht. Wir werden ihm ein ehrendes Gedenken bewahren“, erklärten Hilmar Claus für die CDU-Fraktion und Michael Breilmann für den CDU-Stadtverband Castrop-Rauxel.
Fast 60 Jahre aktiv in der UNITAS
Geboren am 10. April 1930 im Grenzgebiet zu den Niederlanden, war Bbr. Elting während des Studiums an der Universität Bonn im April 1951 bei UNITAS-Salia rezipiert worden. In den letzten Semestern aktiv in Münster, ließ er sich zum 1.1.1956 bei UNITAS Winfridia philistrieren. In seiner Wahlheimat gehörte Theo Elting fast 44 Jahre lang aktiv dem UNITAS-Zirkel Castrop-Rauxel an.
Interessiert verfolgte er von Beginn an die erfolgreichen Wiederbegründungsbemühungen der UNITAS Ruhrania im Ruhrgebiet, die der Castroper Zirkel insbesondere durch den 2000 verstorbenen Ehrensenior Norbert Klinke stark unterstützte. Eine Begleitung, die in den letzten 20 Jahren nicht abriss: Der heutige Vorsitzende des örtlichen Zirkels, Bbr. Michael Schneider, wurde erst im Januar vom Cumulativconvent der UNITAS Ruhrania zum neuen Altherrenvereins-Vorsitzenden gewählt. Noch im Jahr der Einweihung des neuen UNITAS-Hauses in Essen-Borbeck war Bbr. Elting mit seiner Frau Adelheid gern zu Gast. Seine Bundesbrüder geben ihm in Borken dankbar das letzte Geleit.
Bbr. Professor Gerhard Fittkau - Ermländer, Zeuge der Vertreibung
Im Alter von 91 Jahren ist am 6. März 2004 Bbr. Professor Dr. Gerhard Fittkau in Essen-Werden gestorben. Vor zwei Jahren noch hatte der weit über die Grenzen des Ruhrbistums und Deutschlands bekannte Priester, Pädagoge und Publizist den 65. Jahrestag seiner Priesterweihe begehen können. Seit 1960 lebte er im Essener Süden in der Werdener Gemeinde St. Ludgerus.
Bbr. Fittkau wurde am 11. Mai 1912 in Tollnigk, Kreis Heilsberg/Ostpreußen, geboren. Seine Studien führten ihn zunächst nach Innsbruck, wo er sich 1930 der sieben Jahre zuvor gegründeten UNITAS Greifenstein anschloss. Anschließend setzte er sein Studium in Rom, Freiburg/Schweiz und Braunsberg fort. 1937 weihte ihn Bischof Maximilian Kaller in Frauenburg zum Priester. Kaller hatte früh die besondere Begabung des jungen Priesters erkannt und machte ihn zu seinem Bischöflichen Kaplan.
Bald geriet Fittkau in Konflikt mit den Nationalsozialisten, weil er verbotene Hirtenbriefe verteilte. Als „Staatsfeind“ wurde er 1939 aus Ost- und Westpreußen ausgewiesen. Zuflucht fand er als Hausgeistlicher im Karmel zu Breslau. In dieser Zeit absolvierte er ein Zusatzstudium, das er 1944 mit einer Promotion zum Doktor der Theologie mit höchstem Prädikat abschloss. Seine Doktorarbeit wurde später in Bonn während seiner Tätigkeit in den USA veröffentlicht. Alle vier Manuskripte seiner Habilitationsschrift über „Die Theologie des Mysteriums bei Johannes Chrysostomus“ gingen in den Kriegswirren 1945 verloren.
Das Jahr 1944 war entscheidend im Leben von Bbr. Fittkau. In jenem Jahr 1944 wurde er Pfarrer in Süßenberg in der Nähe von Heilsberg. Kurz nach dem Jahreswechsel erlebte er den Einmarsch der russischen Truppen und wurde verschleppt in den „Archipel GULag“. Wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes wurde er aber zum Ende des Jahres 1945 wieder abgeschoben und erreichte nach einer 28-tägigen Odyssee mit dem Güterzug Frankfurt/Oder. Es stand sehr schlecht um ihn, als er anschließend nach Berlin kam, wo ihn Katharinenschwestern jedoch wieder gesund pflegen konnten. Seine Erlebnisse, Empfindungen und Eindrücke in diesem Jahr hat er festgehalten in dem Buch „Mein 33. Jahr“ (1), das schnell eine Auflage von über 100.000 Exemplaren erreichte und in zehn Sprachen übersetzt wurde. Der beeindruckende Erlebnisbericht schildert die Vertreibung der Deutschen aus Ostpreußen.
Der ostpreußische Bischof Kaller war inzwischen aus seiner Heimat vertrieben und zum Päpstlichen Sonderbeauftragten für die Vertriebenen in Deutschland ernannt worden. An seine Seite kehrte Fittkau zurück. Nach dem Tode Kallers 1947 übernahm Bbr. Fittkau wie selbstverständlich die Seelsorge an seinen im ganzen Land zerstreuten Landsleuten. Bei einer ersten Bettelreise in die Schweiz brachte er unter anderem 300 Fahrräder für die Mitbrüder in Mitteldeutschland zusammen.
Im Herbst 1948 wurde er Generalsekretär des Bonifatiuswerkes in Paderborn, und im Februar 1949 ging er als Direktor der American St. Boniface Society, des amerikanischen Bonifatiuswerkes, nach New York. Dort organisierte er mit Talent eine umfassende Diasporahilfe. Seine Begabung für Sprachen und seine Sprachgewandtheit kamen ihm dabei zustatten. 1953 wurde Gerhard Fittkau vom Papst zum Päpstlichen Geheimkämmerer und 1956 zum Päpstlichen Hausprälaten ernannt. Den Titel eines Konsistorialrates seines Heimatbistums Ermland behielt er bei.
Auch später, als er nach seiner Rückkehr 1960 nach Essen kam und von 1962 ab am Bischöflichen Priesterseminar St. Ludgerus in Essen-Werden Dogmatikvorlesungen hielt, waren ihm diese Fähigkeiten eine gute Hilfe. Während des Konzils leitete er in Rom die deutschsprachige Abteilung des Konzilspresseamtes, 1961 wurde er Gründungsmitglied des Rundfunkrates der Deutschen Welle, einem Gremium, dem er als einziger „der ersten Stunde“ über 25 Jahre lang angehörte. Im selben Jahr weihte er die Fahne der neugegründeten Unitas Liudger Essen.
Von 1968 bis 1971 war er im Auftrag der nordrhein-westfälischen Bischöfe offizieller Beobachter beim Niederländischen Pastoralkonzil und 1971 Mitarbeiter der deutschen Vertretung bei der Bischofssynode in Rom. Der Papst ernannte ihn 1982 zum Apostolischen Protonotar. Im Juli 1989 würdigte der ermländische Bischof Edmund Piszcz die Verdienste Bbr. Fittkaus mit der Ernennung zum Ehrendomherren in der Diözese Ermland (Polen).
Wer sein Buch „Mein dreiunddreißigstes Jahr" gelesen hat, weiß, wer er war", lautet es im Text seiner Todesanzeige: „Der Hirte, der seine Herde nicht im Stich gelassen hat, als die Wölfe kamen. der Priester, der das Gehorsamsversprechen an seinen HERRN und an seinen Bischof gehalten hat bis zum letzten Atemzug - er starb während der hl. Messe bei der Vaterunser-Bitte „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden"; der Theologe, der die Wahrheit des katholischen Glaubens unermüdlich und kraftvoll verteidigt und das Schicksal des lästigen Propheten ertragen hat, ohne seinen Humor zu verlieren; der Mensch und Bruder dessen Verlässlichkeit und Zuwendung für viele zum Anker geworden ist. Wir beten, er möge jetzt schauen, was er in seinem Leben geglaubt und verkündet hat."
Am 16. März 2004 wurde Bbr. Gerhard Fittkau nach dem Requiem in St. Gereon in Köln-Merheim auf dem Kalker Friedhof zur letzten Ruhe getragen.
(1) „Mein dreiunddreißigstes Jahr. Ein ostpreußischer Pfarrer im Archipel Gulag“, zuletzt aufgelegt in Berlin: Buchverl. Union, [1991]. 334 S.. (ISBN 3-372-00401-9), 29,80 EURO. Als Taschenbuch im Steyler-Verlag, Nettetal 1982, (ISBN 3805000677).
Aus: unitas 2004/1
Pater Unitatis: Bbr. Dr. Ludwig Maria Freibüter
Nach langer schwerer Krankheit ist der Ehrenvorsitzende des Altherrenbundes, Bbr. Ministerialrat a.D. Dr. Ludwig Maria Freibüter, am 20. August 2004 in Bonn verstorben. Nach dem II. Weltkrieg gehörte er zu den Wiederbegründern des von den Nazis verbotenen Verbandes. 1969-1983 Vorsitzender des Altherrenbundes, hatte er den Verband bis zuletzt in unverwechselbarer Weise geprägt. 1977 war er bereits mit der Goldenden Unitas-Nadel ausgezeichnet worden.
„Unser Bundesbruder Dr. Ludwig Freibüter hat sich in außergewöhnlicher Weise für die Unitas engagiert und den Verband geprägt. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und uns in seinem Sinne weiter für die Verwirklichung von virtus, scientia und amicitia in den Hochschulen wie auch in Kirche, Gesellschaft und Staat einsetzen“, würdigte ihn eine gemeinsame Traueranzeige von Vorort, Altherrenbund, Hohedamenbund und Verbandsgeschäftsführung im Rheinischen Merkur. Dem Nachruf stellten sie ein Wort des unvergessenen Bundesbruders Heinrich Krone voraus: „Kann der Christ anders als zuversichtlich sein? Dein Reich komme!“
Unser lieber Bundes- und Vereinsbruder StD a.D. Helmut Führer, einer der Wiederbegründer der UNITAS Ruhrania nach dem Krieg, ist am 19. Juni 2007 in Münster an den Folgen seiner schweren Erkrankung gestorben. Die Unitas verliert mit ihm einen herausragenden Unitarier, der sich besonders um die Ruhrania verdient gemacht hat.
Helmut Führer wurde am 19. September 1926 in Ibbenbüren geboren. Als sein Vater 1936 zum Oberregierungsrat in Naumburg an der Saale befördert wurde, besuchte er dort die Katholische Volksschule und anschließend bis zur Einberufung als Luftwaffenhelfer im Februar 1943 das humanistische Domgymnasium in Naumburg. Mit der Einberufung zum Reichsarbeitsdienst im März 1944 wurde ihm mit der Entlassung aus der 7. Klasse des Gymnasiums der Reifevermerk zuerkannt.
Nach der Kapitulation 1945 war Herr Führer vom Wintersemester 1945/46 bis zum Sommersemester 1947 an der Universität in Jena immatrikuliert und studierte Physik, reine und angewandte Mathematik, sowie Chemie und Geographie. Da er wegen des Krieges nur einen Reifevermerk besaß, musste er eine Ergänzungsprüfung am Endes des ersten Semesters in den Schulfächern ablegen und erhielt am 19. März 1946 das Zeugnis der Reife.
Wiederbegründungsmitglied Bbr. OStR Helmut Führer
Im Sommer 1947 wechselte Helmut Führer von Jena nach Münster, um dort sein Studium fortzusetzen. Um die Voraussetzungen für die Zulassung zu erfüllen, musste er im Winter 1947/48 im Bautrupp der Universität Dienst tun. Vom Sommersemester 1948 konnte er dann endlich sein Studium in reiner und angewandter Mathematik und Physik fortsetzen und im März 1952 vor dem wissenschaftlichen Prüfungsamt in Münster mit dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen erfolgreich abschließen.
Seinen Vorbereitungsdienst leistete er im ersten Jahr am Gymnasium Dionysianum in Rheine ab und wechselte dann zum Studienseminar II in Münster. Nach dem zweiten Staatsexamen wurde er an das Gymnasium Paulinum versetzt, an dem er Mathematik und Physik bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1990 unterrichtete. Seine besondere Liebe galt dort besonders der Astronomie, die er mit großem Engagement am Paulinum von 1959 an aufgebaut hat. Und es gelang ihm immer wieder, mit seinen astronomischen Untersuchungen die Schüler zu faszinieren und zu eigenen Experimenten anzuregen.
Sein besonderer Verdienst ist es, am altsprachlichen Paulinum mit seinen klassisch-humanistischen Bildungsgängen den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern einen ebenbürtigen Stand zu verschaffen. Aus heutiger sicht ist das eine Selbstverständlichkeit, für die damalige Zeit aber eine große Leistung.
Pädagoge mit Leib und Seele am Paulinum in Münster
Helmut Führer war im wahrsten Sinne des Wortes ein Pädagoge, der mit Leib und Seele hinter dem Stand, was er lehrte. Mit Geschick hat er den Schülern vor allem das Auffinden mathematischer Vorgehensweisen und Methoden nahegebracht. Seine größte Stärke war das, was in den naturwissenschaftlichen Fächern besonders schwierig und wichtig ist: Er konnte so erklären, dass jeder es nachhaltig verstehen konnte. Deshalb sind viele Schülergenerationen noch heute dankbar für den Unterricht, den sie bei Herrn Führer erleben durften.
1964 wurde er in das Wissenschaftliche Prüfungsamt für das Lehramt an Gymnasien berufen. Ein Jahr später erfolgte die Beförderung zum Oberstudienrat. Neben seinem Unterricht bildete Helmut Führer von 1966 an als Fachleiter für Mathematik am Studienseminar in Münster bis zu seiner Pensionierung Generationen von jungen Mathematiklehrern aus.
1970 erfolgte die Ernennung zum Studiendirektor als Fachleiter am Bezirksseminar in Münster. In den nachfolgenden Jahren hat Helmut Führer in vielen Kursen Altphilologen auf die Erweiterungsprüfung im Fach Mathematik für das Lehramt am Gymnasium erfolgreich vorbereitet und damit einen damals wichtigen Beitrag zur Behebung des extremen Lehrermangels in Mathematik am Gymnasium geleistet.
Auch die Unitas verdankt ihm sehr viel: 1948 trat Helmut Führer in die Unitas Sugambria in Münster als junger Fuchs ein. Und als die Unitas Ruhrania im selben Jahr nach dem zweiten Weltkrieg wiederbegründet wurde, wechselte er als erster Fuchs in die neue Ruhrania. Am 1. Januar 1954 wurde er philistriert.
Als im Jahre 1981 die Aktivitas der Ruhrania sich auflöste, blieb aber der Altherrenverein der Unitas Ruhrania mit einem neuen Vorstand bestehen. Helmut Führer übernahm damals das Amt des Schriftführers und war maßgeblich bei der Wiederbegründung der Aktivitas im Ruhrgebiet im Jahre 1991 beteiligt. Er gehörte zu den maßgeblichen Befürwortern und konnte sich gegen kritische Stimmen erfolgreich durchsetzen. Sein aus solider Sachkenntnis und eine aus Weitsicht geprägten Einschätzung und seine stets noble Haltung profilierten ihn zu einem glaubwürdigen und überzeugenden Ruhranen. Von ihm stammt auch die Geschichte der UNITAS Ruhrania zwischen den Jahren 1950-1990. In den letzten Jahren konnte er leider aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aktiv an den Veranstaltungen teilnehmen.
In seinen letzten Lebensjahren und vor allem letzten Monaten galt sein besonderes Interesse der astronomischen Domuhr im Paulus Dom zu Münster. Sein Anliegen war es, eine neue Schrift über diese geniale astronomische Domuhr zu verfassen, die die Besonderheiten mit den gegenläufigen Umläufen endlich richtig erklärt und für jeden verständlich macht. Leider blieb dieses Werk unvollendet. Bbr. Helmut Führer ist am 25.06.2007 in Münster auf dem Zentralfriedhof beerdigt worden. Viele Bundesbrüder und eine große Zahl von Ruhranen haben ihm das letzte Geleit gegeben.
Lörg Lahme, Vorsitzender des Altherrenvereins
MAINZ. Bbr. Günther Ganz, 1993-2003 Vorsitzender des Unitas-Altherrenbundes (AHB), ist am Morgen des 31. Mai 2024 im Alter von 94 Jahren gestorben. Der Unitas-Verband und seine Vereine trauern um einen großen Unitarier und sind dankbar für das Zeugnis seines Lebens.
Geboren am 5. Juli 1929, wurde er im WS 1950/ 51 aktiv bei Unitas Eckhardia in Freiburg. Seit 1959 wirkte der Jurist im Staatsdienst, u.a. in Landratsämtern, bei der Bezirksregierung Trier und im Ministerium des Innern des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz, ab 1981 als Ltd. Ministerialrat. Seit 1972 übernahm Bbr. Günther Ganz vielfältige Verantwortung im Altherrenzirkel (AHZ) Mainz und im Altherrenverein (AHV) Unitas Willigis. 1993 trat er in den Ruhestand und ließ sich sofort im Unitas-Verband in die Pflicht nehmen: Bei der 115. Generalversammlung (GV) 1992 in Frankfurt wählte ihn die Hauptversammlung des AHB einstimmig zum Vorsitzenden und Nachfolger von Bbr. Bernhard Mihm. Bereits 1994 wurde er für seine engagierte tatkräftige Arbeit in Mainz mit der Silbernen Unitas-Nadel ausgezeichnet.
Zehn Jahre lang prägte er die Arbeit des Unitas-Altherrenbundes durch beispielhafte unermüdliche Präsenz auf Verbands- und Vereinsebene, mit starker inhaltlicher Ausrichtung und in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den jeweiligen Vorortspräsidenten und dem Verbandsgeschäftsführer - damit maßgeblich auch die Richtung in der Unitas, die sich in seiner Amtszeit zu einem Verband von Studenten- und Studentinnenvereinen wandelte. Niemand anderer als der unvergessene Dr. Ludwig Freibüter stellte Bbr. Ganz bei der 125. GV in Münster 2002 in eine Reihe mit den starken Persönlichkeiten aus der Geschichte des Unitas-Verbands.
Bbr. Günther Ganz übernahm die Vertretung des Unitas-Verbandes in der KAD, in der Arbeitsgemeinschaft katholischer Organisationen Deutschlands (AGKOD) und für acht Jahre im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Zu seinem Einsatz zählt nicht zuletzt die Übernahme des Amtes als Beauftragter des UV für das Soziale Projekt in Prijedor/Banja Luka (Bosnien-Herzegowina), das mit über 110.000 Spenden-Euro erfolgreich abgeschlossen wurde. Der AHV Unitas Willigis Mainz ernannte ihn 2004 zum Ehrenvorsitzenden, der Unitas-Verband zeichnete ihn bei der 128. GV in Bonn 2008 mit seiner höchsten Auszeichnung, der Goldenen Unitas-Nadel aus.
In seinen letzten Lebensjahren blieb er weiter vorbildlich im Wirken um seine Unitas: Er war gerne bei den Generalversammlungen und Altherrenbundstagen, nahm an den Kreuzberg-Wallfahrten teil, liebte die unitarische Gemeinschaft auf dem Mainzer Unitas-Haus und ließ sich dort das Glas Wein im Kreis seiner Bundesbrüder nicht nehmen. Die vielen Freundschaften, die er in der Unitas geschlossen hatte, pflegte er leidenschaftlich. Auch erinnerte mit den regelmäßigen Friedhofsgängen sehr praktisch an den Lebensbund und widmete unzähligen Bundesbrüdern Nachrufe in der Unitas-Zeitschrift. Mit seiner verehrten Frau Ursula, die alles mittrug, was ihr Mann an Kraft und Zeit für die Unitas opferte, war er fast 65 Jahren glücklich verheiratet. Um die Unitas hat sich Bbr. Günther Ganz in herausragender Weise verdient gemacht. R.I.P.
Der Unitas-Zirkel Münster und die Unitas Ruhrania Bochum – Duisburg-Essen – Bochum trauern um Bbr. Prof. Dr. Albin Gladen, der am 7. Oktober 2019 im Alter von 90 Jahren verstorben ist. Er wurde am 11. Oktober in seiner Heimat in Greven zur letzten Ruhe getragen.
„Vergangenheit ist Geschichte. Zukunft ist ein Geheimnis. Jeder Augenblick ist ein Geschenk“, so ist seine Traueranzeige überschrieben. Für Bbr. Gladen, geboren am 10. August 1929, war die Beschäftigung mit der Vergangenheit kein Selbstzweck: 1970 legte er seine in Bochum entstandene Dissertation vor, die im Verlag Aschendorff in Münster erschien. „Der Kreis Tecklenburg an der Schwelle des Zeitalters der Industrialisierung“ gilt bis heute als Standardwerk.
Vier Jahre später folgte seine „Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Eine Analyse ihrer Bedingungen, Formen, Zielsetzungen und Auswirkungen“ (Steiner, Wiesbaden 1974), ein Ausweis vieler sozialhistorischer Forschungen, die sein Interesse prägten. Dazu zählten auch seine Veröffentlichung „Die Streiks der Bergarbeiter im Ruhrgebiet in den Jahren 1889, 1905 und 1912 (in: Jürgen Reulecke (Hrsg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinland-Westfalen. Hammer, Wuppertal 1974) oder die Mitherausgabe bei der zweibändigen Arbeit „Hollandgang im Spiegel der Reiseberichte evangelischer Geistlicher. Quellen zur saisonalen Arbeitswanderung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ (GLADEN, Albin/KRAUS, Antje/LOURENS, Piet (Hg.), Münster 2007).
Bbr. Albin Gladen, rezipiert am 1.6.1951 bei Unitas Ruhrania in Münster und philistriert zum 1.1.1956, hat fast 130 Semester der Unitas die Treue gehalten.
Chef der Unitas in Bochum: Bbr. Dr. Winfried Glaß
Unitas-Altherrenzirkel Bochum, Unitas Berlin und Unitas Ruhrania trauerten um Bbr. Winfried Glaß, der in seinem 71. Lebensjahr überraschend am 13. März 1999 verstarb. Winfried Glaß, geboren am 10. April 1928, hatte an der freien Universität Berlin Naturwissenschaften studiert. Er gehörte 1949 zu den Wiederbegründern einer Aktivitas in Berlin nach dem 2. Weltkrieg. In der Festschrift „90 Jahre Unitas Berlin“ hat er die damalige schwierige Zeit, aber auch die Bedeutung der unitarischen Prinzipien für seinen Eintritt in die Unitas in nachlesenswerter Weise beschrieben. Nach dem Abitur 1947 war er 1948 einer der ersten Studenten der gerade gegründeten FU Berlin. Im SS 1950 und im WS 1951/52 war er Senior der Unitas Berlin.
Nach dem Diplom-Examen als Chemiker und der späteren Promotion an der Universität Münster (1959) war er zunächst bei der Kohletechnik in Dortmund tätig, sodann in Essen bei der Bergforschung, wo er mehrere Patente erwarb, und als stellv. Laborleiter bei der Essener Steinkohle. Im Jahre 1968 übernahm er die Stellung des Leiters der Benzolforschung der Aral AG in Bochum. Dr. Winfried GIaß hat sich durch seine Leistung und sein Fachwissen Ansehen und Wertschätzung erworben. Seine tiefe christliche Grundhaltung hat seine berufliche Tätigkeit geprägt, aber auch zu mannigfaltigem Engagement im Kirchenvorstand seiner Gemeinde St. Martin geführt.
Mit Aufnahme seiner Tätigkeit in Bochum gehörte er dem Altherrenzirkel Bochum an. Sieben Jahre bis zu seinem Tode war er Vorsitzender und förderte den Zusammenhalt des Zirkels mit vielen Aktivitäten. Die Unitas verlor mit Winfried Glaß den Vorsitzenden, besonders aber einen lieben Freund, der während der vielen Jahre in bundesbrüderlicher Treue verbunden, aber auch bei den Aktiven beliebt war und diese geprägt hat. Beim Seelenamt und der anschließenden Beisetzung chargierte die Unitas Ruhrania in Anwesenheit von zahlreichen Bundesbrüdern aus dem Ruhrgebiet und aus Berlin. Bbr. Vossenkemper, der Vors. des Berliner Unitas-Heim e.V., gedachte am Grab seines verstorbenen Schwagers und sprach mit den anwesenden Bundesbrüdern das Vereinsgebet. - aus: unitas 2/99, 57
Bbr. Monsignore August Gordz, ehemaliger Bundespräses des BDKJ
Am Dienstag, 17. Juli 2012, ist der ehemalige BDKJ-Bundespräses Bbr. Monsignore August Gordz im Alter von 84 Jahren in Düsseldorf verstorben. Am 12. Dezember 1927 in Paderborn geboren, studierte Gordz 1949-1955 Theologie in Münster und Freiburg, wo er sich als 24-Jähriger im Juni 1951 der dortigen UNITAS Lichtenstein anschloss. 61 Jahre lang blieb er als Bundesbruder dem Verband der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine UNITAS, zuletzt der Düsseldorfer UNITAS Rheinfranken und dem dortigen Zirkel, treu verbunden.
Der Priester der Diözese Münster war 1955 durch den damaligen Bischof Michael Keller zum Priester geweiht worden, anschließend als Kaplan in Wesel und Hamm-Heesen und von 1960-1966 Diözesanjugendseelsorger der Mannesjugend im Bistum Münster. Am 1. September 1966 wurde er zum BDKJ-Bundespräses und Leiter der Frauenjugend gewählt und leitete seit 1968 die Bischöfliche Hauptstelle für Jugendseelsorge. „Dabei hat er die Beschlüsse der Würzburger Synode, welche die Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils für Deutschland fruchtbar gemacht haben, aus Sicht der katholischen Jugend mitgestaltet und hatte großen Anteil daran“, so der heutige BDKJ-Bundespräses Pfarrer Simon Rapp. „Heute nehmen der BDKJ und die in ihm zusammengeschlossenen Jugendverbände in Dankbarkeit und in Anerkennung seines Lebenswerks Abschied von ihm. Wir wissen uns verbunden im gemeinsamen Glauben an Gott, der ihm nun die Erfüllung seines Suchens und Engagements schenken möge.“
Zudem diente Bbr. Gordz 1967-1970 als Geistlicher Leiter die Katholische Frauenjugendgemeinschaft (KfG) im BDKJ, er wurde 1972 Generalpräses der Katholischen Frauengemeinschaft in Deutschland (KfD) sowie Leiter der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz. Seit 1977 trug Bbr. Gordz den Titel des Päpstlichen Ehrenkaplans.
Nach seiner Pensionierung war er bis 2003 als Seelsorger in Duisburg tätig. 2003 zog er dann zurück nach Düsseldorf, in die Nähe seiner ehemaligen Wirkungsstätte, dem Jugendhaus Düsseldorf. In der benachbarten Heilig-Geist-Kirche feierte er 2005 sein Goldenes Priesterjubiläum. Noch im Mai 2008 war Bbr. August Gordz Ehrengast beim 100-jährigen Jubiläum der Zentralstelle für katholische Jugendarbeit, dem Jugendhaus Düsseldorf, der Zentrale des Dachverbands von 16 katholischen Jugendverbänden und -organisationen mit rund 660.000 Mitgliedern. R.I.P.
BONN / JERUSALEM. Am 9. November 2022 ging in Jerusalem sein letzter Wunsch in Erfüllung: Bbr. Hermann-Josef Grossimlinghaus (1950-2021) fand auf dem Friedhof der Dormitio-Abtei Hagia Maria Sion auf dem Berg Zion seine letzte Ruhe. Er hatte in den letzten fast fünf Jahrzehnten wie kaum ein anderer die Unitas mitgeprägt. „Hejo“, wie er allseits genannt wurde, starb im Dezember 2021 im Alter von 71 Jahren ganz überraschend in St. Augustin bei Bonn. Dreimal hintereinander diente der Diplom-Ökonom dem Verband als Vorortspräsident (1977-80), sechs Jahre als Vorsitzender der damals jungen Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV), die er weit über seine Amtszeit (1980-1986) hinaus entscheidend profilierte. Ihr gab er u.a. mit der Menschenrechtsarbeit, den Dialogprogrammen mit hohen Vertretern der Politik und nicht zuletzt mit den seit 1983 organisierten Wallfahrten wesentliche Impulse. Bis zuletzt bliebt er der Initiative verbunden.
Menschen zusammenbringen
Durch seine „Erfindung“ der Wallfahrten, die ihm selbst viel abverlangten, führten über 40 Pilgerreisen ins Heilige Land, in die Länder des Nahen Ostens, nach Rom und Assisi, Frankreich, Spanien, Irland und in die Türkei – von ihm minutiös vorbereitet und mit zahllosen Begegnungen vor Ort. Über die Verbandsgrenzen hinaus ermöglichte er so die Erfahrung einer lebendigen Glaubensgemeinschaft. 1992 wurde er für seinen unermüdlichen Einsatz von der AGV mit dem Ehrenvorsitz geehrt – fast 30 weitere Jahre lange sollte er in dieser Funktion aktiv bleiben.
Auch im Unitas-Verband blieb er durchgehend und rastlos aktiv: Von 1989 bis 1992 übernahm er die Schriftleitung der Unitas-Verbandszeitschrift und die Leitung des unitarischen Presseamtes. Von 1990 bis 1992 war er zugleich Vorsitzender des Beirats für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, ab 1999 erneut Mitglied der Redaktion der Verbandszeitschrift, die er bis 2018 engagiert und wesentlich mitbetreute. Seit 1996 galt sein besonderer Einsatz auch den sozialen Projekten des Unitas-Verbandes, die maßgeblich auf seine Initiative zurückzuführen sind und für die seine engen Kontakte zu den kirchlichen Werken Adveniat, Misereor oder Missio äußerst hilfreich waren. Viele Hunderttausende Spenden-Euro flossen dadurch aus dem Unitas-Verband in gute Zwecke. Besonders verbunden war er der Unitas Assindia in Aachen und Unitas Cheruskia Gießen, aber vor allem der Unitas-Salia in Bonn, die ihn mit 36 Jahren zum Ehrensenior wählte – in ein Amt, das er 17 Jahre innehaben sollte. 2010 wurde sein Engagement als „glaubwürdiger Zeugen für die unitarischen Grundsätze“ mit der Silberne Ehrennadel des Unitas-Verbandes gewürdigt.
Beruflich stand Bbr. Hermann-Josef Großimlinghaus seit 1977 im Dienst der Deutschen Bischofskonferenz. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Kommission Iustitia et Pax und übernahm ab 1981 in der Zentralstelle Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz die Verantwortung für die Regionalbereiche Asien, Ozeanien und entwicklungspolitische Fragen. Neben seiner beruflichen Aufgabe als Geschäftsführer des Bereichs Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz wurde er 2003 in die ehrenamtliche Vizepräsidentschaft des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande (DVHL) in Köln berufen. Auch hier entwickelte er in seiner 16-jährigen Amtszeit zahlreiche zukunftsweisende Initiativen für das Hilfswerk und seine Einrichtungen im Nahen Osten.
Letzte Heimat im Heiligen Land
Am 19. März 2022 gab ihm in seiner langjährigen Bonner Heimatkirche St. Elisabeth eine große Trauergemeinde das letzte Geleit: In dem von Bbr. Kardinal Reinhard Marx gefeierten Auferstehungsamt trauerten zahlreiche Vertreter von Verbänden, Alt-Wallfahrer, viele Bundesbrüder und Bundesschwestern und nahmen Abschied von einem Freund und langen Wegbegleiter, der sein Leben einer ganz eigenen Mission gewidmet hatte.
Jetzt hat er wirklich die letzte Reise zum „himmlischen Jerusalem“ angetreten, das in Bonn im Mittelpunkt der musikalischen Gestaltung und der Predigt stand. Und dort, im Heiligen Land selbst, trafen dabei derzeit mehrere Umstände zusammen, die mit der großen Leidenschaft von Bbr. Grossimlinghaus verbunden waren: Die Brotvermehrungskirche in Tabgha, das Kloster und das Pilgerhaus des DVHL begingen am 12. und 13. November 2022 drei runde Gedenktage: Die Kirche, das vierte Gotteshaus an dieser Stelle, wurde 1982 vom Kölner Kardinal Joseph Höffner eingeweiht, vor 20 Jahren das moderne Pilgerhaus, dessen Grundstein Papst Johannes Paul II. bei seiner Heilig-Land-Reise im Jubiläumsjahr 2000 segnete. Auch das Kloster der Benediktiner, vor zehn Jahren eingeweiht, hat Hejo viel zu verdanken. Die Gedenkfeiern begingen die Benediktiner und der Heilig-Land-Verein mit Gottesdiensten und Großtreffen, zum liturgischen Brotvermehrungsfest waren insbesondere die einheimischen Christen zu einem Gottesdienst mit dem neuen Weihbischof Rafik Nahra aus Nazareth eingeladen, Freunde des Klosters und des Heilig-Land-Vereins aus dem In- und Ausland.
Bestattet wurde Hejo auf dem sehr kleinen grünen Friedhof der Dormitio-Abtei, der vor 90 Jahren unter Abt Maurus Kaufmann O.S.B. (1871-1949) für bislang rund 30 Mönche und Äbte in einem Teil des Klostergartens eingerichtet wurde. Er grenzt an den Griechisch-Orthodoxen Friedhof. Auf den einfachen Grabsteinen sind die Namen der Mönche eingraviert, Todestag, Eintritt in das Kloster und das Sterbedatum – unter ihnen berühmte Namen, wie der des langjährigen Priors und Autors P. Benedikt Stolz O.S.B. (1895-1986), Ehrenbürger der Stadt Jerusalem, und des Archäologen P. Bargil Pixner O.S.B. (1921-2002). Viele werden sich vielleicht vornehmen, Hejo dort einmal zu besuchen.
Hejo – Du bist angekommen. R.I.P.
Die Dormitio-Abtei in Jerusalem - weithin sichtbar auf dem Berg über der Stadt. Adresse: Dormition Abbey, Mount Sion, P.O.B. 22, 9100001 Jerusalem / Israel, Tel. +972-2-5655-303, E-Mail: abtei@dormitio.net, https://www.dormitio.net, https://www.facebook.com/Dormitio/; Gastbruder: gastbruder@ dormitio.net, Onlineformular: Anfrage Gastaufenthalt, weitere Kontaktinformationen.
Abschied von Bbr. Hermann-Josef Großimlinghaus am 19. März 2022 in seiner langjährigen Bonner Heimatkirche St. Elisabeth
links: Bbr. Großimlinghaus beim letzten AGV-Treffen in Feldberg-Bärenthal Anfang Dezember 2021, Mitte: Ruhranen-Gründungssenior Helmut Wiechmann, damals Geistlicher Beirat des Unitas-Verbandes, überreicht eine selbstgefertigte Kerze zum 60. Geburtstag beim Treffen im Garten der Unitas-Salia Bonn
Weiterer Artikel:
04. Januar 2022: Unitas-Salia trauert um Bbr. Hermann-Josef Großimlinghaus
Bbr. Georg Häfner wurde am 19. Oktober 1900 in Würzburg geboren, doch starb er - nur 41 Jahre alt - am 20.08.1942 im Konzentrationslager Dachau. Schon als Kaplan von Altglashütten war er ins Fadenkreuz der NS-Machthaber geraten, weil er den Hitlergruß verweigerte. Er ist der erste Bundesbruder, der seliggesprochen wurde.
Bbr. Joseph Georg Simon Häfner stammte aus einfachen Verhältnissen. Der Sohn eines städtischen Arbeiters wurde in der Dompfarrei getauft, machte 1918 das Kriegsabitur und wurde zum Heer eingezogen. Seine Eltern ermöglichten ihm ein Studium der Theologie und er schloss sich der Unitas in Würzburg an. Er trat in den Dritten Orden der Unbeschuhten Karmeliten ein und empfing am 13. April 1924 in der Michaelskirche die Priesterweihe; die Primiz hielt er im Kloster Himmelspforten. Nach Kaplanstätigkeit in Motten (1924), Goldbach, Mürsbach (1925) und Altglashütten (1928 bis 1934) wurde er Pfarrer in Oberschwarzach in Franken.
In Opposition zu den Nazis
Seit 1938 war ihm an der örtlichen Schule das Erteilen von Religionsunterricht verboten, so dass er Kommunion- und Firmunterricht heimlich abhalten musste. Mehrfach wurde er wegen kritischer Äußerungen gegen den NS-Staat in Predigt und Christenlehre – er soll unter anderem von „braunen Mistkäfern“ gesprochen haben – bei der Gestapo angezeigt und zum Verhör bestellt. Als ihn im August 1941 ein schwer erkranktes Parteimitglied der NSDAP um die Sterbesakramente bat, kam Pfarrer Häfner dem Wunsch nach, ließ aber den Parteigenossen auf dem Sterbebett eine Erklärung unterschreiben, in der dieser seine zweite, standesamtlich geschlossene Ehe vor Gott und seinem Gewissen als ungültig erklärte. Er verlas eine kurze Begründung am folgenden Sonntag in der Kirche, um den exkommunizierten Mann kirchlich beerdigen zu können, wurde aber daraufhin von einem anderen Parteimitglied denunziert.
„ ... mit allen wollen wir gut sein“
Bbr. Häfner kam ins Gestapo-Gefängnis in Würzburg und schrieb aus der Untersuchungshaft am 9. Dezember 1941 an seine Eltern: „... Keinem Menschen wollen wir fluchen, keinem etwas nachtragen, mit allen wollen wir gut sein.“ Am 12. Dezember 1941 wurde er ohne richterlichen Beschluss in den sogenannten Priesterblock des KZ Dachau (Häftlingsnummer 28876) gebracht, wo er bei schwerer körperlicher Arbeit auf der so genannten „Plantage“ den schrecklichen Hungersommer von 1942 ertrug. „Nur in der Schule des Heilands ist die Liebe zu lernen, die auch vor dem Feind nicht halt macht", schrieb er noch aus dem KZ. Am 20. August 1942, dem Gedenktag des Heiligen Bernhard von Clairvaux, starb er an den Folgen von Krankheit, Unterernährung und Misshandlung.
Seligsprechung 2010 in Würzburg
Die Urne unseres Bundesbruders Georg Häfner wurde zunächst am 18. September 1942 im Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt, am 9. Dezember 1982 von Bischof Dr. Paul-Werner Scheele in die Krypta der Neumünsterkirche überführt und am 23. Juli 1992 das Bischöfliche Erhebungsverfahren zur Seligsprechung eingeleitet. Die am 31. Mai 2002 abgeschlossene 900-seitige Dokumentation ging an die Selig- und Heiligsprechungskongregation und 2004 der Antrag an den Vatikan. Er bestätigte am 3.Juli 2009 den Tod von Bbr. Häfner als Märtyrer. Das von Papst Benedikt XVI. genehmigte Dekret der Heiligsprechungskongregation stellte fest, dass Bbr. Georg Häfner „aus Hass gegen den Glauben“ getötet wurde. Am 8. September 2010 – vor 10 Jahren - gaben der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann und der Postulator im Seligsprechungsprozess, Bbr. Domdekan Günter Putz, die Seligsprechung bekannt, am 15. Mai 2011 wurde Georg Häfner als erster aus dem UNITAS-Verband im Kiliansdom in Würzburg seliggesprochen.
Seit dem 11. Juni 2007 erinnert ein Stolperstein vor dem Würzburger Neumünster an den Märtyrerpriester und 2011 wurde in Würzburg in der Nähe seines Elternhauses ein Platz an der Ecke der Östlichen Bockgasse nach Bbr. Georg Häfner benannt. Seit dem 11. Juni 2007 erinnert ein Stolperstein vor dem Würzburger Neumünster an den Märtyrerpriester. Die Unitas in Würzburg begeht mit dem ganzen Verband jedes Jahr sein Gedächtnis in besonderer Weise.
HALLE / ESSEN. Am 6. September 2024 ist Dr. Elmar Hälbig in Halle/Westfalen im Alter von 90 Jahren gestorben. Geboren am 18.08.1934 in Berlin-Pankow als Sohn eines Amtsrichters, floh er im Krieg mit der Familie zu Verwandten nach Bielefeld und besuchte dort das Ratsgymnasium. Nach dem Abitur 1954 studierte er Jura in Münster, Innsbruck und München. Im November 1955 hatte er sich der Unitas Ruhrania angeschlossen, wurde zum 1958 philistriert und hielt ihr fast 140 Semester die Treue, auch nachdem sie sich in Bochum-Duisburg-Essen-Dortmund neu konstituierte: „Er hat bis zum Schluss aus Überzeugung dem Unitas-Verband angehört“, äußerte die Familie in Ihrer Todesanzeige.
Der promovierte Jurist war mehr als 20 Jahre Stadtdirektor von Halle und prägte die Stadt im Norden des Kreises Gütersloh nachhaltig. Als „Diplomat mit Sinn für Klartext“ und „Ein Mann des Ausgleichs“ würdigten ihn das Westfalen-Blatt und das Haller Kreisblatt. Zunächst wirkte Bbr. Dr. Elmar Hälbig als Leiter der Kämmerei und später als stellvertretender Stadtdirektor in Borghorst, ab 1975 dann als Stadtdirektor in Halle. In der damals üblichen Doppelspitze teilte er sich gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Bürgermeister die Führungsaufgaben der Stadt. Sein ruhiger und verbindlicher Führungsstil prägte den Ton im damaligen Rathaus, bis er Anfang November 1997 als letzter Stadtdirektor in den Ruhestand wechselte. Schon vor seinem Ruhestand nahm er ein nebenberufliches Studium auf, schrieb sich schließlich als ordentlicher Student an der Universität Bielefeld für Philosophie ein und legte seinen Magister-Abschluss mit einer rechtsphilosophischen Arbeit über die Vereinten Nationen ab.
Bbr. Dr. Elmar Hälbig hinterlässt neben seinen Kindern auch drei Enkelkinder. R.I.P.
Bbr. Joseph Hartmann (1895-1954): Generalsekretär der Vinzenzkonferenzen in Deutschland
Joseph Hermann Hartmann wurde am 24. Januar 1895 in Essen geboren. Nach dem Besuch der Volksschule wurde er von seinem Borbecker Heimatpfarrer Joseph Hammels (1868-1944) für das Gymnasium vorbereitet, welches er jedoch kurz vor dem Abitur aufgrund des begonnenen Ersten Weltkrieges verlassen musste. Aus diesem nach Essen zurückgekehrt, vollendete er seine Gymnasialausbildung, begann in Bonn mit dem Studium der Theologie und Philosophie und schloss sich dort dem Wissenschaftlichen Katholischen Studentenverein UNITAS Rhenania (B3) an.
Schon bald drängte es ihn nach Freiburg, um am dortigen Caritaswissenschaftlichen Institut zu studieren, wo er das sog. Caritas-Diplom erwarb. In diese Zeit fiel dann auch seine erste Begegnung mit dem Werk von Friedrich Ozanam (1813-1853) in der Akademischen Vinzenzkonferenz Freiburgs. Mit dem Leiter der Konferenz, Bibliotheksdirektor Heinrich Auer (1884-1951), mit dem ihn bis zu dessen Tod eine herzliche Freundschaft verband, fand er dann auch einen herausragenden Lehrer und Wegbegleiter.
Am 12. März 1930 empfing Joseph Hartmann durch Joseph Hammels, inzwischen Weihbischof in Köln, im dortigen Hohen Dom die Priesterweihe. Danach wirkte er ab dem 31. März 1930 als Kaplan an St. Joseph in Leverkusen-Manfort sowie ab dem 21. September 1933 an St. Peter in Köln. Hier begegneten ihm die „kleinen Leute“, und unter ihnen die Armen und Bedürftigen, denen später seine besondere Sorge im Vinzenzverein gelten sollte. Als er aus dieser Stellung am 1. Dezember 1934 das Amt des Generalsekretärs der Vinzenzkonferenzen in Deutschland übernahm, war er theoretisch wie praktisch bestens vorbereitet.
Bald nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Generalsekretär setzten die Schwierigkeiten ein, denen im Dritten Reich die kirchlichen Laienorganisationen ausgesetzt waren: Einschränkung der Tätigkeit, Kriegsdienst und Tod der Mitglieder, Zerstörung durch Bombenwürfe, denen im Jahr 1943 auch das Gebäude des Generalsekretariates in Köln zum Opfer fiel. Umso größer waren die Aufgaben, die den Vinzenzkonferenzen nach dem Zusammenbruch erwuchsen. Wenn zu ihrer Bewältigung nach und nach wieder mehr als 700 Konferenzen mit nahezu 8.000 Mitgliedern bereitstanden, so war das zu einem nicht geringen Teil der Rührigkeit Joseph Hartmanns zuzuschreiben.
Nur wenige ihm nahestehende Menschen wussten jedoch, wie schwer ihm das fiel. Bereits seit 1938 quälte ihn ein Nierenleiden, das seine Arbeitskraft lähmte und ihm schließlich die Hoffnung nahm, je wieder ganz gesund zu werden. Sparsam im Wort und zurückhaltend in allen Dingen, die ihn selbst betrafen, hat er nie davon gesprochen. „Er hat es still hineingenommen in sein tägliches priesterliches Opfer. Und als ihn nichts mehr zu tun und alles zu leiden übrig blieb, da war er vollendet, als Mensch, als Christ, als Priester und als Jünger des heiligen Vinzenz von Paul“ (Joseph Schreiber).
Als Joseph Hartmann, seit dem 4. Dezember 1952 Päpstlicher Geheimkämmerer, am 9. September 1954 in Bad Godesberg starb, trauerte man in ganz Deutschland um einen wirklichen Caritas-Priester. Seine schlichte Frömmigkeit, seine Bescheidenheit, auch die Schlichtheit, mit der er sich auszudrücken pflegte, seine Freudigkeit, zu helfen und zu trösten und nicht zuletzt seine Leidensbereitschaft hatten ihn zu einem liebenswerten Menschen gemacht. Er verabschiedete sich bei seinen Freunden mit den Worten: „Fürchten wir uns nicht. Die Wanderschaft in dieser Welt ist kurz. Die Verheißung Christi aber wunderbar: die Ruhe des kommenden Reiches und das ewige Leben.“
Lambert Klinke
Aus: unitas, Zeitschrift des Verbandes der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine Unitas, 144. Jg., 3/2004
In Memoriam: Bbr. Dr. Otto Hermanns
Bbr. Dr. med. Otto Hermanns hat am 12. März 2011 im 97. Lebensjahr sein Leben in die Hand seines Schöpfers zurückgegeben. Ab 1952 leitete der Schüler von Prof. Dr. med. Ferdinand Adalbert Kehrer (Universitäts-Nervenklinik Münster) 25 Jahre lang das Katholische Fachkrankenhaus für Suchtkranke Kamillushaus in Essen. Dort führte der Neurologe und Psychiater neue und wegweisende Elemente in die Behandlung ein. Mehr als 50 Jahre nahm Bbr. Dr. Hermanns aktiv an den Lindauer Psychotherapiewochen teil, über Jahrzehnte als Dozent für Autogenes Training und Hypnose.
Bis fast zuletzt blieb der Buchautor und Suchtexperte, der Abertausende Menschen wieder auf die Beine brachte, in seinem Beruf aktiv. Bis fast zum 90. Lebensjahr war er psychotherapeutisch in der pastoralpsychologischen Beratungsstelle des Bistums Essen tätig. Für sein Lebenswerk wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Päpstlichen Gregorius-Orden sowie dem „Silbernen Brotteller des Deutschen Caritasverbandes“ ausgezeichnet.
Katholische Lebenshaltung
Aus seiner treuen katholischen Lebenshaltung machte Bbr. Hermanns, der sich während seines Studiums in Münster im Juni 1935 der UNITAS Burgundia angeschlossen hatte, nie einen Hehl. Jeden Tag stellte er unter die Devise „serviam – ich werde dienen“, er betete den Rosenkranz, pflegte Gebetszeiten und geistliche Lesungen. Innere Stille und Rückzug aus aller Geschäftigkeit ermöglichten ihm im Tagesverlauf die Meditation und Versenkung in die Fragen nach dem Willen Gottes, wie er bei einer Wissenschaftlichen Sitzung mit dem Essener UNITAS-Zirkel 2008 bekannte. Am Beispiel der Hl. Teresa von Avila, die ihn wie viele christliche Mystiker seit seiner Jugend begleitete, erläuterte er das Dreieck der Beziehung zwischen „Gott – Mitmenschen – Ich“ im Lebenskreis der Liebe: „Die Liebe zum Mitmenschen ist die Grundbedingung für die Beziehung zu Gott“, erklärte Bbr. Hermanns.
Den Lebenssinn finden
Im Alter beschäftigte er sich zunehmend mit dem Lebenssinn. Nach dem Wiener Psychiater Viktor Frankl könne man seinem Leben keinen Sinn „geben“, zeigte sich Bbr. Dr. Otto Hermans überzeugt: „Man muss den Sinn des Lebens finden. Selbstgemachter Sinn ist Unsinn“, so der Mediziner. Als Voraussetzung solcher Sinnfindung sah er die innere Ausgeglichenheit – die „tranquilitas animae“ der christlichen Mystik. Vor allem aber waren ihm die Sakramente und das „Ur-Mysterium der Messe“ lebenswichtig. In einem Radiointerview erklärte er: „Mystik zielt darauf, mit Gott in ständiger Gemeinschaft zu leben, sich völlig seinen Wünschen unterzuordnen, zu ihm in ein Treueverhältnis zu treten und diese Treue nicht mehr zu brechen“. Nachdrücklich erinnerte er dabei auch an Karl Rahners Aussage, dass die Kirche der Zukunft eine mystische sein müsse. Diese Haltung brachte er nicht nur im persönlichen Gespräch, sondern auch bei den Treffen des UNITAS-Zirkels immer wieder beredt und überzeugend zum Ausdruck.
Dankbarer Abschied
Bbr. Dr. Otto Hermans hat der UNITAS und ihren Prinzipien über 150 Semester lang in vorbildlicher Weise die Treue gehalten. Die Essener UNITAS hat einen beeindruckenden und glaubwürdigen christlichen Zeugen aus ihrer Mitte verloren. Sie ist dankbar, dass sie ihn hatte und wird seiner immer dankbar gedenken. Aktiven und Alten Herren war er ein echtes Vorbild. Sein tiefer Glaube, sein Gottvertrauen und seine bundesbrüderliche Freundschaft waren uns ein Geschenk. Requiescat in pace!
Franz Hitze, geboren am 16.3.1851 in Hanemicke, heute Teil von Olpe, nimmt in der mehr als 150-jährigen Tradition des sozialen Katholizismus in Deutschland einen herausragenden Platz ein. Früh war er mit dem Elend der Arbeiterschaft in Berührung gekommen, machte sein Abitur in Paderborn und plädierte schon während seines Studiums der Theologie in Würzburg (1872-1877) vor seinen Mitstudenten im katholischen Studentenverein Unitas für eine grundlegende Sozialreform. Aus seinen Vorträgen bei den Unitas-typischen Wissenschaftlichen Sitzungen entstanden die Schriften Die soziale Frage und die Bestrebungen zu ihrer Lösung mit besonderer Berücksichtigung der verschiedenen sozialen Parteien in Deutschland“ (1877), Quintessenz der sozialen Frage (1880) und Kapital und Arbeit und die Reorganisation der Gesellschaft (1880). Nach der Priesterweihe 1878 in Würzburg ging er für knapp zwei Jahre nach Rom und übernahm 1880 das Amt des Generalsekretärs des Verbandes Arbeiterwohl in Mönchengladbach, einem Zusammenschluss von katholischen Fabrikanten, Intellektuellen und Geistlichen.
In der praktischen Politik
Mit 32 Jahren ging der junge Priester in die Politik und blieb ihr fast vier Jahrzehnte verbunden: Von 1882-93 und 1898-1912 gehörte Hitze als Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Mönchengladbach dem Preußischen Abgeordnetenhaus an. 1884-1921 wurde er im Wahlkreis Geilenkirchen-Erkelenz (Reg.-Bezirk Aachen) als Abgeordneter für die Zentrumspartei in den Reichstag gewählt. Dort von Bismarck als „agitierender Kaplan“ bezeichnet, war er maßgeblich an den Grundlagen des heutigen Sozialversicherungssystems im Deutschen Kaiserreich und an dessen praktischer Umsetzung in der Weimarer Republik beteiligt.
1890 rief er in Mönchengladbach mit Franz Brandts und Zentrums-Führer Ludwig Windthorst gegründete Volksverein für das Katholische Deutschland ins Leben. Er wurde bis zum Ersten Weltkrieg die größte katholische Massenorganisation und erzielte durch staats-, wirtschafts-, sozial-, kultur- und gesellschaftspolitische Bildungsarbeit eine große Breitenwirkung – auch gegen staatliche und innerkirchliche Widerstände: Der Verein entfaltete eine breite publizistische Tätigkeit und setzte sich durch millionenfach verbreitete Flugblätter, Zeitschriften und Bücher für die christlich-sozialen Ideen ein. Schulungen, Kurse und Lehrgänge wurden insbesondere von den katholischen Arbeiter-Organisationen wahrgenommen und trugen dem Verein den Namen „Mönchengladbacher Galopp-Universität“ ein. Zahlreiche Vertreter der katholischen Verbände bildeten ein großes Netzwerk und stiegen bis in hohe politische Funktionen auf. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erreichte der Volksverein über 800.000 Mitglieder. 1933 wurde er wie seine über 6.000 Ortsgruppen in Deutschland von den Nationalsozialisten verboten und zerschlagen.
Lehre und Organisation
Ab 1893 hatte Hitze in Münster die erste Professur für christliche Gesellschaftslehre weltweit inne. Im Mittelpunkt seiner Schriften stand dabei nicht so sehr die theoretische Erörterung im Vordergrund, vielmehr die praktische Sozialpolitik, Bildungsarbeit, Arbeitsschutz und wirtschaftliche Selbsthilfe. Auf den deutschen Katholikentagen plädierte er für ein offensives Eintreten der Kirche in der sozialen Frage und für die Gründung katholischer Arbeitervereine, er gilt als Mitbegründer der Katholischen Arbeiterbewegung und Christlicher Gewerkschaften. Zudem unterstützte er die Gründung des Deutschen Caritas-Verbandes, der zur Koordination und Zusammenfassung der sozialcaritativen Arbeit der Kirche in Deutschland 1897 in Köln ins Leben gerufen wurde.
Ämter und Aufgaben
1919 wurde Franz Hitze in die Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung in Weimar gewählt und war dort maßgeblich an der Ausarbeitung der sozial- und schulpolitischen Artikel in der Weimarer Verfassung beteiligt. Das Handbuch der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (Weimar 1919 ; biographische Notizen und Bilder, Berlin, 1919) listete seine vielseitigen Tätigkeiten auf, die ein Licht auf seine weitgespannten Verpflichtungen in diesen Jahren werfen:
„Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, der Gesellschaft für Sozial-Reform des Westfälischen Kleinwohnungsvereins, des Volksvereins für das katholische Deutschland; Mitglied im Präsidium der Zentralstelle zur Bekämpfung der Tuberkulose, Vorstandsmitglied des Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrtspflege, des katholischen Verbandes „Arbeiterwohl“ für soziale Kultur und Wohlfahrtspflege, des Zentralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen, der Görresgesellschaft zur Pflege der Wissenschaft; Ausschussmitglied des Vereins für Sozialpolitik, des deutschen Wohnungsvereins, des Vereins gegen den Missbrauch geistiger Getränke, des katholischen Charitas-Verbandes; Ehrenpräses der kath. Gesellenvereine, Ehrenvorsitzender des Verbandes kath. Arbeitervereine, Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken Deutschlands; Ehrenvorsitzender der deutschen Zentrumspartei usw. Von 1882-1912 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, seit 1884 Mitglied des Deutschen Reichstags und dann Mitglied der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung. War „Sachverständiger“ bei den Staatsratsberatungen (betreffend Februarerlasse 1890) und Berichterstatter der Reichstagskommission über die Arbeiterschutznovelle von 1891.“
Von 1920 gehörte er erneut dem Reichstag an, verhalf mit seiner Fraktion unter anderem dem Betriebsrätegesetz zur parlamentarischen Mehrheit und wurde Ehrenvorsitzender der Zentrumspartei – sie würdigte damit seine in Jahrzehnten gewachsene Rolle in der Partei, so Bbr. Professor Dr. Joseph Mausbach: „Lange Jahre hindurch war er ein anerkannter Führer der Zentrumspartei, ohne doch je den Posten eines Ersten oder Zweiten Vorsitzenden eingenommen zu haben. So war überall seine Persönlichkeit die Hauptsache, das Bestimmende, lebendig Wirkende; der Stand und Name war Nebensache.“ (Hitze - von Gott berufen, in: unitas 7/1956) Am 20. Juli 1921 starb der viele Jahre lang herzkranke Franz Hitze im 70. Lebensjahr während eines Kuraufenthaltes in Bad Nauheim und wurde in Rhode bei Olpe begraben.
„Bedeutender Westfale“ im Video
Am 16. März 2021 jährte sich zum 170. Mal sein Geburtstag, am 20. Juli zum 100. Mal sein Todestag. Aus diesem Grund entstand im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), der Landeszentrale für politische Bildung NRW und der Stadt Olpe ein dokumentarisches Filmporträt, das Leben und Wirken des Sozialreformers beleuchtet. „Franz Hitze – Ein Sozialreformer aus Westfalen“ wurde am 28. September 2021 im CINEPLEX Olpe uraufgeführt. Der Film erinnere an einen „bedeutenden Westfalen, der durch seine Herkunft aus dem Sauerland, seine soziale und pastorale Arbeit im niederrheinischen Textilrevier und seine wissenschaftliche Tätigkeit in der damaligen westfälischen Provinzialhauptstadt Münster unterschiedliche Landesteile Nordrhein-Westfalens in seiner Person verbindet“ – so die Ankündigung. In sechs Kapiteln vermittelt der von der Berliner „Bildungsfilm GbR“ produzierte Film Leben, Werk und bleibende Bedeutung Franz Hitzes. Durch Drehs an Originalschauplätzen, einem Schauspieler, der in die Rolle des älteren Franz Hitze schlüpft, und auch einigen Graphic-Novel-Szenen, die historische Situation visualisieren, wird die Persönlichkeit des Priesters und Politikers lebendig. Eine Reihe von Fachleuten äußert sich zum historischen Hintergrund und zur heutigen Aktualität seines Wirkens. Zur Filmpremiere heißt es: „Der Film richtet sich an alle, die sich für die deutsche und speziell rheinisch-westfälische Gesellschaftsgeschichte des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts interessieren. Schulen und außerschulischen Bildungsträgern nicht nur in Nordrhein-Westfalen möchte er einen Impuls liefern, sich mit der sozialen Frage und den Bemühungen zu ihrer Lösung zu beschäftigen und davon ausgehend nach der Bedeutung eines funktionierenden Sozialsystems für unsere Gesellschaft zu fragen."
Die DVD kann für 14,90 Euro im Buchhandel und beim LWL-Medienzentrum, Fürstenbergstraße 13-15, 48147 Münster, E-Mail: medienzentrum@lwl.org erworben werden. Nähere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden sich unter http://www.westfalen-medien.lwl.org. Unter dieser Adresse wird der Film auch zum Download bereitstehen.
Artikel:
09. August 2021: Der Student Franz Hitze in Würzburg
07. Februar 2021: 2021: Franz-Hitze-Gedächtnisjahr
20.Juli 2021: Katholiken einen Weg gewiesen
Bbr. Dr. Paul Hoffacker, ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Kolpingwerks, des Bischöflichen Hilfswerks Adveniat und langjähriger Bundestagsabgeordneter, ist am Samstag, 1. April 2023, im gesegneten Alter von 92 Jahren in Essen friedlich gestorben. Bbr. Hoffacker, am 24. November 1930 als siebtes von neun Kindern in Büderich/Wesel geboren, konnte auf eine beachtliche Lebensleistung im Dienst der Kirche und des Staates zurückschauen.
Engagiert in der Kirche
Nach dem Abitur 1951 studierte er Rechtswissenschaften und wurde nach dem 1960 abgelegten zweiten juristischen Staatsexamen 1961 zum Dr. jur. promoviert. Anschließend nahm er seine erste berufliche Tätigkeit als Referent für Recht und Finanzen beim Bistum Essen auf und wechselte 1963-1965 als Referent für Staatsbürgerliche Angelegenheiten zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in Bad Godesberg. 1965 begann er beim „Sonderreferat Adveniat“ des Bistums Essen und übernahm als Geschäftsführer der Bischöflichen Aktion Adveniat maßgebliche Verantwortung für den Aufbau der Geschäftsstelle, prägte nachhaltig die Entwicklung als eigenständiges, schnell wachsendes Hilfswerk für Lateinamerika und legte den Grundstein für die noch heute gültige Förderpolitik.
1972 wurde Paul Hoffacker für vier Jahre zum Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Verbände Deutschlands gewählt, zugleich übernahm er 1972-1986 den ehrenamtlichen Vorsitz des Zentralverbands des Deutschen Kolpingwerks und war Mitglied im Generalpräsidium. Dort machte er die Anpassung der Verbandsstruktur im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Synode der deutschen Bistümer zum Schwerpunkt seiner Arbeit. Ebenfalls 1972 übernahm er den Vorsitz des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Essen – ein Amt, das er 21 Jahre lang bis 1993 innehaben sollte. Viele Initiativen dieses höchsten Laiengremiums im Ruhrbistum tragen seine Handschrift, so die Aktionen zur Lehrstellenbeschaffung, die Beteiligung katholischer Verbände und Gemeinschaften bei Strukturänderungen im Ruhrgebiet und innerhalb der Kirche.
Engagiert in Gesellschaft und Politik
Politisch war Paul Hoffacker seit frühen Jahren engagiert: 1958 wurde er Mitglied der CDU, war später im Kreisvorstand der CDU Essen, 1975-1979 Mitglied der Bezirksvertretung Essen IX, im Bezirksvorstand CDU Ruhrgebiet und wurde in den Landesvorstand der CDU NRW berufen. 1976 wurde erstmals für die CDU in den Bundestag gewählt, schied 1977 nach 12 Jahren bei Adveniat aus und war seit 1977 Rechtsanwalt. Nach seinem bis 1980 laufenden ersten Bundestagsmandat berief ihn Ruhrbischof Dr. Franz Hengsbach 1981 zum Direktor der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“, dem Haus für Erwachsenenbildung des Ruhrbistums in Mülheim-Speldorf. Für 14 Jahre prägte er dessen Profil. Der damalige Essener Bischof Dr. Hubert Luthe hob zu Hoffackers 65. Geburtstag 1995 und der Verabschiedung in den Ruhestand vor allem die Verdienste für den Auf- und Umbau der „Wolfsburg“ und sein Engagement für die kirchliche Bildungsarbeit hervor. Als Akademie-Direktor habe Dr. Hoffacker das Haus zum „Ort des Dialogs von Kirche und Welt” gemacht.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit blieb Bbr. Hoffacker weiter politisch aktiv: In der achten, neunten, elften und zwölften Wahlperiode (1976–1980, 1982/83 und 1987–1994) zog er über die Landesliste der CDU Nordrhein-Westfalen ins Parlament ein. In der zehnten Wahlperiode (1983-1987) war er sogar der einzige direkt gewählte Kandidat der CDU in einem Wahlkreis des Ruhrgebiets. Im Deutschen Bundestag galt sein Einsatz der Sozial- und Entwicklungspolitik: Bis 1994 war der Vater von fünf Kindern unter anderem Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1987 Vorsitzender der AG Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und 1990 Vorsitzender der AG Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Gerade in Sachen Schutz des ungeborenen Lebens und auch bei der Verbesserung des Familienlastenausgleichs hat sich unser Bundesbruder, der bei aller Grundsatztreue keineswegs zu den politischen Poltergeistern gehört und dessen Solidarität in der Fraktion anerkannt ist, zu einer Art familienpolitischem Gewissen der CDU/CSU im Bundestag entwickelt“, würdigte ihn Bbr. Klaus-Hermann Rößler zu seinem 60. Geburtstag (Unitas 1990/11-12, 238f.). An wichtigen familienpolitischen Verbesserungen habe Hoffacker maßgeblichen Anteil, so an der Einführung des Erziehungsurlaubs und Erziehungsgeldes für junge Familien, aber auch für die Familienpolitik als politischer Querschnittsaufgabe mit Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaftspolitik.
Engagiert in der Unitas
Schon während seiner ersten Legislaturperiode in Bonn war Paul Hoffacker mit der Unitas Rhenania in Kontakt gekommen - Verbandsgeschäftsführer Bbr. Wolfgang Burr eröffnete ihm den Weg in die Unitas. Die Bonner Rhenanen verliehen ihm 1980 die Ehrenmitgliedschaft und immer wieder ließ er sich gerne zu Vorträgen ansprechen. Auch in seiner Heimat nahm Bbr. Hoffacker aktiv am unitarischen Leben teil: Schon vor der offiziellen Wiederbegründung der Unitas an den Ruhruniversitäten stand er 1989 bei einem Podium der W.K.St.V. UNITAS Essen/Bochum in der Katholischen Studentengemeinde der Ruhr-Universität Bochum Rede und Antwort zum Thema „neue Armut“. (Unitas 1989/12, 172f.) 1991 übernahm er Mitverantwortung im Kuratorium für den Bau des Kinder- und Jugenddorfes in Sachsen und beim Altherrenbunds-Tag am 23. und 24. September 2000 in Essen eines der Hauptreferate (Unitas 2000/5). Unter dem Titel „Welt in der Kirche von heute - Vereinnahmung oder Abgrenzung?“ skizzierte er seine Haltung zu Säkularisierung und Religionskonkurrenz, Kirchenfinanzierung, Religionsunterricht, Ersatzschulen, Krankenhäuser und Schwangerenberatung – „ein besonderes und - wie ich finde - trauriges Kapitel“, wie er erklärte, sowie zu dem damals virulenten Thema Zwangsarbeiterfonds und sparte nicht mit Kritik an Parteien und politische Persönlichkeiten. Dabei plädierte er mit Blick auf das Gesamtthema „Sentire cum ecclesia" für ein ausgeprägtes katholisches Selbstbewusstsein und einen stärkeren politischen Einsatz der Laien.
An der Entwicklung der Unitas Ruhrania nahm Bbr. Hoffacker, der besonders gerne in Essen-Werden die Vereinsfeste mitfeierte, weiter regen Anteil: Er besuchte gerne das neue Unitas-Haus im Borbecker „Feldschlößchen" und sprach 2009 dort zum Anlass „60 Jahre Bundesrepublik“ vor dem Essener Zirkel und der Aktivitas über die Entwicklung der deutschen Nachkriegsrepublik, schwere Anfangszeiten und Glücksmomente der Geschichte, über Höhen und Tiefen der internationalen und Innenpolitik, Persönlichkeiten und Entscheidungen. Nicht zuletzt mit Blick auf die jungen katholischen Studenten mahnte er, sich aktiv politisch zu engagieren: „Ich lernte Konrad Adenauer kennen. Dieser Mann hat mich so fasziniert, dass ich beschloss, der Partei beizutreten. Besonders wichtig war für mich natürlich das C in der CDU.” Doch auch von der Kirche, forderte Hoffacker unmissverständlich, müsse eine gewichtigere Rolle in gesellschaftlichen Fragen übernommen werden. „Bbr. Paul Hoffacker ist uns in seinem Engagement in Staat und Kirche ein Vorbild“, erklärte 2010 der damalige Unitas-Vorortspräsident Sebastian Sasse aus Anlass des 80. Geburtstags. Er sei „beispielhaft den unitarischen Prinzipien gefolgt“, seiner Politik habe man immer angemerkt, dass sie auf den festen Grundsätzen seines christlichen Glaubens beruhe. „Wir Unitarier sind daher stolz, dass wir ihn zu unserem Kreis zählen dürfen“, so der Bbr. Sasse.
Auch in seinem Ruhestand blieb Bbr. Hoffacker nicht untätig: 1993 bis 1997 war er Aufsichtsratsmitglied der Bank im Bistum Essen und 2002 berief ihn Bischof Luthe zum Vorsitzenden des Initiativkreises Nikolaus Groß, der sich dem lebendigen Andenken an das Lebens- und Glaubenszeugnis des Familienvaters und Märtyrers verschrieben hat. Für seinen vielfältigen Einsatz in Kirche und Gesellschaft wurde Bbr. Dr. Paul Hoffacker 1990 Komtur des Ordens vom heiligen Papst Gregor dem Großen und erhielt 1997 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik.
Seine unitarische Familie, der er fast 90 Semester die Treue hielt, war am Gründonnerstag, 6. April 2023, bei dem Requiem in der Basilika St. Ludgerus und seiner Beerdigung auf dem Friedhof in Essen-Werden vertreten. Neben Bbr. Dr. Nikolaus Mantel und Bbr. Martin Gewiese nahmen viele Weggefährten aus der Politik Abschied, ehemalige und aktive Bundestagsabgeordnete, der Oberbürgermeister der Stadt, aber auch die Kolpingfamilie begleiteten den Sarg mit zwei Fahnen. Sehr persönliche Ansprachen würdigten seinen immerwährenden Einsatz für den Schutz des ungeborenen Lebens und sein prägendes Vorbild: Er habe seinen Glauben nicht im Rückzug von der Welt, sondern in bewusster Zeitgenossenschaft und im Einsatz für die Welt gelebt.
Ehrendechant von Buer: Bbr. Pfr. i.R. Bernhard Hoffs
Am Ostersonntag, dem 8.4.2007, verstarb Bbr. Pfarrer i. R. und Ehrendechant Bernhard Hoffs. Am 6.9.1929 in Gelsenkirchen-Buer geboren, wurde er bei UNITAS Reichenau Freiburg im Mai 1954 rezipiert und zum 4.11.1958 philistriert.
Am 11.2.1958 empfing er in Duisburg die Priesterweihe, wurde 1958 Kaplan in Gelsenkirchen-Bismarck und war ab 1970 viele Jahre Pfarrer im Dekanat Gelsenkirchen-Buer. Seit 1977 war er Dechant, 1989 wurde ihm der Titel Ehrendechant verliehen. Seine letzte Ruhestätte fand Bbr. Hoffs in der Priestergruft des „Alten Friedhofs an der Mühlenstraße“ in Gelsenkirchen-Buer. Er wohnte zuletzt im St. Anna-Stift, Gelsenkirchen-Hüllen, und gehörte dem UNITAS-Zirkel Gelsenkirchen an.
Mann für besondere Fälle: Bbr. Prälat Dr. Heinrich Holtkamp
ESSEN. Unter großer Anteilnahme wurde am 2. Mai 1994 Bundesbruder Prälat Dr. Heinrich Holtkamp auf dem St. Markus-Friedhof in Essen-Bredeney zur letzten Ruhe getragen. Ortspfarrer Egon Goldenberg konzelebrierte mit dem Essener Generalvikar Dieter Schümmelfeder, Dechant Josef Kestermann und Pfarrer Franz-Josef Reidick in der Markuskirche die Exequien.
Rund 30 Priester, sechs Bannerabordnungen der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und viele Gläubige nahmen Abschied von dem beliebten Geistlichen, der am 25. April des Jahres im Alter von 91 Jahren gestorben war. „Das Wort Gottes zu ergründen, es zu verkünden in treuer, kompromissloser Konsequenz, das hat er in sechs Jahrzehnten seines reichen priesterlichen Lebens als seinen wichtigen Auftrag betrachtet. Er stand festgewurzelt in der Tradition des Glaubens“, würdigte Pfarrer Goldenberg in seiner Ansprache das lange Wirken der markanten Priesterpersönlichkeit.
Bundesbruder Holtkamp, 1903 in Essen-Rüttenscheid geboren, studierte in Bonn, Freiburg und Köln Theologie und Philosophie. 1923 trat er in die UNITAS Eckardia in Freiburg ein und wurde 1923 philistriert. Nach seiner Priesterweihe 1928 in Köln und ersten Kaplansjahren im Bistum Aachen kam er 1931 als Rektor an die Kirche St. Johann in Essen. Hier erlebte er als letzter der lebenden Augenzeugen die Zerstörung der Münsterkirche mit. Der Religionslehrer an der Städtischen Berufsschule wirkte als Priester in der Pfarrei Herz-Jesu in Altenessen, an St.Mariä Geburt in Kupferdreh-Dilldorf und von 1952 bis 1973 an St. Markus in Bredeney. Von 1962 bis 1969 war Holtkamp Dechant des Dekanates Essen-Werden. 1974 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Päpstlichen Ehrenkaplan.
Besonders verbunden war der hünenhafte Geistliche der Arbeit der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB). Vierzig Jahre lang war er Präses des Essener KAB-Bezirks. Prälat Holtkamp, der nach 65 Jahren im Dienst vor acht Monaten noch sein Eisernes Priesterjubiläum feierte, wurde über das Bistum Essen hinaus bekannt. 1971 holte er den zu seiner Pfarrgemeinde in Bredeney gehörenden, entführten Essener Kaufmann Theo Albrecht nach Hause, nachdem der damalige Essener Bischof Dr. Franz Hengsbach das geforderte Lösegeld von 7 Millionen Mark übergeben hatte. Der Essener Zirkel verliert in Bundesbruder Prälat Holtkamp ein treues Mitglied. R.I.P. CB
Einer der treuesten Ruhranen: Bbr. Dr. Manfred Kinzelt
Am 11. Dezember 2003 starb nach schwerer, mit viel Geduld ertragener Krankheit Bbr. Dr. Manfred Kinzelt. Er war einer der treuesten Ruhranen aus tiefer Überzeugung. 86 Semester in der UNITAS Ruhrania sind ein beredtes Zeugnis seiner inneren Verbundenheit mit seiner Verbindung, für die er immer gelebt hat.
Er wurde am 13. April 1942 in Münster geboren. Schon früh verlor er während des zweiten Weltkrieges seinen Vater, so dass seine Mutter als Kriegerwitwe ihn allein aufzog. Unser Bundesbruder war und ist bis an sein Lebensende ein echter Münsteraner geblieben. Er besuchte dort das Johann-Conrad-Schlaun-Gymnasium und studierte nach seinem Abitur Zahnmedizin an der Wilhelms-Universität in Münster.
1961 wurde er in die UNITAS Ruhrania rezipiert und war als Aktiver über mehrere Jahre ein wirklich engagierter Bundesbruder. Er bekleidete in dieser Zeit verschiedene Chargen. Er war Consenior und Senior in den Blütezeiten der UNITAS Ruhrania. Während der Studienzeiten entdeckte er die Liebe zum Fechtsport, der er bis zuletzt innerlich verbunden war.
1967 heiratete er seine Frau Iris, 1968 wurde Tochter Anne und 1972 Sohn Christoph geboren, ebenfalls Ruhrane. Nach dem Zahnmedizinstudium übernahm Manfred Kinzelt in Essen eine Zahnarztpraxis, die er bis 1999 mit viel Einsatz und Liebe führte. In dieser Zeit war er so oft seine Zeit es zuließ, in der münsterländischen Parklandschaft bei Gescher, wo er über all die Jahre die freie Zeit in seinem Feriendomizil verbrachte. Er war sehr naturverbunden, was sich auch in seiner Vorliebe für die Jagd äußerte.
Nach seiner Berufstätigkeit in Essen kehrte er in seine Heimatstadt Münster zurück, wo er die letzten Jahre in seinem neuen Haus in Münster-Albachten verlebte. Er genoss die neu gewonnene Freiheit in vollen Zügen und lebte bewusst. Er studierte noch einmal an der Universität in Münster seine heimliche Liebe, die Geschichtswissenschaft mit voller Hingabe und allen Pflichten und guten Noten. Leider war es ihm nicht vergönnt, sein Studium mit dem angestrebten Examen abzuschließen. Eine plötzliche Erkrankung änderte sein Leben schlagartig. Gerne hätte er die Geburt seines zweiten Enkelkindes im kommenden Mai noch erlebt. Er starb nach einem glücklichen, erfüllten Leben. Trotz der Schwere des Leides blieb er bis zum Schluss gefasst und zufrieden. Er strahlte wie in seinem ganzen Leben eine Herzlichkeit aus, die jeden in seinen Bann nahm. Nur auf seine geliebte Pfeife musste er verzichten.
Am letzten Ruhranentreffen in Sprakel konnte er schon nicht mehr dabei sein. Die UNITAS Ruhrania ist dankbar, dass wir einen so wertvollen Menschen in unseren Reihen gehabt haben und werden ihn sicher nie vergessen.
Jörg Lahme, Rheine
AHV-x UNITAS Ruhrania
Aus: unitas 2004/1
Bbr. OStR Norbert Klinke – Ehrensenior, Vater der neuen Ruhrania
(*6. Juli 1934 Breslau, + 4. November 2000 Castrop-Rauxel), Abitur 1956 am Remigianum in Borken-Burlo, zum Studium an der Theologischen Fakultät in Paderborn, 1957 Deutsch und Latein an der Philosophischen Fakultät in Münster, 1957 rezipiert bei UNITAS Ruhrania, im Sommersemester 1959 Senior im Festpräsidium beim 100. Stiftungsfest des UNITAS-Ortsverbandes Münster, 1961 philistriert, 1962 1. Staatsexamen, Studienreferendar am Adalbert-Stifter-Gymnasium in Castrop-Rauxel, dort 1964 2. Staatsexamen und bis zur Pensionierung 1978 als Oberstudienrat tätig.
1970-1982 Leiter des UNITAS-Altherrenzirkels Castrop-Rauxel, 1991 B-Philister der UNITAS-Winfridia, „Vater“ der Vereinigung seines Altherrenvereins Ruhrania mit der UNITAS Ruhr. Ab 2. Februar 1991 Ehrensenior der UNITAS-Ruhrania Bochum-Essen-Dortmund, bis zu seinem Tod im Jahr 2000. Bis 1991 27-jährige Spielzeit mit der von ihm gegründeten Schulbühne der Castrop-Rauxeler Gymnasien mit einer Inszenierung pro Jahr - bundesweiter Rekord, wie die Zeitungen berichteten. Großer Theaterfan, Pädagoge und ausgemachter Opernnarr, mit 66 Jahren nach langer Krankheit gestorben.
Bbr. Dr. Carl Klinkhammer, der „Rote Ruhrkaplan“
(*22. Januar 1903 in Aachen, 8. Januar 1997 Düsseldorf), 1923 Abitur, Studium in Innsbruck und Bonn, Eintritt in die UNITAS, 1929 im Kölner Dom zum Priester geweiht. Kaplan in Opladen, 1931 in St. Johann Baptist Essen-Altenessen, Agitation gegen kommunistische und nationalsozialistische Parolen. 1933 von den Nazis als erster katholischer Geistlicher in „Schutzhaft“ genommen, gegen Aufenthaltsverbot im „Gau“ Essen wieder freigelassen.
In Köln Ende April 1933 erneut verhaftet von der Kölner Kirchenleitung 1934 aus seinem Amt entfernt. 1935 im Bistum Augsburg und Speyer, 1937 und 1938 „wegen Kanzelmissbrauchs“ im Gefängnis. Ab 1941 als Sanitätssoldat der 24. Infanteriedivision in Russland, 1946 in Schleswig-Holstein aus englischer Gefangenschaft entlassen und Kaplan an der Bonner Münsterkirche St. Martin, 1947 in Düsseldorf am Heerdter „Handweiser“, Bau der dem Heiligsten Sakrament geweihten „Bunkerkirche“, dort bis 1991 Pfarrer.
Prozess 1951 wegen Protest gegen Darstellung von Selbstmord im Willi-Forst-Film „Die Sünderin“, 1958 als erster Bischof des Bistums Essen im Gespräch. 1961 Gründer der Düsseldorfer „mittwochgespräche“, Ökumeniker, 1992 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.
Ruhrkaplan, Bunkerpastor, Kämpfer gegen den Zeitgeist
„Vor zwanzig Jahren war es, da sandte die `Titanic´ vom großen Ozean her einen dringenden Hilferuf: Helft uns, wir sinken! – Sie war mit einem Eiskoloss zusammengestoßen. Dieser Zusammenstoß bedeutete den sicheren Untergang aller, wenn nicht schnell Hilfe kam. Auch Deutschland ist heute mit einer solchen `Titanic´ zu vergleichen. Auch wir sehen die Wogen kommen, die unsere Religion zu vernichten und unsere Kirchen zu zerstören drohen, die weiterhin die Familienglücklichkeit und die Persönlichkeit zu entwürdigen trachten. Auch Deutschland sitzt im Atlantik; im stürmischen Meer, aufgerammt auf dem Felsen der Gottlosigkeit, auch Deutschland muss beten, wie es einst die geängstigten und gefährdeten Menschen auf der Titanic taten: Näher mein Gott zu dir! …“
Dr. Carl Klinkhammer spricht – und die Polizei muss den weiteren Zutritt wegen Überfüllung sperren, als er am 1. Mai 1932 bei einer Glaubenskundgebung im großen Saal des Städtischen Saalbaus gegen Sowjetstern und Hakenkreuz am Pult steht. Ein wortgewaltiger Redner mit einer einfachen und plastischen Sprache - am 22. Januar 2003 wäre er 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass legten der Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) und der Kölner Dompropst Bernhard Henrichs, zuvor Düsseldorfer Stadtdechant, an seinem Grab auf dem Friedhof in Düsseldorf-Heerdt in einer Feierstunde einen Kranz nieder. Nicht nur in Düsseldorf gedachten unitarische Bundesbrüder seiner – auch in Essen-Altenessen, wo der Geistliche Beirat des Verbandes, Bbr. Kaplan Helmut Wiechmann, mit Hans Ferkinghoff, dem Pfarrer an St. Johann Baptist, einen Gedenkgottesdienst zelebrierte. Mitglieder des Essener Altherrenzirkels nahmen an einem anschließenden Vortrag von Buchautor Dr. Bruno Kammanns teil und Professor Hans Waldenfels erinnerte am 29. Januar 2003 in den Düsseldorfer „mittwochsgesprächen“ an Bbr. Klinkhammer, der diese auch heute noch stattfindende Gesprächsreihe initiiert hat.
Einer wie er, der reagierte und reizte, hatte viele Namen. Als „Schwarzer“ wurde er unter den Nazi-Braunen zum „roten Ruhrkaplan“, er war Schifferseelsorger und Sanitätssoldat, „Stinkbomben-“ und „Bunkerpastor“. Bbr. Dr. Carl Klinkhammer (1903-1997) ging zeit seines Lebens gegen den Zeitgeist an, wenn er sich mit seinen christlichen Vorstellungen nicht vertrug. Gut zwei Jahre seines Lebens saß der einflussreiche Kanzelredner in Haft oder war in seiner pastoralen Arbeit eingeschränkt.
Bundesbruder Dr. Carl Klinkhammer wurde am 22. Januar 1903 in Aachen geboren, wo er 1923 das Abitur ablegte. Nach dem Studium in Innsbruck und Bonn, wo sich der Lehrersohn der UNITAS anschloss, wurde er 1929 im Kölner Dom zum Priester geweiht. Als Kaplan wirkte er zunächst in Opladen und kam 1931 in das mit wichtigen Persönlichkeiten der unitarischen Gründergeneration verbundene Ruhrgebiet. Dort machte er Erfahrungen, die ihn sehr prägen sollten. Sein Pfarrer in der großen Arbeitergemeinde St. Johann Baptist Essen-Altenessen war Dr. Peter Kreutzer (* 8.4.1866, + 10. Juni 1934), der ebenfalls bei der Bonner UNITAS aktiv gewesen war und als Vorortspräsident eine große Rolle bei der Öffnung des Verbandes für alle Fakultäten gespielt hatte. Kreutzer wirkte mit mehreren Kaplänen in der 14.000-Seelengemeinde und war seit 1925 erster Stadtdechant von Groß-Essen, der mit über 350.000 Katholiken und 200 Seelsorgern zweitgrößten Stadt des Erzbistums Köln.
Der „Rote Kaplan“ von Altenessen
Aktiv wurde Klinkhammer in Altenessen, von Beginn an sozialarbeiterisch tätig, und agitierte gegen kommunistische und nationalsozialistische Parolen. In seiner Rede vom 1. Mai 1932 warnte er sowohl vor dem Nationalsozialismus als auch vor dem Kommunismus: „Das Christuskreuz muss an Stelle des Hakenkreuzes und der Bethlehemstern an Stelle des Sowjetsterns stehen.“ Bei Kundgebungen der katholischen Zentrumspartei, bei kirchlichen Veranstaltungen und in Zeitungsbeiträgen hielt er sich nicht zurück. Bis zu 12.000 Teilnehmer kamen zu seinen Ansprachen. Pfarrer Kreutzer ließ seinen Kaplan während seiner zweijährigen Arbeit in der Gemeinde gewähren und unterstützte sogar Klinkhammers schließlich bald über Essen hinaus führende Vortragstätigkeit. Klinkhammer selbst sprach später von einem prägenden Einfluss Kreutzers, der immer wieder auch mäßigend auf ihn einzuwirken gesucht hatte. Scherzhaft, berichtete sein ehemaliger Kaplan Gottfried Salz, habe Kreutzer einmal gesagt: „Ich bete jeden Morgen: Lieber Gott, gib mir heute die Gnade, dass ich nichts Gutes verhindere, was meine Kapläne wirken wollen.“
Als erster Geistlicher von den Nazis verhaftet
Und doch blieben für Klinkhammer die Konsequenzen nicht aus: 1933 nahmen ihn die Nazis, die ihn als „feurigen Redner“ bezeichneten, als ersten katholischen Geistlichen in „Schutzhaft“. Am 21. April wurde er vor den Augen der Kommunionkinder aus der Kirche heraus wegen einer früheren Predigt verhaftet. Nachdem sein Pfarrer und Stadtdechant der Polizei versprochen hatte, jede öffentliche Betätigung Klinkhammers zu verbieten, wurde der Kaplan gegen ein Aufenthaltsverbot im „Gau“ Essen wieder freigelassen. Doch bei einem Urlaub in Köln wurde er Ende April 1933 erneut verhaftet. Er wurde 1933 Kaplan in Köln, wo ihn die Kölner Kirchenleitung im Frühjahr 1934 aus seinem Amt entfernte. 1935 musste er in das Bistum Augsburg und dann nach Speyer „ausweichen“. Auch 1937 und 1938 saß er „wegen Kanzelmissbrauchs“ wieder im Gefängnis.
Nach mehreren Stellen im Erzbistum Köln – u.a. als Subsidiar an der Pfarre eines Vetters - war Bbr. Klinkhammer schließlich bei der Christkönigsgesellschaft in Meitingen bei Augsburg und im Bistum Speyer tätig. 1941 zog ihn die Wehrmacht ein und er kam als Sanitätssoldat der 24. Infanteriedivision nach Russland - seine Rettung, denn seine öffentlichen Äußerungen gegen die so genannte „Reichskristallnacht“ hätten ihn unweigerlich wieder in die Hände der Geheimpolizei geliefert. Nach dem Rückzug über die Ostsee geriet er in Schleswig-Holstein in englische Gefangenschaft, aus der er Anfang 1946 entlassen wurde.
Nach seiner Entlassung meldete sich Bbr. Klinkhammer wieder bei seinem Kölner Erzbischof, der ihn 1946 zum Kaplan an der Bonner Münsterkirche St. Martin ernannte. Als Klinkhammer 1947 die Erschießung eines Familienvaters als „Mord“ anprangerte, der beim Diebstahl von Kohle erwischt wurde und eine schwindsüchtige Frau mit drei kleinen Kindern hinterließ, musste der Unbequeme dem Druck der Besatzer weichen. Der aufmüpfige Kaplan musste die „wunderbare Pfarrei“ verlassen, in der er die Kaplanei bis auf ein Zimmerchen einer obdachlosen Familie abgetreten hatte.
„Bunkerpfarrer“ am Handweiser in Düsseldorf
So kam er 1947 nach Düsseldorf, in das soziale und pastorale Niemandsland am Heerdter „Handweiser“, wo sich eine altersschwache hölzerne Kirchenbaracke vor einem gigantischen Hochbunker duckte. Der Rektoratspfarrer erkämpfte sich von der englischen Kommandantur die Genehmigung, den auf Kirchenland stehenden Kriegsbunker zu einem Gotteshaus umzubauen. Die Flakstellung auf dem Dach machte er zu einem Glockenturm, in die 2,40 Meter dicken Betonwände sprengte er Kirchenfenster und wandelte das Relikt aus Kriegszeiten in die dem Heiligsten Sakrament geweihte „Bunkerkirche“ um, die er bis 1991 als Pfarrer leitete. Über diese Zeit sagte der meist in Schlapphut und gespendeter Kleidung auftretende Geistliche, der eine beeindruckende Bescheidenheit bis zur beschämenden Bedürfnislosigkeit lebte: „Ich bin nirgendwo in meinem Leben so glücklich gewesen.“
„Stinkbombenpastor“ vor Gericht
Als er 1951 vehement gegen den Willi-Forst-Film „Die Sünderin“ protestierte, dessen Autor Walter Menzel zuvor Drehbücher für 20 Nazi-Filme geschrieben hatte, hängte man ihm den unverwechselbaren Titel „Stinkbombenpastor“ an: Mitglieder der von ihm als Geistlichem betreuten Christlichen Arbeiterjugend hatten in einem Kino in seinem Beisein, aber ohne sein Vorwissen, auf drastische Weise demonstriert und Stinkbomben geworfen und eine Schlägerei im Kino ausgelöst. Der Protest galt allerdings weniger dem Auftreten von Hildegard Knef als Nackedei, sondern vielmehr der Verherrlichung von Euthanasie und Selbstmord. In Rheinland-Pfalz wurde der Film verboten. In Nordrhein-Westfalen führte der lautstarke Protest zu einem Prozess gegen Klinkhammer und sechs weitere Demonstranten. Das Landgericht Düsseldorf sprach sie frei. Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch auf und verwies den Fall zurück nach Düsseldorf, wo das Verfahren eingestellt wurde.
Vielen wohl unbekannt ist, dass Bbr. Klinkhammer vor der Gründung des Bistums Essen 1958 als dessen erster Bischof im Gespräch war. Eine Anfrage des Nuntius Aloysius Münch aber lehnte er ab, da er sich lieber um die von ihm aufgebaute Gemeinde habe kümmern wollen, wie Karl-Jürgen Miesen dem Verfasser berichtete, ein Redakteur der Rheinischen Post, der für Kirche und Kultur zuständig war und eine besondere Nähe zu Klinkhammer besaß. Auch in Düsseldorf selbst mischte sich der „Bunkerpastor“ ein: 1961 trat er mit den Düsseldorfer „mittwochgesprächen“ in die Fußstapfen der gleichnamigen Diskussionsreihe im Wartesaal 3. Klasse des Kölner Hauptbahnhofs. Die ersten 500 Veranstaltungen leitete er selbst. 1960 hatte er - als Stadtmännerseelsorger hoch engagiert - den 2.500 Konzilsvätern in Rom eine Denkschrift zur Ökumene „Gespaltene Christenheit - darf das sein?“ geschickt. Auf diese eher unbekannte Seite des kämpferischen Pfarrers verweist auch Bruno Kammann in seiner Biografie, der Klinkhammer bei einer Anti-„Sünderin“-Demonstration kennen gelernt hatte. Klinkhammer sei ein „Ökumeniker, der, aufgerufen und begünstigt durch das Zweite Vatikanische Konzil, das Gespräch mit der evangelischen und orthodoxen Kirche energisch vorantrieb und als 'Vater der Ökumene' einen Ehrenplatz in Düsseldorf beanspruchen darf“, so Kammann.
1982 - in der Zeit des Düsseldorfer Katholikentages und wie meist mit keinem Pfennig in der Tasche – hat er der Stadt Düsseldorf das Geburtshaus des von ihm verehrten Großstadtseelsorgers Dr. Carl Sonnenschein in der Altstadt abgekauft und zu einem Studentenhaus umgebaut. 1992 erhielt Klinkhammer, der auch die regelmäßigen Gottesdienste auf dem Düsseldorfer Messegelände einführte, aus den Händen des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Bbr. Joachim Kardinal Meisner, kurz zuvor zum Erzbischof von Köln ernannt im Dezember des gleichen Jahres, überreichte ihm vor seinem 90. Geburtstag die von ihm neu gestiftete Maternus-Plakette. Damals vertraute der bis in das hohe Alter hin jung gebliebene, immer wissbegierige und heitere Mann dem Erzbischof bei dessen persönlichem Besuch in Heerdt an: „Wenn ich noch einmal meinen Lebensweg bestimmen dürfte, so würde ich nicht anders als früher entscheiden: Ich würde immer wieder Priester.“ Von Dank für sich wollte er nichts wissen, denn schließlich sei sein Lebensweg nur durch Gottes Gnade möglich gewesen, „und dann muss man nur Gott danken.“ Wen wundert es, dass der Bunkerpfarrer den „heiligen Narren“ Franz von Assisi besonders verehrte? Als er am 8. Januar 1997 hochbetagt nur wenige Tage vor seinem 94. Geburtstag starb, erinnerte auch die Todesanzeige daran, dass ihm die „versöhnte Christenheit“ ein Herzensanliegen war. „Baut Brücken zueinander!“ lautete eine seiner bekannten Forderungen.
Zwischen Rebellion und Gehorsam
Klinkhammer war ein „Mann zwischen Rebellion und Gehorsam“ – so charakterisiert ihn sein Biograph Bruno Kammann. Seine Enttäuschung über das Schweigen der Bischöfe in der Nazi-Diktatur saß tief, seine Trauer über das Versagen und die nicht genutzte Chance zum Widerstand hat er klar geäußert. Und trotzdem kennzeichnete den „frommen Feuerkopf“ selbst ein unbeirrbares und fröhliches Gottvertrauen. Karl-Jürgen Miesen schrieb über ihn: „Das Geheimnis seiner faszinierenden Persönlichkeit bestand nicht allein in seiner unbändigen Vitalität, nicht nur in seiner kindlichen Neugier, die er sich bis ins hohe Alter bewahrte; nicht allein in seiner Menschenliebe, die er kaum zügeln konnte; selbst auch nicht lediglich in seiner Gottesliebe, an der er nie Genüge fand; nicht in seiner Freundlichkeit und seinem Scharfsinn, in seiner Fröhlichkeit und seiner Demut, in seinem Weitblick und seiner Innigkeit, in seiner Bildung und seiner Armut - das Geheimnis seiner Persönlichkeit war sein Priestertum. Ein Priestertum, wie es in seiner allumfassenden Wirksamkeit mit Carl Klinkhammer aus dieser Welt verschwunden scheint ... So einen Priester, wie deren vielleicht einmal etliche gelebt haben mögen, gibt es wohl nie wieder.“
In Düsseldorf ist Pfarrer Msgr. Dr. phil. Carl Klinkhammer unvergessen. An seiner ehemaligen Wirkungsstätte St. Johann Baptist in Essen-Altenessen fand anlässlich des 100. Geburtstages von Dr. Carl Klinkhammer am 22. Januar 2003 ein Gedenkgottesdienst statt, an dem der UNITAS-Zirkel Essen teilnahm. Im Anschluss an den Gottesdienst und vor einem abendlichen Vortrag von Klinkhammer-Biograph Bruno Kammann wurde in der Kirche von Pfarrer Hans Ferkinghoff und Bundesbruder Kaplan Helmut Wiechmann (UNITAS Ruhrania) eine Gedenktafel enthüllt, die an die Verhaftung des ersten katholischen Priesters durch die Nazis erinnert. Der „Ruhrkaplan“ wurde am 21. April 1933 in der Kirche St. Johann vor den Augen von 293 Erstkommunionkindern von uniformierten Braunhemden verhaftet. Der Text der Tafel lautet:
„Dr. Carl Klinkhammer 1903 – 1997. Kaplan in St. Johann Altenessen 1931 – 1933. Er war der erste katholische Geistliche, der von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ genommen wurde. Anlaß war seine Predigt in der Abendandacht am 20. April 1933, an der auch Mitglieder der SA und SS aus der Ortsgruppe Altenessen teilgenommen hatten.“
Die Tafel unter dem Apostelleuchter deutet sinnbildlich auf die Verbindung zwischen dem Wirken der Apostel und dem von Klinkhammer hin. Die Tafel ist im hinteren Teil der Kirche neben der Taufkapelle angebracht. Zugang vom Karlplatz aus ist der rechte Eingang. An das Wirken unseres Bundesbruders sollte auch in der UNITAS immer wieder dankbar erinnert werden.
CB
Literatur:
Bruno Kammann: Carl Klinkhammer. Ruhrkaplan, Sanitätssoldat und Bunkerpastor, 1903 - 1997. (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, 55). Essen 2001. 384 S., 38,00 DM, ISBN 3-88474-910-2; zum Verhältnis zwischen Kreutzer und Klinkhammer vgl. auch Interview von H. Wilmer, KULT-URsachen Essen, Skript des Gespräches vom 4.2.1993 in Düsseldorf im Besitz des Verf.; vgl. auch Karl-Jürgen MIESEN, Sonnenscheins Sohn. Biographische Skizze über Carl Klinkhammer, in: Kirche in der Großstadt, Karl Waldenfels zum 80. Geburtstag, 126-167, hier 136-149; Gottfried Salz: Dr. Peter Kreutzer. Ein Großstadtpfarrer. Münster 1940, 22; Bbr. Dr. Peter Kreutzer, ein moderner Apostel in der Großstadt Essen, in: unitas 101. Jg., Mai 1961, Heft 5, 94. Christof Beckmann: Peter Kreutzer, in: UNITAS-Handbuch IV, hg. v. Wolfgang Burr, Bonn 2000, 364-370; Manfred Becker-Huberti: Friedvoll und fröhlich, fragend und fromm – „Bunkerpastor“ Klinkhammer würde 100 Jahre alt, in: PEK aktuell vom 14.01.2003.
Bbr. Bischof Dr. Franjo Komarica - Mutiger Christ im Krieg
1946 in Banja Luka geboren, Studium der Theologie und Kirchenmusik in Innsbruck, Promotion 1978 im Fach Liturgiewissenschaften, bis 1986 Lehre an der Theologischen Hochschule in Sarajevo, 1985 Weihbischof in Banja Luka, 1989 Bischof. Seit 1992 Mitglied des Päpstlichen Rates für den Dialog der Kirchen, 1992-1995 während des Krieges in Bosnien-Herzegowina Streiter für die Menschenrechte, Mai bis Dezember 1995 unter Hausarrest gestellt. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung der UNITAS Ruhrania und der kroatischen Gemeinde in Essen wurde ihm 1997 die Ehrenmitgliedschaft angetragen, im selben Jahr wurde er mit dem Heinrich-Pesch-Preis der UNITAS ausgezeichnet. Beim Vereinsfest zu Ehren der Maria Immaculata am 6. Dezember 1998 zum Ehrenmitglied des Verbandes ernannt.
Ein Streiter für Menschenrechte und Freiheit der Kirche
Bischof Dr. Komarica, 1946 in Banja Luka geboren, studierte im österreichischen Innsbruck Theologie und Kirchenmusik, promovierte 1978 im Fach Liturgiewissenschaften und lehrte bis 1986 an der Theologischen Hochschule in Sarajevo. 1985 wurde er Weihbischof in Banja Luka, 1989 Bischof - in einem damals noch multikulturellen und multiethnischen Gebiet. Komarica nutzte die Möglichkeiten seines Amtes seit den ersten Auflösungserscheinungen des kommunistisch regierten, noch gemeinsamen Staates der Serben, Bosnier und Kroaten, leitete viele Initiativen für eine lebendigere Kirche in seinem Bistum ein. Als Vertreter der römisch-katholischen Kirche im ehemaligen Jugoslawien war er lange Zeit das jüngste Mitglied der Bischofskonferenz in Rom. Seit 1992 Mitglied des Päpstlichen Rates für den Dialog der Kirchen, setzte er sich immer für ein gutes Verhältnis zu den anderen Konfessionen seines Landes ein.
1992-1995, während des Krieges in Bosnien-Herzegowina, kamen 80 Prozent des Bistums Banja Luka unter die Kontrolle der bosnischen Serben, die mit „ethnischen Säuberungen“ ein Regime der Unterdrückung und Vertreibung errichteten. In dieser Zeit wurde Bischof Dr. Komarica zum mutigen Streiter für die Menschenrechte und die Würde jedes Menschen, rettete durch besonnene Verhandlungen und Appelle unzähligen Menschen, Katholiken, Orthodoxen und Moslems, das Leben. Dem Druck der serbischen Behörden beugte er sich nicht. Auch der zynischen Aufforderung, die Stadt „um seiner Sicherheit willen“ zu verlassen, folgte er nicht. Von Mai bis Dezember 1995 unter Hausarrest gestellt, machte Bischof Komarica durch Appelle weltweit auf die brutale Verletzung der Menschenrechte und auf die materielle Not in seinem Land aufmerksam und suchte die politisch Verantwortlichen der Welt mit Briefen und Denkschriften aufzurütteln. Der Balkankrieg war für die Region Banja Luka verheerend: 25.000 Katholiken fielen den serbischen Aggressoren zum Opfer. Sie wurden aus ihren Häusern getrieben, misshandelt und ermordet. Gleichzeitig wurden 98 Prozent der Kirchen und Klöster zerstört, Priester und Ordensleute mussten fliehen oder wurden umgebracht. Bei der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Dayton warnte er die Verantwortlichen vor neuen Ungerechtigkeiten, die das Abkommen mit sich bringe.
Bischof Komarica und die UNITAS
Bei einer gemeinsamen Veranstaltung von UNITAS Ruhrania und Junger Union in Essen, Stadtbezirk Ruhrhalbinsel, hatte er am 29. Oktober 1997 nach einer gemeinsamen Messe einen Vortrag in der bis auf den letzten Platz gefüllten Unterkirche von St. Gertrud gehalten. Nach dem Vortrag hatten ihm die Bundesbrüder der UNITAS Ruhrania bei einem Abendessen im Restaurant „Herzegowina“ die Ehrenmitgliedschaft angetragen, die er gerne annahm. Komarica unterstrich seinerzeit: „Die UNITAS ist eine großartige Idee. Es ist schade, dass sie sich noch nicht bei uns entwickelt hat. Haltet an ihr fest, füllt sie mit Leben!“
Heinrich-Pesch-Preis des UNITAS-Verbandes
1997 wurde Bischof Komarica mit dem Heinrich-Pesch-Preis des UNITAS-Verbandes ausgezeichnet - „ein Friedensstreiter Gottes“, so hieß es in der Laudatio durch Bbr. Prof. Dr. Lothar Roos (Bonn): „Sie haben angesichts der unermesslichen Leiden, die Sie persönlich, die ihnen anvertrauten Gläubigen und viele andere der auf dem Gebiet Ihrer Diözese lebenden Menschen durch die zurückliegenden kriegerischen Ereignisse erdulden mussten, das Beispiel eines wahrhaft guten Hirten gegeben. Sie haben durch ihr Ausharren, Ihre sozial-karitative Tätigkeit gegenüber den Notleidenden ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit und Religion und durch ihr Eintreten für die Würde und Rechte aller Menschen, öffentlich kundgemacht, wofür die Soziallehre der Kirche steht.“
Unitas-Ehrenmitgliedschaft
Beim Vereinsfest zu Ehren der Maria Immaculata am 6. Dezember 1998 nahm er die Ehrenmitgliedschaft bei einem Festakt im Bonner Collegium Albertinum entgegen. Mit ihr würdigte der UNITAS-Verband - damals wenige Tage vor dem 50. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechte - die Verdienste des engagierten Oberhirten aus Bosnien-Herzegowina für seinen unermüdlichen Kampf für Gerechtigkeit und Frieden. Bischof Komarica zeigte sich sehr bewegt: „Wir sind hier aus vielen Völkern Europas. Und wir fühlen uns dem Prinzip der Solidarität verpflichtet.“ Es bedeute gemeinsames Füreinander-Einstehen, das Gefühl einer inneren Zugehörigkeit vieler untereinander und werde in der Form der christlichen Nächstenliebe am konkretesten. „Solidarität begegnet uns in Christus in ihrer vollkommensten Form“, erklärte er und erinnerte zugleich daran, dass Christsein sich auch darin zeige, ob man gewillt sei, Opfer zu bringen. Der Kontinent Europa, in dem seine dezimierten Landsleute um das „Recht auf Heimat“ kämpften, brauche insgesamt diese christlich verstandene Solidarität, um nicht den zerstörerischen Kräften ausgeliefert zu werden. Europa erwarte die neue Besinnung auf verbindende Grundlagen und Werte. Ohne sie bleibe Europa eine Utopie. Von den kleinsten Gemeinschaften, aus den Familien und Vereinen, sei die „Hoffnung Europa“ aufzubauen. „Sind wir gerüstet für unseren Einsatz auf der Baustelle Europa und für die Arbeit im Weinberg des Herrn?“
Gerade die UNITAS-Mitglieder seien mit ihren Prinzipien herausgefordert, sich an den geistigen Auseinandersetzungen um das Fundament Europas aktiv zu beteiligen. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten müsse die UNITAS kraftvoll und optimistisch nach ihren Möglichkeiten wirken. „Auch eine kleine Gruppe überzeugter Christen kann viel erreichen“, meinte er mit Verweis auf den Burscheneid. Unitarier seien zu gesellschaftlicher Einflussnahme berufen und dürften sich im vielstimmigen Konzert der Meinungsmacher und Entscheidungsträger nicht verstecken. Sie seien die entscheidenden, betonte Bischof Komarica. „Diesen Tag werde ich nie vergessen“, versicherte das neue Ehrenmitglied seinerzeit. Er fühle sich unter „echten Bundesbrüdern“.
Soziale Projekte in Bosnien-Herzegovina
Nach dem den abgeschlossenen Wiederaufbau eines großen Kinderheims des auch im Bistum Essen vertretenen Ordens der „Dienerinnen vom Kinde Jesu“ (Kroatische Gemeinde in Borbeck-Vogelheim) in Sarajewo hatte der UNITAS-Verband Bbr. Franjo Komarica mit einem weiteren Sozialen Verbandsprojekt unterstützt. Ab 2003 wurde ein ehemaliges Presbyterium in Prijedor, Diözese Banja Luka/Bosnien-Herzegovina, mit 112.000 Euro zu einem Internat für 20 Schüler aus entfernten Bergregionen umgebaut.
Bischof Franjo Komarica, den die Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europa-Parlament mit der Robert-Schuman-Medaille ehrte, ist seit 2002 Präsident der Bosnisch-Herzegowinischen Bischofskonferenz. Im selben Jahr wurde ihm die Auszeichnung der Coudenhove-Kalergi-Stiftung verliehen, 2005 wurde ihm der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis zuerkannt, 2006 der Aschaffenburger Mutigpreis.
Bbr. Dr. Peter Kreutzer – Zweiter Gründer der UNITAS, erster Stadtdechant von Essen
Nicht von ungefähr wird der erste Stadtdechant von Essen, Dr. Peter Kreutzer, in der unitarischen Geschichtsschreibung neben Hermann Ludger Potthoff aus Werden als der „zweite Gründer“ der UNITAS bezeichnet. Peter Kreutzer, 1907 zum Pfarrer an St. Johann Baptist in Essen-Altenessen berufen und 1925 zum Stadtdechant von Gross-Essen ernannt, war 27 Jahre Grossstadtseelsorger in der Ruhrmetropole. An seiner Kirche wirkte als Kaplan Bundesbruder Dr. Carl Klinkhammer, der als erster Priester von den Nazis verhaftete „rote Ruhrkaplan“ und spätere „Bunkerpfarrer“ von Düsseldorf. Als Bbr. Peter Kreutzer vor 85 Jahren, am 10. Juni 1934 starb, gaben ihm Kardinal Karl Josef Schulte aus Köln und 150 Priester das letzte Geleit.
„Zu den Unitariern, die am tiefsten und nachhaltigsten die Geschichte unseres Verbandes beeinflusst haben, gehört ohne Zweifel unser Bundesbruder Peter Kreutzer ...“, so erinnerte 1954 die unitas-Zeitschrift an den ehemaligen Stadtdechanten von Essen.(1) Er „hat sich später als Grossstadtseelsorger im Ruhrgebiet einen bedeutenden Namen gemacht“, vermerkte der Chronist, der aus Anlass der Wiederkehr des 20. Todestages von Peter Kreutzer ein Kapitel aus einer kleinen Schrift von Kreutzers ehemaligem Kaplan Gottfried Salz vorstellte.(2) Auch 1961, zur zweiten, der 84. Generalversammlung des UNITAS-Verbandes in Essen, würdigte die Verbandszeitschrift Kreutzers Wirken und nahm Bezug auf die 1940 in der Sammlung „Gestalt und Leben katholischer Priester“ veröffentlichte Schrift des ehemaligen Essener Jugendpräses Salz, der an der St. Dionysiuskirche von Essen-Borbeck wirkte.(3)
Peter Kreutzer, geboren am 8. April 1866 in Büderich bei Neuss, wächst mit drei Geschwistern auf einem Bauernhof auf. Sein Vater Peter Christian Hubert Kreutzer ist drei Monate vor der Geburt gestorben. Die Mutter Maria Anna, geborene Schäfer, der er zu seiner geistlichen Berufung viel verdankt, wird als fromm, klug und energisch geschildert. Sie wird ihn später an seine Seelsorgestellen begleiten und ab 1895 zwölf Jahre lang für den Haushalt sorgen. (4) Seine Begabung fällt auf, er kommt aufs Gymnasium in Neuss. Sein dortiger Religionslehrer ist der Priester und Unitarier Dr. Ferdinand Rheinstädter, Gründer der Neusser Zentrumspartei und des „Neusser Wochenblattes“(5). „Es ist sicher“, so Salz, „dass Rheinstädter bei der Weckung des Priesterberufes seines Schülers eine geistige Vaterschaft ausgeübt hat.“ (6) Rheinstädter veranlasst den jungen Niederrheiner, der seine Reifeprüfung mit Auszeichnung besteht, sich bei der Aufnahme des Studiums 1886 an der Universität Bonn der UNITAS-Salia anzuschliessen.
Unter dem damaligen Präses der UNITAS-Salia, Josef Vogt - später Generalvikar (1918-1931) und Dompropst in Köln, 1930-1937 erster Bischof von Aachen (7) - wird Peter Kreutzer rezipiert. 1887 trägt Peter Kreutzer des „Kaisers Rock“ und wird „Einjährig Freiwilliger“ bei den „Haketäuern“ in Köln. Im zweiten Semester ist der 20-jährige Theologiestudent Vorsitzender der Vinzenzkonferenz an der Stiftspfarre in Bonn, im dritten Semester im Sommer 1887 Senior der damals 36 Aktive zählenden UNITAS-Salia - und damit Vorortspräsident des Gesamtverbandes.
Nach der Lebensbeschreibung von Gottfried Salz sah der UNITAS-Verband Peter Kreutzer schon zu seinen Lebzeiten „als seinen zweiten Gründer an“. (8) Sein entscheidender Beitrag: Die Vorbereitung der ausserordentlichen Generalversammlung am 21. September 1887 in Neuss und sein mit dem aus Werden stammenden Verbandsgründer Hermann Ludger Potthoff (9) - damals Oberpfarrer in Aachen-Burscheid - abgestimmter Antrag zur Aufnahme von Nichttheologen in die bis dahin nur Theologen vorbehaltene Korporation. Kreutzer gewinnt dazu auch den 35-Jährigen und im Verband sehr angesehenen Professor Prälat Joseph Prill, der im Folgejahr 1888 in Werden den ersten Altherren-Zirkel des Verbandes gründen sollte. (10) Mit dem damals 36jährigen Franz Hitze allerdings, der seit fünf Jahren dem Preußischen Abgeordnetenhaus und seit drei Jahren dem Reichstag angehörte, hatte er „einen schweren Kampf auszufechten. Dieser stand“, so Salz, „als konservativer Westfale auf dem Standpunkt: „Sint, ut sunt, aut non sint“ - der Verband mag bestehen, wie er ist, oder zugrunde gehen.“ Auch Ferdinand Rheinstädter, der Mentor und geistliche Vater Peter Kreutzers, ist an der Öffnung des Verbandes für Nichttheologen massgeblich beteiligt: Er setzt sich für die Ansicht Peter Kreutzers ein, dessen „grundsätzlich apostolische und weltoffene Einstellung ... schon damals klar hervortrat und seinen Worten eine grosse Kraft der Überzeugung gab“ und der schliesslich „durch kluge Taktik ... seinem Antrage zum Siege zu verhelfen“ weiss. (11)
Von Rom nach Elberfeld
Für sieben Jahre geht Kreutzer ab 1888 nach Rom, tritt auf Vermittlung von AH Dr. Rheinstädter in das von Jesuiten geleitete Germanikum ein. Mit ihm studiert im roten Talar dort auch der später als „Berliner Grossstadtapostel“ bekannt gewordene Dr. Carl Sonnenschein. Peter Kreutzer übernimmt in den sieben Jahren seines Aufenthaltes das angesehene Amt des „Philosophen-Präfekten“ in der studentischen Selbstverwaltung des Hauses, fällt durch eine besondere Neigung zu grundsätzlichen temperamentvollen wissenschaftlichen Disputationen, durch sehr intensives Gebetsleben, Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit, aber auch durch grosser Liebe zum Theaterspielen auf. Kurz vor seinem Tode wurde er etwa als der Verfasser des von der über die Grenzen Essens bekannten „Kumpanei“ im Saalbau eine Woche lang aufgeführten „Mysteriums vom Leiden Christi“ bekannt. Peter Kreutzer macht den zweifachen Doktor der Theologie und Philosophie und steht am 28. Oktober 1894 in Rom zum ersten Mal als Priester am Altar.
1895 kehrt Peter Kreutzer nach Hause zurück, wo ihm ein triumphaler Empfang bereitet wird, und feiert seine Heimatprimiz. Mit seiner Herkunftsregion er sehr verbunden, bleibt er zeit seines Lebens Mitglied im Büdericher Heimatverein. Der junge Priester kommt nach Aachen, ist als Kaplan 1895-1899 an St. Nikolaus, und wird anschliessend ins sozial aufgewühlte Elberfeld in die Pfarrgemeinde St. Laurentius versetzt. In Elberfeld trifft er den späteren Berliner „Großstadtapostel“ Carl Sonnenschein (Bild links, + 1929, Berlin) wieder, mit dem er vor allem in der Seelsorge für die italienischen Steinbrucharbeiter zusammenarbeitet. Kreutzer übernimmt 1902 die Stelle des Rektors in der bergischen Arbeitergemeinde Wülfrath und hat hier - wie in Elberfeld - zahlreiche Italiener zu betreuen. Seit dieser Zeit hat er die Seelsorge für fremdsprachige Katholiken besonders im Blick. So legt er auch später immer Wert darauf, z.B. vor Italienern selbst in ihrer Muttersprache zu predigen.
Pfarrer an St. Johann Baptist in Altenessen
1907 beruft ihn der Kölner Erzbischof Kardinal Fischer als Pfarrer in die grosse Industriepfarre St. Johann Baptist in Essen-Altenessen. Ein Jahr zuvor hatte zeitgleich zum Deutschen Katholikentag dort die 47. Generalversammlung des Unitas-Verbandes stattgefunden. Mit der boomenden Revierstadt, sind bereits durch die entscheidenden Namen der unitarischen Gründergeneration wichtige Persönlichkeiten aus dem UNITAS-Verband verbunden: Der Verbandsgründer Hermann Ludger Potthoff stammte aus Werden, sein Freund Friedrich Ludger Kleinheidt, ebenfalls Jahrgang 1830 und 1886 Kölner Generalvikar, aus Heisingen. Ludger Wilhelm Pingsmann, Domkapitular in Köln, war 1832 in Werden-Kleinumstand geboren worden, Wilhelm Lindemann, erster Parlamentarier aus dem UV, 1827 in Schonnebeck, Pfarrei Stoppenberg. (12) Kardinal Antonius Fischer selbst, Kreutzers Bundesbruder und 1860 in Bonn rezipiert (13), hatte von 1864 bis 1888 als Religionslehrer am Gymnasium gewirkt. Ihm war 1889 in dieser Aufgabe Bbr. Joseph Prill gefolgt, der in Essen dreissig Jahre als Jugendseelsorger tätig war. 1898 übernahm dieser als erster Redakteur die Verbandszeitschrift „unitas“, die er bis 1903 redigierte und unter dessen Schriftleitung sie ihren Namen erhielt. (14) Der erste Geschichtsschreiber des Verbandes, Karl Joseph Kuckhoff, wirkte mit ihm gemeinsam von 1907 bis 1916 am selben Gymnasium. (15)
Auf Kreutzer warten im Zentrum der Schwerindustrie grosse Aufgaben: Seelsorge unter Bedingungen der Grossstadt, in die Menschen aus allen Regionen auf der Suche nach Arbeit und Brot geströmt waren, Wohnungsnot, soziales Elend, aber auch eine anhängliche kirchentreue Arbeiterschaft, deren Organisationsgrad in den katholischen Verbänden zunehmend wächst. Zwischen den Fördertürmen der Zechen und den Kokereien bemüht sich Kreutzer, seine Gemeinde zu einer Heimat für die zugewanderten Namenlosen und Entwurzelten zu machen. 1910 baut er das Katholische Gesellenhaus, 1913 wird das Marienhospital bedeutend erweitert, 1915 entsteht als Vereinshaus das Marienheim, auch ein Ärztehaus. In seiner Pfarrkirche lässt er Bilder der lokalen Heiligen, wie der Bergbauheiligen Barbara sowie von Kosmas und Damian, den Stadtpatronen von Essen, anbringen, er fördert Volksandachten, Nachbarschaften und Bräuche, sorgt im Ersten Weltkrieg für eine enge Verbindung mit aus der Gemeinde stammenden Soldaten, die im Feld stehen. In den ideologischen Auseinandersetzungen der Zeit unterstützte er die Bildung landsmannschaftlicher und katholischer Vereine, aber auch der christlichen Gewerkschaften. August Brust, der Gründer des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter, stammte aus seiner Pfarrei St. Johann in Altenessen.
Der als außergewöhnlich bescheiden geschilderte Seelsorger Kreutzer, der eine einfache Sprache übt, scheut aber nicht, sich als kraftvoller Prediger auch auf der Kanzel mit freidenkerischen und klassenkämpferischen Parolen auseinander zu setzen. Als sich im November 1918 bei einer Versammlung der Spartakisten nach seiner Gegenrede eine Saalschlacht entwickelt, müssen ihn die katholischen Bergleute wieder heraushauen. Während des Spartakistenaufstandes in den Ostertagen des Jahres 1920 verhindert er die Besetzung der Kirche. Während der französischen Ruhr-Besetzung und der Inflationszeit muss er mit Suppenküchen für caritative Hilfe sorgen. Allein in seiner Pfarrei arbeiten bald fünf Vinzenzkonferenzen und ein Elisabethverein. Immer wieder übt er wochenlange strenge asketische Exerzitien, er lebt geprägt von dem im Germanicum geübten Dreiklang von Studium, Beschauung und seelsorglicher Aktivität. Er organisiert Volksmissionen, gibt Vorbereitungskurse für das Ehesakrament, ist aber auch viel unterwegs zu Hausbesuchen. Immer ist sein Beichtstuhl gefragt, Beichtwillige kommen von weither.
Erster Stadtdechant von Groß-Essen
1925 wird Dr. Kreutzer gegen seinen Willen zum Stadtdechant von Groß-Essen ernannt, wo seit dem 1.1. des Jahres drei Dekanate Altstadt, Neustadt und Borbeck eingerichtet waren. Am 1. April 1925 genehmigt die Regierung den bereits am 3. Juli 1922 gegründete Katholischen Gemeindeverband. Mit über 350.000 Katholiken und 200 Seelsorgern ist Essen in bald vier Dekanaten die durch Eingemeindungen und Abpfarrungen neuer Gemeinden weiter wachsende zweitgrösste Stadt des Erzbistums Köln. Die Stadt weist die viertgrösste Zahl von Katholiken unter den Grossstädten im ganzen Deutschen Reich auf. Allein sieben Kirchen werden während seiner Amtszeit als Vorsitzender des Gemeindeverbandes der katholischen Kirchengemeinden Essens in der Stadt neu gebaut. Aus seiner eigenen Pfarrei entsteht 1931/32 in der abgepfarrten Gemeinde St. Hedwig eine eigene Kirche.
Mehrere Kapläne sorgen zu dieser Zeit in St. Johann Baptist, der Altenessener Pfarrei des Stadtdechanten Dr. Peter Kreutzer, für die Seelsorge. Unter ihnen ab 1931 Bundesbruder Dr. Carl Klinkhammer, der dort von Beginn an sozialarbeiterisch tätig wurde und klar gegen kommunistische und nationalsozialistische Parolen auftrat. Kreutzer lässt seinen Kaplan, der während seiner zweijährigen Arbeit in der Gemeinde als „Roter Ruhrkaplan“ bekannt wird, gewähren; er unterstützt sogar Klinkhammers schliesslich bald über Essen hinaus führende Vortragstätigkeit - auch wenn sich dieser das grosse Missfallen der Kölner Kirchenleitung zuzieht, die ihn im Frühjahr 1934 aus seinem Amt entfernt. Der als erster Priester von den Nazis verhaftete, spätere „Bunkerpfarrer“ von Düsseldorf, sprach von einem prägenden Einfluss Kreutzers, der immer wieder auch mässigend auf ihn einzuwirken gesucht hatte. (16)
Mit Pfarrer Peter Kreutzers Amt sind hohe organisatorische Anforderungen verbunden - nach dem Protokoll ist der Stadtdechant zweiter Mann nach dem Oberbürgermeister. Als erster Dechant in der von starken katholischen Laienverbänden geprägten Industriestadt erkennt Kreutzer das Katholiken-Komitee als Zentralorgan des katholischen Lebens förmlich an und fördert es nachdrücklich. „In den zehn Jahren“, schreibt Salz 1940, „in denen Dr. Kreutzer Stadtdechant von Essen war, arbeiteten Klerus und Laien voller Harmonie, einer den anderen tragend und ergänzend.“ Der Stadtdechant habe in seiner Person die Beschaulichkeit, das innerliche Element des Essener Katholizismus verkörpert. „Je besser die Zusammenarbeit von Klerus und Laien ist, desto besser wird der Acker Gottes bestellt sein. Das klassische Beispiel dafür ist Essen, das katholische Leben dieser Stadt und ihr Stadtdechant“, resümiert Gottfried Salz. (17)
Bundesbruder Dr. Kreutzer, der „auch als Stadtdechant und Domkapitular immer ein schlichter Pastor blieb“ (18), wurden viele kirchliche Ehrungen zuteil. Seit 1926 Päpstlicher Geheimkämmerer, wird er 1932 nichtresidierender Domkapitular in Köln und Prosynodalkonsultator. In seinen Aufgabenbereich als Stadtdechant fiel im selben Jahr der 71. Deutschen Katholikentag in Essen mit dem auch sein eigenes Wirken bezeichnenden Motto „Christus in der Grossstadt“. An den Vorbereitungen ist er massgeblich beteiligt gewesen. Das Katholikentreffen wurde zur letzten grossen Heerschau des deutschen Katholizismus und schloss mit einem Gottesdienst auf dem Baldeneyer Berg, an dem 250.000 Menschen teilnahmen. Zwei Jahre später, am 10. Juni 1934, starb Peter Kreutzer nach 27-jähriger Arbeit als Priester in der Ruhrmetropole im Alter von 68 Jahren an Krebs. Zu seiner Beisetzung drei Tage später kam Kardinal Karl Josef Schulte aus Köln (19), 150 Priester gaben Kreutzer das letzte Geleit. Sein Grab auf dem Nordfriedhof in Altenessen trägt das Bild des Guten Hirten.
Dr. Christof Beckmann, Essen
Anmerkungen:
(1) „Vor 20 Jahren starb Bbr. Stadtdechant Peter Kreutzer“, in: unitas, 94. Jg., Dezember 1954, Heft 12, 19f.
(2) Gottfried SALZ: Dr. Peter Kreutzer. Ein Grossstadtpfarrer. Münster 1940. Gottfried Salz aus Windeck im Siegtal war als Kaplan an der Pfarrgemeinde St. Dionysius in Essen-Borbeck bis 1936 eine zentrale Leitfigur in der katholischen Jugendarbeit Essens. Der Bezirkspräses der KJMV, der Konflikte mit der HJ oder Gestapo nicht scheute, geriet durch seine resolute Abwehrhaltung gegenüber den Machthabern aber auch in Gegensatz zur vorsichtigen Politik der obersten Kirchenleitung. 1936 wurde er vom Erzbischof nach Mülldorf bei Siegburg versetzt. Bei Kriegsende gelang es Salz, zuerst die fliehenden deutschen Soldaten, dann die einmarschierenden Amerikaner davon abzuhalten, das von ihm dort gebaute neue Gotteshaus wie auch ein Kloster in St. Augustin zu zerstören. Gottfried Salz kehrte 1950 nach Essen zurück und starb dort 1953.
(3) „Bbr. Dr. Peter Kreutzer, ein moderner Apostel in der Grossstadt Essen“, in: unitas, 101. Jg., Mai 1961, Heft 5, 91-94
(4) vgl. von ihm verfasster Totenzettel seiner Mutter, in: SALZ 1940, 19
(5) * 23.9.1834 Köln, + 9.5.1889 Neuss, rezipiert 1852 bei der 1847 gegründeten „Ruhrania“ in Bonn. Sie nimmt 1854 den Namen UNITAS an, 1855 entsteht mit der durch Ferdinand Rheinstädter betriebenen Gründung der UNITAS in Tübingen der UNITAS-Verband. (vgl. Peter Josef HASENBERG, 125 Jahre UNITAS-Verband. Köln 1981, (UNITAS-Schriftenreihe, Band V) 32f., und unitas 1963, 172ff.
(6) Rheinstädter, der auf äußere Disziplin keinen Wert gelegt habe, sei der „beste und beliebteste Lehrer“ an der Schule gewesen sein. Nach SALZ sei er für Kreutzer nach eigener Schilderung „das Ideal eines Priesters und Wissenschaftlers“ gewesen. Von ihm habe er „den Drang zur Wissenschaft und den Glauben an die sieghafte Kraft der Ideen, aber zugleich auch das starke Sendungsbewusstsein bei ihrer Verkündigung. Die freiheitliche Form seiner Erziehungsmethode war auch Kreutzer eigen.“ (SALZ 1940, 20)
(7) * 1865 Monschau, rezipiert WS 1885/86 in Bonn, 1888 Priesterweihe, 1893 Geheimsekretär von Kardinal Krementz
(8) SALZ 1940, 22
(9) * 13.1.1830 Werden, + 8.10.1888 Aachen-Burscheid, rezipiert 1851 in Bonn, 1863-1883 kgl. Hofprediger in Dresden (vgl. HASENBERG 1981, 21ff. und UNITAS-Handbuch (UH), Band I, 289ff.)
(10) Dr. Joseph Prill (*9.6.1852 in Beuel, + 8.10.1935 in Lohmar), Päpstlicher Hausprälat, Professor, gründete 1888 in Werden/Ruhr den ersten Altherren-Zirkel des Verbandes. Zum Namen des Essener Zirkels war aus Respekt vor der Herkunft des Verbandsgründers „Werden“ gewählt worden.
(11) SALZ 1940, 22f.; vgl. HASENBERG 1981, 47ff, hier 50.
(12) nach Peter Josef HASENBERG, Essen - Mutterboden der Unitas. Die Gründergeneration des UV und der Bonner Ruhrania kam aus Essen, in: unitas, 101. Jg., Mai 1961, Heft 5, 87. Nach UH, Band I, 347 ist der Literaturhistoriker Professor Lindemann in Schönebeck (Teil des Stadtteils Borbeck) geboren.
(13) Antonius Fischer, rezipiert in Bonn 1860, 1888 Domkapitular in Köln, 1889 Weihbischof, 1898 Domdechant, seit 1902 Erzbischof in Köln, 1903 Kardinal.
(14) Beschluss der 41.GV in Würzburg: Das „Korrespondenzblatt“ (vorher „Roma“, „XP-Correspondenzblatt der Unitas“) erhält den Namen „Unitas, Organ des wissenschaftlichen katholischen Studentenvereins Unitas“.
(15) Prof. Dr. Karl Joseph Kuckhoff (* 1878 in Köln, + 2.10.1944 Hildesheim), rezipiert im SS 1898 in Bonn, war später Professor und von 1912-1918 MdR für den Landkreis Köln, 1919 MdPreuß. Nationalversammlung.
(16) Scherzhaft, berichtet sein ehemaliger Kaplan Gottfried Salz, habe Kreutzer einmal gesagt: „Ich bete jeden Morgen: Lieber Gott, gib mir heute die Gnade, dass ich nichts Gutes verhindere, was meine Kapläne wirken wollen.“ (SALZ 1940, 95). Zum Verhältnis zwischen Kreutzer und Klinkhammer vgl. auch Interview von H. Wilmer, KULT-URsachen Essen, Skript des Gespräches vom 4.2.1993 in Düsseldorf im Besitz des Verf.; vgl. auch Karl-Jürgen MIESEN, Sonnenscheins Sohn. Biographische Skizze über Carl Klinkhammer, in: Kirche in der Grossstadt, Karl Waldenfels zum 80. Geburtstag, 126-167, hier 136-149
(17) SALZ 1940, 118
(18) SALZ 1940, 10
(19) Karl Josef Schulte, seit 1920 als Nachfolger Kardinals von Hartmanns (+ 1919) Erzbischof von Köln.
Abenteuer im Outback von Australien
Er war einer der ersten, die sich nach dem Krieg wieder der rekonstituierten Unitas anschlossen: Bbr. Pallottiner-Pater Werner Kriener, der am Morgen des 2. Dezember 2014 auf der Seniorenstation des Missionshauses in Limburg starb - 94 Jahre alt, 65 Jahre Pallottiner, 61 Jahre Priester und fast 136 Semester Mitglied des Unitas-Verbandes.
Am 14. November 1920 in Münster geboren, musste Bbr. Werner Kriener nach der Schule 1939 zum Reichsarbeitsdienst und studierte dann zwei Trimester Rechtswissenschaft. Er wurde zum Wehrdienst einberufen und kam im April 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Wintersemester nahm er das Jurastudium wieder auf und schloss sich im Juni 1946 der heutigen Unitas Rolandia-Burgundia, dem langjährigen Patenverein der Unitas Ruhrania in Münster an. Was ihn im Krieg durchhalten ließ, machte er nun konsequent: Mit der Gedankenwelt Vinzenz Pallottis und von Schönstatt vertraut, beschloss er, sich den Pallottinern anzuschließen. Im Oktober 1947 begann er das Noviziat in Olpe, legte am 11. Oktober 1949 die erste und am 11. Oktober 1952 die ewige Profess ab. Nach seinen Studien in Vallendar wurde er am 26. Juli 1953 dort zum Priester geweiht.
Ein „Nomade Gottes“
Erste Erfahrungen in der Seelsorge machte er in Lüneburg, wo viele Flüchtlingsfamilien aus Schlesien gestrandet waren. Doch kurz darauf wurde er selbst zum „Nomaden Gottes“: Für die Seelsorge der deutschen Gemeinde in Melbourne bestimmt, reiste P. Kriener als Schiffskaplan 1954 auf der „Anna Salen“ von Bremerhaven aus nach Australien. Hier lebte er bis 1957 in der Pallottiner-Gemeinschaft im Stadtteil Kew. Hier gab es auch eine Schönstatt-Kapelle, wo sich die deutschen Auswanderer gerne trafen. Zum Erlebnis wurden ihm die Olympischen Spiele 1956 in Melbourne, bei denen er auch die west- und ostdeutschen Mannschaften getrennt voneinander besuchte und zu Gottesdiensten einlud.
Abenteuer im Outback
1957 wurde Bbr. P. Kriener in die 3000 km entfernte Diözese Broome versetzt. In der Region Kimberley im Nordwesten Australiens arbeitete er für ein Jahr als Kaplan mit P. Kevin McKelson, einem australischen Pallottiner und einem der profundesten Kenner der Aborigines-Kultur. Für P. Kriener eine gute Schule für seine Seelsorge in verschiedenen Aborigines-Gemeinden: 1958 ging er für zwei Jahre in die seit 1901 von deutschen Pallottinern betreute Beagle Bay Mission, die bis heute für ihre Perlmuschel-Kirche bekannt ist. Dort sorgte er neben der Pfarrarbeit vor allem für die als Nomaden aufgewachsenen Aborigines-Jungen, die hier in bestimmten Monaten des Jahres Schulunterricht erhielten. Sie brachten dem Missionar aus dem Münsterland dafür das Lesen von Spuren der Kängurus oder Rieseneidechsen bei.
Pfarrer für die Aborigines
1960 versetzte ihn Bischof Johannes Jobst SAC nach Lombadina. Auch hier lernte P. Kriener, sich immer mehr in die Mentalität der Aborigines hineinzudenken und entwickelte liturgische Formen, die ihrem Leben entsprachen. Ab 1968 leitete er in Derby das kurz zuvor gegründete St. Joseph’s Schülerheim, das jungen Menschen die Vorbereitung für ein Studium ermöglichte und war nebenher Seelsorger am Lepra-Krankenhaus. 1973 ging Bbr. Werner Kriener als Pfarrer nach Hall’s Creek. In der mehrere hundert Quadratkilometer großen Gemeinde mit ihren knapp 400 Katholiken verbrachte er seine glücklichsten Jahre. Er besuchte die Viehstationen und Siedlungen der Aborigines, lernte ihre Sprache, Gesänge und Gebräuche und lud Jahr für Jahr zu bemerkenswerten Oster- und Pfingsttagen ein, die von den aus ihrer Tradition her geistgläubigen Aborigines gerne gefeiert wurden. Zu seiner großen Freude wurde er beim Papstbesuch 1986 in Alice Springs im Herzen Australiens mit einigen seiner Gemeindemitglieder von Johannes Paul II. empfangen.
1992 kehrte er noch einmal für ein Jahr nach Lombadina und anschließend für drei Jahre als Kaplan zu P. Wendelin Lorenz SAC nach Derby zurück, bevor er mit 77 Jahren aus gesundheitlichen Gründen um Rückversetzung nach Deutschland bat. Ab März 1997 lebte er zunächst einige Monate im Pallotti-Haus in Vallendar, anschließend im Missionshaus in Limburg und pflegte von dort eifrige Kontakte nach Australien und zu vielen Freunden in Deutschland, zu seiner Familie, Freunden aus der Kriegszeit und aus der Unitas. Mit großer Freude und Begeisterung erzählt er von seinem Wirken unter den Aborigines, auch vor den Missionaren auf Zeit (MaZ), die sich bei den Pallottinerinnen in Limburg auf ihre Einsätze in Übersee vorbereiteten.
Glaubhaftes Leben aus dem Evangelium
„Dass das Leben aus dem Evangelium und sein Einsatz als Priester Erfüllung und Glück schenkt, teilte er gerne in Wort und glaubhaft in seinem Leben mit“, würdigte Provinzial P. Helmut Scharler SAC im Totenbrief das Wirken seines Mitbruders. „Darum sind wir P. Werner Kriener dankbar, nicht allein für seinen Einsatz in Australien, sondern auch für sein Zeugnis als alter Mitbruder in Limburg, der immer neu Begeisterung und Dankbarkeit für seine Berufung durch Jesus Christus ausstrahlte. Möge Gott Pater Kriener empfangen und ihm den Frieden schenken, den er sich in seinem Glauben ersehnt hat.“
R.I.P.
Dr. Ilse Krisam (1922-2018): Gründerin des Vereins „Lebenslanges Lernen (LLL)“
„Im Grunde genommen haben wir die Aufgabe, eine neue Alterskultur zu entwickeln. Dieses Anliegen ist den meisten Menschen fremd. Für Christen sollte es selbstverständlich sein“, schrieb unsere Bundesschwester Dr. Ilse Krisam 2004 in einem Aufsatz für die Verbandszeitschrift „Unitas“ (Studieren im Alter, unitas, 144. Jg. 2/2004, 98-100). Auch im dritten Lebensalter habe man nicht nur die „Freiheit", sondern auch „die Verantwortung, es mit Werten zu füllen und für diese Zeit neue Lebensentwürfe zu entwickeln - auch vorbildhaft für kommende Generationen“, forderte sie. Sie selbst hat es in außergewöhnlicher Weise getan: Unsere liebe Bundesschwester starb am Montag, 5. März 2004, im gesegneten Alter von 96 Jahren. Heute wurde die Pionierin des Studiums im Alter in Essen-Haarzopf zu Grabe getragen.
Dank der Gemeinde und der Unitas
Eine große Trauergemeinde gab Ilse Krisam am 12. März das letzte Geleit in der Katholischen Gemeinde Christus König in Essen-Haarzopf. Ein wunderbarer blau-weiß-goldener Kranz des Essener Unitas-Zirkels war ein kleines Zeichen der Dankbarkeit für viele gemeinsame Jahre, in denen sie die Essener Unitas-Familie mitprägte – wie viele Lebensbereiche, in denen sie sich aktiv einsetzte. Das machte auch die Auferstehungsmesse deutlich: „Sie war so etwas wie die „Grande Dame“ unserer Gemeinde“, unterstrich die Predigt, die ihren besonderen Charakterzug treffend herausstellte. Ihre beständige Suche nach Verstehen, ihre Fähigkeit zum Dialog und ihr aufgeklärter Glaube waren begründet in einer tiefen Verwurzelung im Glauben. Credo ut intelligam - „Ich glaube, damit ich erkennen kann“ -, dieses Programm von Anselm von Canterbury, ist gewiss das Vermächtnis und Zeugnis, das die spät promovierte Diplom-Pädagogin auch ihren Bundesbrüdern und Bundessschwestern weitergibt.
Neugier auf das Leben
Bis ins hohe Alter und bis zuletzt bewahrte sie ihre Neugier auf das Leben, auf Ideen und Ereignisse - ein besonderes Talent und typische Eigenschaft, die sie ihr Leben lang begleiteten. Das Studium blieb der 1922 Geborenen zunächst verwehrt, trotzdem konnte sie nach einer kurzen Bankausbildung endlich an die Pädagogische Hochschule in Köln gehen und anschließend viele Jahre im Schuldienst tätig sein - „mit Leib und Seele“, wie sie kurz vor ihrem Tod bekannte. Ihrer Ehe mit Bbr. Dr. Raymund Krisam, der Staats- und Sozialwissenschaften in Mainz, Köln, Innsbruck und Paris studierte, entsprossen ab 1958 drei Kinder: Mit einer Tochter und zwei Söhnen wurden sie über Stationen in Köln, Dortmund, Hamburg, Münster und Bochum ab 1972 in Essen heimisch. Hier übernahm Raymund Krisam an der frisch gegründeten GHS Essen den Lehrstuhl für Soziologie und Sozialpädagogik und war ab 1980 als Universitätsprofessor tätig.
„Überall fanden wir gleich Heimat und Anschluss in den Pfarrgemeinden“, berichtet Ilse Krisam in ihren Lebenserinnerungen. Ihr Mann gehörte bis zu seinem Tod am 13. November 2006 (unitas, 146. Jahrgang 4/2006, 274) über 50 Jahre der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) an, sie war im Pfarrgemeinderat aktiv und Mitglied der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd). Gemeinsam teilten sie nicht zuletzt die Heimat der unitarischen Familie am Ort: Es wird wohl kaum einen monatlichen Stammtisch, ein Vereinsfest, Vorträge, Zusammenkünfte und Kommerse der Aktivitas gegeben haben, an denen sie nicht gemeinsam teilnahmen.
Lebenslanges Lernen
Noch im Rentenalter wollte sie es selbst wissen: Sie nahm noch einmal das Studium der Erziehungswissenschaft an den Universitäten Essen und Münster mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und Soziologie auf. Für ihre Diplomarbeit untersuchte sie 1991 die „Motivationen und Probleme älterer Studierender an der Universität Essen“ und blieb ihrem Lebensthema weiter verbunden. Im Mai 2000 gründete sie den Verein „Lebenslanges Lernen (LLL) - Verein zur Förderung des Studiums im fortgeschrittenen Alter an der Universität Essen e.V." und übernahm den Vorsitz.
Als organisatorische Plattform für ältere Studierende unterstützt er seitdem im Uni-Leben, Forschung und Lehre, gibt Möglichkeiten zur Begegnung und will im Kontakt zum Netzwerk „Bundesarbeitsgemeinschaft Ältere Studierende" einen europaweit unter dem Begriff „Learning in Later Life - Universität des Dritten Lebensalters" laufenden Prozess fördern. Ilse Krisam selbst brachte ihre Erkenntnisse in einer grundlegenden Arbeit zu Papier. Ihre Dissertation an der Universität Essen erschien 2002 unter dem Titel „Zum Studieren ist es nie zu spät. Statistische Daten, Soziokulturelle Basis, Motivationen, Inhalte und Gestaltung eines ordentlichen Studiums im dritten Lebensabschnitt“ im Waxmann-Verlag.
„Leben mit Werten füllen“
Vom Stellenwert dieser Thematik blieb unsere Bundesschwester nachhaltig und unablässig überzeugt: „Es geht um Werte, die der eigenen Lebensqualität im Alter, aber auch unserer Familie, unserem Umfeld und der Gesellschaft zugute kommen“, erklärte sie 2006 in der Verbandszeitschrift Unitas. „Durch verantwortungsvollen Umgang mit unserer Zeit können wir auch in der Öffentlichkeit die negativen stereotypen Aussagen über das Alter verändern und zeigen, wie man Alter sinnvoll leben und mit Werten füllen kann.“
Das hat sie auch ihrer unitarischen Familie immer wieder gezeigt: Nachfragen, hinterfragen, verstehen und sich auch in andere Meinungen hineinversetzen – das ist und bleibt ihr großes Lebenszeugnis. Das gemeinsame von Jung und Alt erfuhr sie selbst als für alle bereichernd – hoch interessiert nahm sie 2010 auch Anteil an der Gründung des Unitas-Studentinnen-Vereins Franziska Christine. Und für das Studium im Alter war sie sehr selbstbewusst der Überzeugung: „Ohne Vermessenheit kann man annehmen, dass dieses gemeinsame Arbeiten der Qualität der Wissenschaftlichen Arbeit an den Hochschulen zugute kommt. Die Älteren bringen ihre Berufs- und Lebenserfahrung in die Diskussion, die Jungen ihren spontanen Ideenreichtum und ihre Flexibilität.“
Wir sind ihrer trauernden Familie sehr verbunden. Ilse Krisams Nachfragen, die große Aufgeschlossenheit der „Grande Dame“ des Essener Unitas-Zirkel und die wunderbare Jugend ihres Alters werden uns fehlen. Die größte aller ihrer Fragen wird nun beantwortet.
CB
Buchhinweis: Ilse Krisam, Zum Studieren ist es nie zu spät. Statistische Daten, Soziokulturelle Basis, Motivationen, Inhalte und Gestaltung eines ordentlichen Studiums im dritten Lebensabschnitt. WaxmannVerlag 2002, 368 S., 25,50 Euro, ISBN 3-8309-1138-6. Die Dissertation an der Universität Essen erschien als Band 7 der bei Waxmann veröffentlichten Reihe „Studium im Alter. Forschungen und Dokumentationen", hg. v. Gerhard Breloer (ISSN 1430-2683).
Bbr. Prof. Dr. Raymund Krisam - Einer der ersten Professoren an der Ruhr
Bbr. Raymund Krisam, geboren am 12. September 1928, stammte aus Losheim/Saar. Nach Krieg, Gefangenschaft und Abitur 1949 studierte er Staatswissenschaften, Nationalökonomie und Sozialwissenschaften in Mainz, Köln und an der u.a. an der Universität in Innsbruck, wo er sich am 1954 der UNITAS Greifenstein anschloss und zum 1. Januar 1957 philistriert wurde. Seine nächsten Stationen: Diplom-Volkswirt, zum Dr. rer. pol. promoviert, Examen d´Université de Paris, Assistent an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund, am Hans-Bredow-Insitut der Universität Hamburg, Lehrtätigkeit in Soziologie und Sozialpädagogik an der Kath. Pädagogischen Hochschule Münster, Akademischer Rat an der Ruhr-Universität Bochum, Arbeit in Sozialpsychologie und Sozialanthropologie mit besonderer Berücksichtigung des Erziehungswesens.
Bbr. Dr. Krisam gehörte zu den ersten Hochschullehrern, die 1972 einen Ruf an die neu gegründete Universität-Gesamthochschule Essen annahmen. Bis zu seiner Emeritierung im Oktober 1993 vertrat er dort das Fach Soziologie und Sozialpädagogik. In Forschung und Lehre bewegte er sich auf breitem Spektrum: Mitbestimmung, Handwerk, Jugendarbeit, behinderte Menschen und Krankenpflege waren Themen, mit denen er sich auseinander setzte. Die vielseitige Forschung war zugleich ein wertvoller Fundus für die soziologischen Lehrveranstaltungen in verschiedenen Studiengängen. Noch nach seiner beruflichen Laufbahn blieb er der universitären Forschung und Lehre eng verbunden: So leitete er gemeinsam mit seiner lieben Frau Dr. Ilse Krisam den von ihr an der Universität gegründeten Verein „Lebenslanges Lernen" („LLL“), der insbesondere ältere Studenten in den Universitätsbetrieb integrierte und mit anderen Vereinigungen im Bereich des Seniorenstudiums ein weites Netzwerk aufbaute.
„Professorales“ Auftreten lag Raymund Krisam völlig fern: Sein Fach sah er in engem Bezug zum Alltag der Menschen im Ruhrgebiet. Nachhaltig und streitbar plädierte er in seiner aktiven Zeit an der Universität für eine weite Öffnung der Wissenschaft für die Belange der Gesellschaft und die Schaffung einer für alle lebenswerten Ordnung. Der universitäre „Elfenbeinturm" war nicht seine Welt: Im Sinne eines gemeinsamen Lehren und Lernens ermutigte er Studenten zu praktischer Arbeit in Stadtvierteln und richtete seine Studiengänge auf konkrete Projekte inmitten der sozialen Wirklichkeit aus. Er galt als aufmerksamer Beobachter und Zuhörer mit großem Horizont, der Zusammenhänge zu verstehen suchte, bevor er urteilte, als leiser und nachdenklicher Mensch, der zugleich bestimmt nachfragte, als ein großartiger Gesprächspartner, dem an seinem Gegenüber viel lag.
Mit einem sicheren Gefühl für Distanz und vornehmer Zurückhaltung war er gleichzeitig ein Mann der Tat, der die Gemeinschaften, denen er angehörte, in ganzer Person förderte und befruchtete. Viele Jahrzehnte war er in seiner Pfarrgemeinde Christus König in Essen-Haarzopf aktiv, über 50 Jahre lang gehörte Raymund Krisam, der Professor, der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) an - ein Hinweis auf seinen ausgeprägten Sinn für die katholische Soziallehre und die Arbeit für weltweite Gerechtigkeit. Zugleich blieb er als echter Bundesbruder seiner akademischen, studentischen Heimat in der UNITAS ein Leben lang verbunden - ein Kennzeichen der Spannbreite seines Lebens: Über 100 Semester war er auch ihr ein treues Mitglied, immer da und ansprechbar. Er suchte den Austausch, unterstützte die Wiederbegründung einer Aktivitas an der Universität Essen von Beginn an und schloss sich konsequent den Gründern des eigenen UNITAS-Hausbauvereins im Ruhrgebiet als einer der ersten an.
Mit 78 Jahren ist Bbr. Krisam nach langer schwerer Krankheit gestorben. Eine übergroße Trauergemeinde gab ihm am 20. November 2006 das letzte Geleit. Seinen unitarischen Bundesbrüdern und den Angehörigen des Essener UNITAS-Zirkels war er alle Jahre ein verlässlicher Freund. Monatlicher Stammtisch, Vereinsfeste, Vorträge, Zusammenkünfte und Kommerse der Aktivitas – es dürfte kaum eine Veranstaltung gegeben haben, an der Raymund nicht mit seiner Frau aufmerksam Anteil nahm. Fast alle kamen zum Auferstehungsamt und zur Bestattung auf dem Friedhof an der Raadter Straße, um ihren lieben Verstorbenen mit einem Kranz in den unitarischen Farben auf seinem letzten Weg zu begleiten.
Der Geistliche Verbandsbeirat, Kaplan Helmut Wiechmann aus Altena-Evingsen konzelebrierte. Die Aktivitas der UNITAS Ruhrania führte den Trauerzug mit umflorter Liudger-Fahne an und verneigte sich zuletzt vor dem großen Vorbild eines bescheidenen Wissenschaftlers und vor seinem Gott demütigen Mannes mit großen menschlichen Vorzügen, der die unitarischen Prinzipien mit seinem ganzen Leben bezeugt hat. Seine Todesanzeige trägt den Satz: „Ich bin nicht weit weg, ich bin nur auf der anderen Seite des Lebens.“
CB
Der Übersetzer: Bbr. Richard Laudage
Bbr. Studiendirektor a. D. Richard Laudage ist am 27.12. 2009 im Alter von 83 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben. Sie hatte ihn mehrfach ins Krankenhaus geführt. Die Weihnachtstage durfte er zu Hause in Kettwig im Kreise der Familie verleben. Am Mittag des zweiten Weihnachtstages rief ihn Gott zu sich.
Bbr. Laudage, geboren am 22.4.1926, studierte Englisch und Kunst in Münster, in München Geschichte, Deutsch und Religion und legte sein Examen in Münster ab. Hier hatte er sich im Juni 1952 der UNITAS Burgundia angeschlossen und wurde zum Januar 1955 philistriert. Nach erster beruflicher Tätigkeit in Menden ging er nach Essen. Hier war er 35 Jahre, bis 1999, am Theodor-Heuß-Gymnasium in Kettwig als Lehrer für Deutsch und Religion tätig und erteilte fast während der ganzen Zeit den gesamten Religionsunterricht in der Oberstufe. Seine Frau Erika, die er 1954 in Münster kennengelernt hatte, war an derselben Schule in Unter- und Mittelstufe tätig. In der Pfarre war Bbr. Laudage sehr engagiert: Er bildete seit den 70-er Jahren elf Familienkreise, leitete Bibelkreise und machte Lektorendienst.
Richard Laudage, der an einem Buch über die Beziehungen Islam - Christentum arbeitete, übersetzte seit seiner Pensionierung 1990 etwa 80 Texte aus dem Französischen und Englischen ins Deutsche, darunter einige größere theologische Werke. Noch im vergangenen Wintersemester hielt er beim Essener Zirkel eine Wissenschaftliche Sitzung über den Hl. Paulus. In einer weiteren bemerkenswerten WS „Geheimnis des Glaubens“ im Juni 2007 hatte Bbr. Laudage betont, dass der Mensch nur aus der Identifizierung mit seinem Schöpfer und Erlöser wirklich zu begreifen sei. Er erfahre aus der Wesenheit des dreifaltigen Gottes und aus einer lebendigen Beziehung mit ihm seine eigentliche Berufung und Bestimmung. Der mit Motiven aus Ottonischen Prachtevangeliaren und Mosaiken aus Ravenna illustrierte Vortrag Richard Laudages führte tief in die Welt der christlichen Mystik ein und legte ein sehr persönliches Glaubenszeugnis ab.
Bundesbrüder von Zirkel und Aktivitas feierten das Seelenamt am Samstag, 2. Januar 2010, in der Kettwiger Pfarrkirche St. Peter mit und begleiteten unseren Bbr. Richard auf seinem letzten Weg auf dem Stadtwaldfriedhof an der Schmachtenbergstraße.
Martin Gewiese / CB
Bbr. Albert Lauscher: Prälat und Politiker
1928 wurde er Ehrenmitglied der Unitas: Prälat Albert Lauscher, zuvor Lehrer am Gymnasium Borbeck, dann Professor in Bonn, Mitglied der Preußischen Verfassungsgebenden Versammlung, Abgeordneter im Preußischen Landtag und im Deutschen Reichstag. Der Schul- und Kulturpolitiker wurde nach dem Tod von Bbr. Joseph Heß Chef der deutschen Zentrumspartei. Ihm widmete Franz Josef Gründges, zu seiner Studienzeit aktiv bei Unitas Bavaria Würzburg, ein Biogramm im Borbeck-Lexikon, das wir im Folgenden wiedergeben:
--------------------------------
Einer der frühen Lehrer des Gymnasiums Borbeck hat es im Verlauf seiner Karriere bis zum Professor und zum Mitglied des Deutschen Reichstages gebracht. Es handelt sich um Dr. Albert Lauscher, der dem Borbecker Kollegium von 1904 bis 1908 als Religionslehrer angehörte. Während seiner Zeit am Gymnasium Borbeck wohnte der wissenschaftliche Hilfslehrer und nachmalige Oberlehrer Dr. Albert Lauscher laut Borbecker Adressbuch von 1905 in der Friedensstraße 14 (heute: Hülsmannstraße).
Geboren wurde Dr. Lauscher am 18. Februar 1872 als Sohn des Fuhrmanns und Landwirts Mathias Hubert Lauscher und seiner Ehefrau Anna Catharina, geborene Schröder, in Roetgen (im „Tor zur Eifel“) bei Aachen. Nach Volksschule und Besuch des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums in Aachen (1887-1893) studierte er Theologie in Bonn, absolvierte das Priesterseminar und wurde am 10. August 1897 in Köln zum Priester geweiht. Danach wirkte er ab dem 28. August 1897 als Kaplan an St. Gertrud in Essen und vom 27. März 1900 bis 1904 an St. Gereon in Köln. 1902 wurde er in Münster mit einer Arbeit über den Kölner Erzbischof Bruno II. (1132-1137) zum Dr. theol. promoviert.
Vom 22. August 1904 bis 1908 war er – wie eingangs erwähnt – als Religionslehrer am Gymnasium Borbeck und vom 1. Oktober 1908 bis 1917 am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Köln tätig. Am 3. Mai 1917 wurde Dr. Lauscher zum Professor für Moraltheologie und Homiletik an der Universität Bonn berufen. Ein Jahr später, nach Kriegsende, verzichtete er auf die Weiterführung der akademischen Laufbahn und wechselte als Mitglied der Zentrumspartei in die Politik. In der Schul- und Kulturpolitik fand Dr. Lauscher sein politisches Betätigungsfeld.
Prof. Lauscher war Mitarbeiter von Fachzeitschriften und verfasste mehrere Bücher und Aufsätze: Friedrich. Nietzsche. Kritische Studien (1920), Die katholisch-theologische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818-1918 (1920) und der Akademiker und die neue Zeit (1922). In der Festschrift zum 10-jährigen Bestehen der Weimarer Republik (Titel „Nationale Arbeit. Das Zentrum und sein Wirken in der deutschen Republik“ (1929), erschien ein Beitrag von Lauscher mit dem Titel „Die Arbeit an der Weimarer Verfassung“. Darin kritisierte er die Novemberunruhen des Jahres 1918 in aller Schärfe. Es gebe in der geltenden christlichen Staatsphilosophie kein Recht des gewaltsamen Umsturzes. Gleichzeitig sprach er sich für die Nationalversammlung aus. Sie müsse kommen, weil es ohne sie keinen Frieden nach außen gebe und ohne sie kein Zustand denkbar sei, der die friedliche Entfaltung des Volkes, ein neues Deutschland sichere. Diese politische Position war sicher ein Grund dafür, dass Dr. Lauscher als Redner beim ersten Katholikentag nach dem Krieg auftrat, der im September 1920 im Zeichen der „Sammlung und Heerschau nach den Erschütterungen des Krieges und der Revolution“ in Essen stattfand (vgl. Beckmann).
Für das Zentrum saß Dr. Lauscher vom 26. Januar 1919 bis 1921 in der Preußischen Verfassungsgebenden Versammlung und danach bis 1933 im Preußischen Landtag. Als Abgeordneter der 62-köpfigen Fraktion der Zentrumspartei gehörte er vom 6. Juni 1920 bis Mai 1924 dem Deutschen Reichstag an. In allen Gremien machte er sich als schulpolitischer Experte einen Namen. Er gehörte zu den wenigen Abgeordneten seiner Partei, die bereit waren, weltliche Schulen anzuerkennen. Als kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion forderte in der Sitzung der Reichstagsfraktion des Zentrum am 21. Oktober 1920, die Partei müsse aus Gründen der Gerechtigkeit, der Gewissensfreiheit und des Elternrechts die Möglichkeit einräumen, weltliche Schulen einzurichten, so wie die Partei dies für die Bekenntnisschule fordere. Dr. Lauscher galt seinerzeit als führender Experte für die Schulpolitik Preußen. Davon zeugen seine Artikel „Schulpolitik in Preußen“ (In: Schule und Erziehung 13/1925) und „Der Preußische Staat und die höheren Schulen“ (In: Kommunalpolitische Blätter 19/1928).
Bbr. Dr. Albert Lauscher, Bild aus: Nationale Arbeit. Das Zentrum und sein Wirken in der deutschen Republik, hg. von Karl Anton Schulte, Wilhelm Andermann Verlag, Berlin W 15 und Leipzig, Verlag Carl Behrendt, Essen, 1929
Als Berater des damaligen Nuntius Eugenio Pacelli (der spätere Papst Pius XII.) wirkte Dr. Lauscher 1929 an der Formulierung des Konkordats zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl mit, das den Interessen von Staat und Kirche gleichermaßen entgegenkam und das Ende der Kulturkampfzeit signalisierte. Zu diesem Zeitpunkt stand er innerparteilich im Schatten des damaligen Fraktionsführers Joseph Heß (1878-1932), mit dem er in politischen Fragen nicht immer überein ging. Im Unterschied zu Dr. Lauscher war für Joseph Heß, der am 11. Mai 1930 einstimmig zum Parteivorsitzenden des Zentrums gewählt wurde, die uneingeschränkte politische Unabhängigkeit der Partei das oberste Ziel aller Zentrumspolitik. Joseph Heß war ein entschiedener Republikaner, der auch von den Sozialdemokraten wertgeschätzt wurde. Nach seinem plötzlichen Tod im Frühjahr 1932 übernahm Dr. Lauscher den Parteivorsitz. Als am 20. Juli 1932 Reichskanzler v. Papen mit einer Notverordnung von Reichspräsident Hindenburg die geschäftsführende Regierung Braun in Preußen absetzte, stieß er bei SPD und Zentrum auf wenig Widerstand.
Als Vorsitzender des Zentrums versuchte Dr. Lauscher die durch den „Preußenschlag“ ausgelöste innenpolitische Krise durch Verhandlungen mit den Nationalsozialisten zu beenden. Sein Vorgehen stieß innerhalb der Zentrumsfraktion und auch in der SPD auf erheblichen Widerstand. Man warf Dr. Lauscher vor, mit der Annäherung an die Nationalsozialisten mit alten Grundsätzen des Zentrums, wie sie sein Vorgänger ohne Wenn und Aber vertreten hatte, gebrochen zu haben. Wie viele andere glaubte Dr. Lauscher, Adolf Hitler und seine Partei politisch „zähmen“ zu können. Er gehörte zu den einflussreichen katholischen Befürwortern des „Reichskonkordats“, durch das von Papen den deutschen Katholizismus mit dem „Dritten Reich“ aussöhnen wollte.
Spätestens mit dem Ermächtigungsgesetz vom März 1933, der Auflösung der Zentrums Anfang Juli 1933 und der Unterzeichnung des Reichskonkordats Mitte Juli 1933 erwies sich der Weg der „Zähmung“ und „Versöhnung“ als Irrweg. Dr. Lauscher selbst wurde 1933 in den Ruhestand versetzt und im Juli 1934 von den Nationalsozialisten zwangsemeritiert. Für den „Priesterpolitiker“ bedeutete dies das Ende seiner akademischen und politischen Laufbahn. (vgl. Gregor Brand).
Nach der Auflösung des Zentrums gehörte Prof. Lauscher eine Zeitlang dem sogenannten „Rhöndorfer Exil“ an, indem sich ehemalige Zentrumspolitiker aus Bonn und Bad Godesberg zusammengefunden hatten. Zu diesem Kreis gehörte neben dem früheren Reichskanzler Wilhelm Marx auch Konrad Adenauer, zu dem Dr. Lauscher neben der politischen auch eine freundschaftliche Beziehung pflegte, wie sein persönlicher Brief an Adenauer am 27. Dezember 1943, wenige Monate vor seinem Tod, zum Ausdruck bringt: „(…) Es wäre in der Tat sehr schön, wenn wir recht bald wieder ein Stündchen beisammen sein könnten. Ganz ohne Stärkung braucht es darum doch nicht zu abzugehen: eine Tasse Kaffee mit Butter und Brot, vielleicht sogar mit einem Stück Kuchen, bleibt durchaus im Rahmen der Kriegslage und unserer Möglichkeiten. … So hoffen wir also auf ein baldiges Wiedersehen, und wir freuen uns darauf. Und nun nochmals unsere allerbesten Wünsche für 1944. Gebe Gott, dass es Ihre drei Söhne glücklich heimführe. (…)“. (vgl. Mensing).
Zu Lebzeiten erfuhr Dr. Lauscher einige Ehrungen. Am 1. August 1928 wurde er zum Päpstlichen Hausprälaten und am 22. Januar 1931 zum Ehrendomherrn in Köln ernannt. Er starb am 23. Mai 1944 in Bonn.
Franz Josef Gründges
Quellen:
Personalkarte aus dem Bestand des Historischen Archivs des Erzbistums Köln.
Christof Beckmann: Neu im Archiv: Fotos aus St. Dionysius und der Zufall. In: Borbecker Beiträge 2/1995, S. 77.
Christof Beckmann: Mehr zu … Dr. Albert Lauscher. In: Borbecker Beiträge 3/1995, S. 108.
Hans Peter Mensing: Einige Ergänzungen zur Dokumentation „Adenauer im Dritten Reich“, 1991.
Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland: Sozialismus-Katholische Soziallehre-Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch. Hrsg. von Helga Grebing. Essen, Klartext Verlag 2000.
Georg May: Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, Bd. 2, Amsterdam, Verlag B.R. Grüner, 1982 (darin ein Kapitel über Dr. Lauscher).
Gregor Brand: Albert Lauscher. Priester, Lehrer und Politiker aus Roetgen. In: Kinder der Eifel. Hrsg. von Hermann Simon. Norderstedt, BoD-Books on Demand, 2018.
Stephan Eisel: Konrad Adenauer und Bonn. In: Historisch-Politische Mitteilungen, hrsg. von Thomas Brechenmacher u.a.. Archiv für Christlich-Demokratische Politik 24 (2017).
Andreas Burtscheidt: Albert Lauscher. Katholischer Theologie (1872-1944). http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten (Portal Rheinische Geschichte).
Herbert Hömig: Joseph Heß (1878-1932). Ein Staatsmann aus dem Unitas-Verband. In: Unitas 1994, Nr.5, 136-138.
Ulrich Schuppener: In Roetgen geboren – acht Prominenten-Porträts (2013).
In Essen tätige Bundesbrüder: (v.l.) Der spätere Kölner Erzbischof Antonius Kardinal Fischer (1840-1912), Prälat Joseph Prill (1852-1935), Prälat Prof. Albert Lauscher MdR (Zentrum).
- Seit 1864 wirkte der aus Jülich stammende Kölner Erzbischof Antonius Fischer, seit 1860 Mitglied bei Unitas-Salia Bonn und als 1903 als erster Unitarier mit der Kardinalswürde ausgezeichnet, als Religionslehrer am Königlichen Gymnasium in Essen. Ab 1869 war er auch Hausgeistlicher bei den Essener Augustiner-Chorfrauen (B.M.V.) und den Barmherzigen Schwestern zur Hl. Elisabeth.
- Bevor er nach 25 Jahren als Weihbischof nach Köln berufen wurde, entstand in der Stadt eine wichtige Zelle unitarischen Lebens: Im Dreikaiserjahr 1888, dem Todesjahr von Hermann Ludger Potthoff, ist Fischer in Essen mit Bbr. Josef Prill an der Gründung des ersten Unitas-Ortszirkels beteiligt – er benannte sich nach Potthoffs Heimat, dem heutigen Ortsteil Werden. Antonius Fischers Nachfolger am Burggymnasium, ebenfalls bei Unitas-Salia aktiv geworden, blieb 30 Jahre in der Stadt: Von 1898-1903 wirkte Prill als Herausgeber der Verbandszeitschrift, die unter seiner Schriftleitung in Essen den Namen „Unitas“ erhielt.
- 1906 kam mit Beschluss der 47. Generalversammlung eine neue UV-Keilzentrale in die Ruhrstadt, in der nun ein eifriger Zirkel wirkt – unter ihnen u.a. Bbr. Joseph Kuckhoff (1878-1944), erster Geschichtsschreiber des Unitas-Verbandes, später Professor und Reichstagsabgeordneter, wie Prill 1907-1916 am gleichen Gymnasium tätig.
- 1907 rief Kardinal Fischer Bbr. Dr. Peter Kreutzer, geboren 1866 in Büderich bei Neuß, als Pfarrer in die zweitgrößte Stadt des Erzbistums. Früh geprägt durch den Priester und Unitarier Dr. Ferdinand Rheinstädter, gehört Bbr. Kreutzer „zu den Unitariern, die am tiefsten und nachhaltigsten die Geschichte unseres Verbandes beeinflusst haben“ - so das Urteil der unitarischen Geschichtsschreibung, die ihn „als den zweiten Gründer des Verbandes“ bezeichnet. Er war im Sommer 1887 Senior der UNITAS-Salia, somit Vorortspräsident des Gesamtverbandes und leistete bei der außerordentlichen Generalversammlung am 21. September 1887 in Neuß einen entscheidenden Beitrag: Unterstützt von Hermann Ludger Potthoff, Ferdinand Rheinstädter und Joseph Prill sorgt Bbr. Kreutzer dafür, dass auch Nichttheologen in die bis dahin nur Theologen vorbehaltene Korporation aufgenommen werden können. Der am römische Germanicum geschulte kunstsinnige Arbeiterpriester setzte Maßstäbe in der großen Industriepfarre St. Johann Baptist in Essen-Altenessen. 1925 wurde er gegen seinen Willen Stadtdechant von Essen, das damals 370.000 Katholiken zählte. 150 Priester gaben ihm nach seinem Tod 1934 das letzte Geleit.
- 1912 übernahm der Essener Zirkel das Patronat der neuen Unitas-Gründung in Aachen – sie nannte sich nach der Stadt im Ruhrgebiet „Unitas Assindia“, 1920 wird mit dem Hamborner Oberbürgermeister Dr. Paul Mülhens (1875–1926) ein Unitarier erster Präsident des von 17 Stadtkreisen und 346 Gemeinden gegründeten Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk.
- Albert Lauscher (1872-1944), kam nach Abitur am Kaiser-Karls-Gymnasium Aachen 1893, dem Theologiestudium in Bonn, Priesterseminar 1896 und Priesterweihe 1897 in Köln, zunächst als Kaplan an St. Gertrud in Essen, war 1900-1904 Kaplan in St. Gereon Köln und wurde 1902 in Münster zum Dr. theol. promoviert. 1904-1908 war Albert Lauscher erneut im Industrierevier als Religionslehrer am Gymnasium Borbeck (ab 1915 Teil von Essen). Offensichtlich blieb er auch in seiner anschließenden Tätigkeit am Gymnasium in Köln seiner früheren Borbecker Pfarre St. Dionysius und deren Geistlichkeit lange verbunden: In der Zeitschrift für Christliche Kunst (XII. Jahrgang, Heft 7, München 1915/16 – der herausgebenden „Vereinigung zur Förderung der Zeitschrift für christliche Kunst“ gehörte auch Religions- und Oberlehrer Bbr. Prill in Essen an) veröffentlichte Lauscher seine Arbeit „Der neue Hochaltar der Pfarrkirche zum hl. Dionysius in Essen-Borbeck. - in: Die christliche Kunst. Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst und der Kunstwissenschaft, sowie für das gesamte Kunstleben. 12. Jahrgang. 7. Heft; S. 189-200. Ab 1917 war Lauscher Professor in Bonn, im Preußischen Landtag, Mitglied des Reichstags und 1932 Chef der Zentrums-Fraktion. 1928 wurde er zum Unitas-Ehrenmitglied ernannt.
CB
Im Alter von 94 Jahren verstarb am 28. April 2005 in München Bbr. StR a.D. Dr. Franz Lenze aus Attendorn. Der langjährige frühere CDU-Bundestagsabgeordnete hatte die letzten Jahre in Ottobrunn in der Nähe seiner Kinder verbracht.
Franz Lenze, geboren am 13.10.1910 in Balve/Kreis Arnsberg, hatte sich 1930-1933 während seines Studiums der Alten Sprachen, der Germanistik und Philosophie an der Universität Münster am 11. Mai 1931 der UNITAS Ruhrania Münster (M5) angeschlossen. Von 1935-1937 war er als Studienreferendar in Rheine und Dortmund tätig. Der junge Studienassessor kam nach seinem Studium in den Kreis Olpe und wurde 1939 Leiter des Schülerheims Collegiums Bernardinum in Attendorn. 1939 zum Wehrdienst eingezogen, wurde er 1940 uk-gestellt. 1942 wieder eingezogen, zweimal verwundet und 1943 zum Studienrat ernannt, kam er 1945 in Kriegsgefangenschaft.
Christdemokrat der ersten Stunde
Zum Januar 1946 ließ er sich bei der UNITAS Ruhrania philistrieren und nahm seine Tätigkeit als Studienrat in Attendorn wieder auf. Im gleichen Jahr trat er der CDU bei und übernahm die Leitung der Jungen Union (JU) des Kreises Olpe. 1949 Kreisvorsitzender, wurde er in den Kreistag des Kreises Olpe gewählt, war ab 1950 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Olpe (seit 1970 dessen Ehrenvorsitzender), 1951 Bezirksvorsitzender der CDU des Sauer- und Siegerlandes (bis 1968), Mitglied des Landesvorstandes Westfalen und 1953 Hauptvorstandsmitglied der Kommunalpolitischen Vereinigung NRW.
In einer Würdigung der CDU im Kreis Olpe äußerte der CDU-Kreisvorsitzende Theo Kruse: „Die CDU im Kreis Olpe trauert. Mit Franz Lenze verlieren wir einen großen Christdemokraten der ersten Stunde. Franz Lenze hat Großes geleistet beim Aufbau der CDU in Attendorn und im Kreis Olpe.“
Ab 1953 hatte Bbr. Lenze den damaligen Wahlkreis 121 (Meschede-Olpe, ab 1965: Olpe-Meschede) als Abgeordneter der CDU 19 Jahre lang, von der 2. bis zur 6. Legislaturperiode, im Deutschen Bundestag vertreten. Von 1961 bis 1972 gehörte Franz Lenze zugleich als Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der West-Europäischen Union an.
CB
Heiligjahr-Priester: Bbr. Norbert Linden
Bbr. Norbert Linden, geboren 1969 in Essen, entschied sich nach dem abgeschlossenen Studium der Meterologie dazu, nicht nur Fragen nach der Beschaffenheit der Welt nachzugehen. Er nahm das Studium der Theologie auf und wurde gemeinsam mit Bbr. Helmut Wiechmann am 9. Juni im Heiligen Jahr 2000 in der Münsterkirche zu Essen zum Priester geweiht. Anschließend war er bis Ende August 2000 Kaplan zur Aushilfe an der Pfarrgemeinde Hl. Familie in Bochum-Weitmar und ab September 2000 bis Ende Mai 2004 Kaplan an der Propstei St. Ludgerus in Essen-Werden. Zum 1. Juni 2004 kam er aus dem Süden der Stadt als Vikar nach St. Dionysius Essen-Borbeck. Dort leitete er nach der Ernennung von Pfarrer Otmar Vieth zum Dompropst bis zum Pfarrerwechsel zu Dr. Jürgen Cleve bis Ende Mai 2005 die Borbecker Mutterpfarre und St. Maria Immaculata als Vicarius oeconomus. Zum 1. Mai 2008 ernannte ihn Bischof Felix Genn zum Pastor von St. Ludgerus in Bottrop.
Unitas-Ehrenmitglied 2007
Mit seiner Versetzung endete für Bundesbruder Norbert Linden auch ein knapp vierjähriges starkes Engagement in der Jugendarbeit und als Präses der Kolpingsfamilie Borbeck. Der wissenschaftlich geprägte Naturfreund und ausdauernde Fahrradsportler beeindruckte hier durch seine Erzählungen von ausgedehnten einsamen Wanderreisen in Sibirien ebenso wie durch seinen offenen und Einsatz für die Menschen, denen er hier begegnete. Aus seiner Zeit blieben nicht nur die von ihm angeregten und organisierten gemeinsamen Wallfahrten mit der Pfarrgemeinde St. Ludgerus Essen-Werden in Erinnerung. Denn in den intensiven Begegnungen im Rahmen des Weltjugendtages 2005 und bei mehreren geistlichen Gesprächsabenden mit der Aktivitas zeigte er auch seine Verbundenheit zur Unitas Ruhrania. Sie hatte 2004 ihr Haus an der Flurstraße bezogen und nahm 2006 die Bauarbeiten im „Feldschlößchen“ auf. Für seine Verdienste um die Beheimatung des frisch in der Pfarrgemeinde aktiven Vereins verlieh sie ihm im Mai 2007 im Rahmen ihrer ersten Europa-Kneipe die Ehrenmitgliedschaft – gemeinsam mit Bbr. Norbert Breiderhoff. Bei der von Bbr. Sebastian Sasse geleiteten Veranstaltung im Saal der KdStV Nordmark im CV nahm Unitas-Verbandsgeschäftsführer Bbr. Dieter Krüll die Aufnahme im ehemaligen Pfarrhaus von St. Immaculata persönlich vor. Bbr. Helmut Wiechmann hielt die Laudatio und der Essener Unitas-Zirkel-Vorsitzende Martin Gewiese überreichte die Ehrenurkunde.
Für Norbert Linden selbst führte der Weg nach vier Jahren in Bottrop in den Essener Norden. Am 10. Juni 2012 wurde er als Pfarrer in St. Nikolaus, Essen-Stoppenberg mit den Gemeinden St. Elisabeth, St. Joseph und St. Nikolaus eingeführt. Zum 01. Juni 2016 wurde er zum rector ecclesiae der Kapelle des St. Vincenz-Krankenhauses in Essen-Katernberg/Stoppenberg ernannt. Neben der Verantwortung für die mehr als 20.000 Katholiken in seiner eigenen Pfarre übernahm Norbert Linden als Pfarradministrator zum 17. Oktober 2016 auch die Verantwortung für die gut 13.500 Gläubigen der Pfarre St. Johann Baptist in Essen-Altenessen. Nachdem Dompropst Thomas Zander die Leitung von St. Johann Baptist übernahm, wurde Norbert Linden zum 30. September 2018 zunächst von seiner Beauftragung als Pfarradministrator der Pfarrei St. Johann Baptist in Essen entpflichtet. Auf dem Weg, eine neue Groß-Pfarrei Hl. Cosmas und Damian zu gründen, zwangen schwere gesundheitliche Gründe Norbert Linden zu einer Auszeit. Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck entsprach seiner Bitte, ihn von Amt und Aufgabe des Pfarrers von St. Nikolaus und der zukünftigen Aufgabenstellung zu entpflichten und ernannte ihn zum 10. April 2021 zum Pastor für die Pfarrei St. Josef in Essen-Frintrop. Dort unterstützt er im Zuge das Pastoralteam der Pfarrei an der Schlenterstraße in seinen Aufgaben.
Einer der ersten nach dem Krieg: Bbr. Franz-Josef Lux
Am 14. Juli 2010 verstarb nach langer schwerer Krankheit unser Bundes- und Vereinsbruder Franz-Josef Lux in Münster. Die Unitas verliert mit ihm einen herausragenden Unitarier, der sich besonders um die Ruhrania verdient gemacht hat.
Katholische Jugend in Schlesien
Franz-Josef Lux wurde am 11. April 1929 in Frankenberg/Schlesien geboren. Seit 1939 besuchte er das Gymnasium in Glatz und war Fahrschüler, der mit dem Zug von Wartha zum Gymnasium fahren musste. Er hatte mit seinem Schulfreund Elmar Bartsch in dem Wallfahrtsort Wartha eine lebendige katholische Jugendgruppe gegründet. In dieser geheimen Gruppe wurde entgegen den dort herrschenden „Adolf-Hitler-Schülern“ versucht, den katholischen Glauben aktiv zu leben und zu gestalten.
Nach den Wirren des Krieges verschlug es Franz-Josef Lux nach Münster, wo er im Juni 1949 bei der Unitas Ruhrania aktiv wurde, wenige Monate nach der Wiederbegründung. Helmut Führer erinnert sich in seiner Ruhranengeschichte, dass „Frajo“ Lux, so nannten ihn alle Ruhranen, die erste WS nach der Wiederbegründung gehalten hat, und zwar zum Thema `Todesstrafe - ja oder nein´. Sie beeindruckte damals alle nachhaltig. Zum 1. Januar 1953 wurde er philistriert.
Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalt
Nach Ablegung des juristischen Staatsexamens im Februar 1956 hatte sich Frajo Lux recht früh dem Sozialrecht verpflichtet gefühlt. Nach Stationen bei verschiedenen Sozialgerichten, zuletzt als Richter, kam er im April 1958 zur damaligen Landesversicherungsanstalt Westfalen als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Auf Grund seines umfangreichen Fachwissens wurde ihm bereits im Juli 1969 die Leitung der Rentenabteilung mit über 1.000 Mitarbeitern übertragen. Als Abteilungsleiter vertrat er die damalige Landesversicherungsanstalt Westfalen auf Verbandsebene in den Fachausschüssen Rente und Versicherung. Ebenfalls war er für die Ausbildung der Sozialversicherungsfachangestellten und die Inspektorenanwärter zuständig, deren Qualifizierung ihm stets sehr am Herzen lag. Seine Wahl zum Geschäftsführer der damaligen Landesversicherungsanstalt Westfalen erfolgte im Mai 1981. Hier war er bis zu seiner Pensionierung im April 1991 verantwortlich für die Vermögensabteilung, die Abteilung Krankenversicherung, den Ärztlichen Dienst und die eigenen Kliniken der jetzigen Deutschen Rentenversicherung.
Unitarisch gesinnt und aktiv
In den 1960-er Jahren war Frajo Lux regelmäßig bei den Veranstaltungen der Unitas Ruhrania, wo die damals große Aktivitas immer einen väterlichen Bundesbruder erlebte, der ein offenes Ohr für jeden einzelnen hatte und manchen guten Rat gegeben hat. Er war stets um Ausgleich bemüht, analysierte die jeweilige Situation haarscharf und traf stets ein abgewogenes wohlüberlegtes Urteil.
Als im Jahre 1981 die Aktivitas der Ruhrania sich auflöste, blieb aber der Altherrenverein der Unitas Ruhrania mit einem neuen Vorstand bestehen, den Frajo Lux durch Rat und Tat unterstützte. Er war regelmäßig bei den Ruhranentreffen in Sprakel dabei und war maßgeblich bei der Wiederbegründung der Aktivitas im Ruhrgebiet im Jahre 1991 beteiligt. Er gehörte zu den Befürwortern - trotz einiger begründeter Bedenken. Seine aus Sachkenntnis und aus Weitsicht geprägte Einschätzung und seine stets noble Haltung profilierten ihn zu einem glaubwürdigen und überzeugenden Ruhranen.
Der Erwerb des neuen Unitas-Hauses „Feldschlösschen“ an der Flurstraße in Essen hat er wegen seiner großen Bedenken nicht mit vollem Herzen mittragen können, obwohl er der Aktivitas immer aus Überzeugung eine solche Heimat wünschte. In den letzten Jahren konnte er dann leider aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aktiv an den Veranstaltungen teilnehmen.
Jörg Lahme, Rheine
Gelebte amicitia: Bbr. Dr. Carl-Heinz „Alba“ Lohmann
Er war ein Bundesbruder, der an Treue nicht leicht zu übertreffen war: Abteilungsdirektor i.R. Dr. Carl-Heinz Lohmann hat unser Prinzip „amicitia“, der Freundschaft für das ganze Leben, vorgelebt. Geboren am 13. Juni 1928, schloss er sich im SS 1948 in Bamberg der soeben wiederbegründeten UNITAS an. In seiner Heimatstadt Münster hatte er bereits Kontakte zur UNITAS Sugambria, sodass sein Eintritt in die Bamberger UNITAS für ihn fast nur eine Formsache war. Bald erhielt er auch seinen Biernamen Alba, unter dem er fortan bei seinen Bundesbrüdern bekannt war.
Ein Jahr später, wieder nach Münster zurückgekehrt, gehörte er in der Sugambria zu den Wiederbegründern der alten UNITAS Ruhrania. Nach Abschluss seines Jurastudiums, d.h. während seines juristischen Referendariats, zog es ihn ein Semester nach Würzburg, wo er bei unserem verehrten Bbr. Prof. von der Heydte promovierte. Hier in Würzburg verlebter er - neben seiner Promotionsarbeit - bei der UNITAS Hetania frohe Stunden an der fränkischen Alma Julia. Nach Ablegung des juristischen Assessor-Examens übernahm er 1957 eine Referenten-Stelle bei der LVA Rheinprovinz in Düsseldorf, wo bereits unser Bbr. Walter Keller tätig war. Nun konnte er endlich seine alte Liebe Helma aus Münsteraner Jugendtagen heiraten, die - wie damals üblich - viele Semester bereits „Couleur-Dame“ der Ruhrania war.
In Düsseldorf schloss er sich den Rheinfranken und dem AHZ an und war hier den Bundesbrüdern bis zu seinem Tod ein treuer Freund. Das Amt des Quästors im AHV bekleidete er über Jahrzehnte. Auch beruflich zeigte seine Karriereleiter nach oben, indem er nach einigen Jahren zum Abteilungsdirektor bei der LVA ernannt wurde.
Im UNITAS-Verband war Carl-Heinz Lohmann auch zuhause. General-Versammlungen und Altherrenbundstage sahen ihn bis in die 90er Jahre häufig als Teilnehmer und Interessenten für die Probleme des Verbandes. Zur UNITAS-Salia führten ihn und seine liebe Frau die legendären Salia-Reisen unseres unvergessen Bbr. Günther Fischbach, die in den Jahrzehnten zwischen 1970-97 halb Europa zum Ziel hatten. Unser Bundesbruder war regelmäßiger Teilnehmer und im Laufe der Jahre ein geschätztes Mitglied der Reisegesellschaft. Seiner Ruhrania, die Anfang der 1990er Jahre im Ruhrgebiet reaktiviert wurde, hielt er die Treue und war als stellvertretender Vorsitzender des 1991 in Bochum gegründeten Hausbauvereins eine große Stütze bei der Wiederbelebung des Vereins.
Am 8. März gab er sein Leben in die Hand seines Schöpfers zurück, am 14. März 2008 wurde er in Erkrath zu Grabe getragen. Aktive Bundesbrüder der UNITAS Rheinfranken und der UNITAS Ruhrania gaben ihm das letzte Geleit, der Geistliche Beirat des Verbandes, Bbr. Helmut Wiechmann aus Altena konzelebrierte das Auferstehungsamt. Jetzt trauern wir mit seiner Familie um ihn. Mit den Worten des von ihm verehrten Bischofs von Galen aus Münster denken wir an Carl-Heinz Lohmann, „dass jenseits der dunklen Todespforte ein herrliches Ziel uns winkt, eine nie endende Seligkeit im Hause unseres Vaters“.
Wir danken ihm in bleibender Freundschaft.
Theo Brunnbauer / Christof Beckmann
ESSEN. Die Unitas Ruhrania und die Ruhr-Unitas trauert um ihren Bundesbrüder Heinrich Loosen, der am Vormittag des 4. Oktober 2024, im 86. Lebensjahr in Essen-Dellwig gestorben ist. Mit seiner Frau Doris und seiner Familie, die ihn bis zuletzt begleiten konnte, sind seine Bundesbrüder herzlich verbunden.
Bbr. Heinrich Loosen, geboren am 22. August 1938, absolvierte nach dem Schulbesuch 1945-1953 eine dreijährige Handwerkerlehre und machte 1960 seine Fachhochschulreife im Fach Hochbau. Ab 1962 besuchte er die Staatliche Ingenieur-Schule für Bauwesen, heiratete am 17. Juni 1964 seine Frau Doris und begann 1966 seinen Beruf als Bauleiter. Von 1967-1972 gehörte er der bis dahin bestehenden Ingenieurverbindung I.C. Amicitia und ab 1978 der Technischen Verbindung Frisia-Breslau zu Essen an. Ursprünglich 1901 in Breslau gegründet, war sie 1973 als erste Verbindung an der Universität Essen/Gesamthochschule Universität Essen eingeschrieben worden und schloss sich dem Schwarzburgbund an. Heinrich wirkte aktiv in der Altherrenschaft der St.V. Frisia-Breslau mit und die Aktivitas siedelte sich in seinem Wohnort Essen-Borbeck an, doch musste sie sich 2002 wegen Nachwuchsmangel vertagen.
Heinrich Loosen, der 2006 seine 40-jährige Tätigkeit als Bauleiter abschloss und in den Ruhestand wechselte, kam in dieser Zeit über alte unitarische Freunde aus der DPSG-Pfadfinderschaft in Kontakt zu der kurz zuvor von Bochum nach Essen gewechselten Unitas Ruhrania. Ihr 2004 im Stadtteil Borbeck erworbenes Haus sollte seine neue Heimat werden: Er legte sein grün-weiß-goldenes Band ab, leistete am 31. Januar 2009 gerne seinen Eid auf die Prinzipien der Unitas, wurde Mitglied in der Altherrenschaft, im Essener Unitas-Zirkel und zeigte sich bald omnipräsent.
Hier machte sich der pensionierte Bauingenieur und begeisterte Verbindungsmensch unter den Ruhranen schnell als „Doktor Faustus“ bekannt – ein Biername, der mehr als treffend wurde: Denn durch ihn war Altmeister Johann Wolfgang von Goethe bei jeder Veranstaltung leibhaftig präsent. Heinrichs große Leidenschaft für Goethes Welt und Dichtung - seit 2003 war er Mitglied der Goethe-Gesellschaft in Weimar und Mitglied der traditionsreichen Essener Goethe-Gesellschaft – stellte er mit einem stupenden Gedächtnis unter Beweis. Und viele haben in dieser Zeit eine Menge dazugelernt: Die mehrere Stunden dauernden beiden Teile des ab 1808 veröffentlichten „Faust“ memorierte er komplett auswendig und wusste immer eine passende Gelegenheit, einer versammelten Kneipcorona spätestens in ausgedehnten Inoffizen auch andere große Klassiker der Sturm- und Drangzeit, Balladen und andere Dichtungen der deutschen Romantik vorzutragen.
Er selbst blieb auch neben seiner für seinen Beruf eher untypischen Leidenschaft für die Literatur immer ein wissbegieriger und suchender Zeitgenosse: Zwischen zahllosen Großprojekten von Kohlebunkern über Brauereien und andere Bauten, die er zuletzt im Oberhausener Centro verantwortete, fand er immer Zeit für ausgedehnte und teils gefährliche Abenteuerreisen: So durchquerte der weitgereiste ehemalige Georgs-Pfadfinder alleine die einsame jemenitische Wüste, saß mit Taliban am Kamelmistfeuer, reiste durch Asien wie Bali und Myanmar, zog sich in Äthiopien in koptische Klöster zurück, war zweimal auf dem Berg Athos bei den Mönchen zu Gast und fünfmal zu Fuß über den Eispanzer von Grönland unterwegs.
Seine Lieblingsstrecke aber wurde der Weg nach Santiago de Compostela, das er mit einem übervoll gestempelten Pilgerpass gleich sechsmal erreichte: Auf den französischen und portugiesischen Pilgerstraßen des Mittelalters lief er mehr als 3.000 Kilometer und legte auf der spanischen „Via Argentina“ zuletzt noch mit deutlich über 70 Jahren in sieben Wochen weitere über 1.000 Kilometer zum Grab des Apostels Jakobus hin, erstmals auch von seiner Frau Doris begleitet.
Seine Reiselust zeigte sich in den folgenden Jahren jedoch zunehmend ausgebremst. Und das war ihm schmerzlich bewusst: Seine Steigeisen, Kletterseile und Rucksäcke brachte er aufs Unitas-Haus, wo sie bei den aktiven Bundesbrüdern Freunde fanden. Er übernahm zwar gerne noch einige Vorträge über Goethes Werke, zog sich aber immer mehr hinter Bücher und Staffelei zurück. Zuletzt zeigte ein dreiwöchiger Krankenhausaufenthalt, dass seine Lebenskraft schwand.
Als er auf seine wirklich letzte Reise ging, hörte er seinen von Mephistopheles versuchten Faust und versuchte, ihn wie früher mitzusprechen. Viele der informierten Bundesbrüder bekundeten ihre Anteilnahme und wünschten ihrem unseren unverwüstlichen Haudegen eine gute Sterbestunde. Und sie erinnerten nun auch an das Wort der drei Engel, die am Schluss von Faust II ihr Urteil über die unstete Seele des gelehrten Doktor Faust verkünden: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Möge dieses Schicksal nun nach seinem reichen erfüllten Pilgerleben auf dieser Erde auch unserem lieben „Faustus“ und Bundesbruder Heinrich Loosen beschieden sein. R.I.P.
Chef der LVM: Bbr. Karl-Adolf Loskant
Der Altherrenzirkel der UNITAS in Münster und die UNITAS Ruhrania Bochum-Essen-Dortmund trauern um Bbr. Karl-Adolf Loskant, der am 1. Februar 2006, drei Tage nach seinem 78. Geburtstag, gestorben ist.
Der gebürtige Stettiner begann am 1. April 1967 seine Tätigkeit im Vorstand des Landwirtschaftlichen Versicherungsvereins Münster – LVM. 1974 übernahm er dessen Vorsitz. Karl-Adolf Loskant sah sich nie als Manager, sondern immer als Weichensteller eines Versicherungsunternehmens. Als er 1992 in den Ruhestand ging, hatte sich der LVM unter seiner Führung zu einem wachstumsstarken Unternehmen entwickelt. Loskant war ein guter Nachdenker, ein wacher Mitdenker, ein mutiger Vordenker. Für sein vielfältiges, weit über seine beruflichen Tätigkeiten hinausgehendes ehrenamtliches Engagement in Münster wurde ihm das Bundesverdienstkreuz und die Paulusplakette des Bistums Münster verliehen.
Bbr. Loskant war aber auch ein Unitarier aus Überzeugung, aus dem christlichen Glauben heraus. Er hat sich mit großem Engagement und mit viel Energie für die UNITAS eingesetzt. Unermüdlich hat er in den schweren Nachkriegsjahren das Wiedererstarken der UNITAS in Münster und der UNITAS Ruhrania vorangetrieben, der er sich 1948 angeschlossen hatte. Dem Altherrenzirkel der UNITAS in Münster, der UNITAS Ruhrania und dem UNITAS-Verband ist Karl-Adolf Loskant stets treu verbunden gewesen und hat die Veranstaltungen und Runden durch dem ihm eigenen Humor und Unterhaltungswert bereichert.
„Bbr. Karl-Adolf Loskant ist von uns gegangen und hat eine große Lücke hinterlassen – wir haben einen großen Unitarier verloren der sich um die UNITAS in Münster verdient gemacht hat. Viele Bundesbrüder haben nicht nur einen Bundesbruder verloren sondern einen wahren Freund, der aus ihrer Mitte gerufen wurde. Er wird in unser aller Erinnerung bleiben", unterstreicht Bbr. Hendrik Koors, der Vorsitzende des UNITAS-Zirkels Münster. Mit einer Ansprache am Grab haben er und drei Vertreter der UNITAS Winfridia sowie eine große Zahl von Bundesbrüdern des Münsteraner Zirkels am Donnerstag, 9. Februar 2006, von Bbr. Karl-Adolf Loskant Abschied genommen.
Der Mann bei Krupp: Bbr. Dr. Horst Dieter Marheineke
Bbr. Dr. h.c. Horst Dieter Marheineke vom UNITAS-Zirkel Essen wurde 1935 in Flensburg geboren. Der gelernte Jurist, in Kiel bei der UNITAS tom-Kyle aktiv geworden (SS 55), ging anschließend zu UNITAS Norica Innsbruck (WS 55-56), war bei UNITAS Paulus in Freiburg (SS 56 und WS 56-57 -Senior) und zuletzt wieder ab SS 57 in Kiel aktiv (hier im WS57-58 Senior). Die berufliche Laufbahn führte den Juristen aus der Landeshauptstadt Kiel über die Leitung der Abteilung Kiel des Olympischen Organisationskomitees München 1972 für die Olympischen Segelwettbewerbe zunächst zur Landesregierung Schleswig-Holstein. 1987 holte Berthold Beitz den Ministerialrat als heutigen Generalsekretär in den Vorstand der Essener Alfried Krupp-von Bohlen und Halbach-Stiftung.
Seit dem Beginn seines Ruhestandes 2001 engagiert sich Bundesbruder Marheineke in ehrenamtlichen Positionen. Stadt und Universität GreifswaId ist er durch seine Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Alfried Krupp-Kolleg Greifswald eng verbunden. Die Universität zeichnete ihn im 550. Jubiläumsjahr der Universitätsgründung am 7. Juli 2006 mit der Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät aus. Wie der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Heyo K. Kroemer, im Rahmen der Akademischen Feier im Greifswalder Dom St. Nikolai ausführte, ehrte die Greifswalder Alma Mater Horst Dieter Marheineke für seine Verdienste für die Wissenschaft, insbesondere für sein langjähriges persönliches Engagement für die Entwicklung der Medizinischen Fakultät
Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, bei ihrer Gründung 1967 Erbe des letzten Firmeneigentümers Alfried Krupp und damit Eigentümer des gesamten Krupp-Konzerns, ist heute größter Aktionär von Thyssen Krupp. Die Stiftung hat unter Führung ihres Kuratoriumsvorsitzenden und geschäftsführenden Vorstandsmitglieds, Prof. Dr. h. c. mult. Berthold Beitz, allein in Greifswald - überwiegend für die Universität und das neugebaute Alfried Krupp Wissenschaftszentrum - über 30 Millionen Euro aufgewendet und damit vielfältige Vorhaben der Universität gefördert. Das Bild der Stadt wird unter anderem durch den Neubau der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie sowie das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg im historischen Stadtzentrum sichtbar geprägt.
Dr. h.c. Horst Dieter Marheineke starb am 10. Februar 2024 in Essen.Gründervater, führender Moraltheologe und Politiker
Am 7. Februar 2011 jährte sich sein 150. Geburtstag: Der in seiner Zeit führende Moraltheologe und Parlamentarier, Doktorvater von Oswald von Nell-Breuning, gehört zu den großen Gestalten des UNITAS-Verbandes und wird in der Geschichtsschreibung des Verbandes in einem Atemzug mit Bbr. Franz Hitze und Bbr. P. Heinrich Pesch SJ genannt.
Bild oben: In Kirche, Pastorat und Straßenname ist das Andenken an den Dompropst Bbr. Joseph Mausbach in seinem Geburtsort Wipperfeld lebendig
Im Bergischen Land geboren
In seiner Heimat Wipperfeld bei Wipperfürth ist Mausbach nicht vergessen: Rund um die aus mächtigen Natursteinen errichtete Kirche des Ortes ist sein Andenken bis heute lebendig: Zur ihr und zum schieferverkleideten alten Pastoratsgebäude führt die „Prof. Mausbach-Straße“; das Straßenschild verzeichnet kurze biographische Angaben zum Namensgeber. Hier wurde Mausbach 1861 als Sohn des dortigen Bürgermeisters geboren und wusste schon als Kind, dass er Priester werden wollte. Er besuchte zunächst 1873-1878 das Pro-Gymnasium im nahen Wipperfürth und wechselte ab 1878 auf das Apostelgymnasium in Köln, wo er zwei Jahre später das Abitur ablegte.
Aktiv bei der UNITAS in Münster
Während seines Studiums der katholischen Theologie schloss er sich 1880/81 in Münster der „Unitas-Frisia“, dem ältesten örtlichen UNITAS-Verein an, dem Theologiestudenten und Geistliche angehörten. Hier gewann Mausbach nahen Kontakt zu Bbr. Prälat Franz Hülskamp, der den Verein 1859 mit Bundesbrüdern aus Bonn und Tübingen 1859 ins Leben gerufen hatte; als Mitbegründer der Deutschen Zentrumspartei war er maßgeblich an deren Wahlkämpfen beteiligt. Joseph Mausbach setzte ab 1883 sein Studium zunächst in Köln und seit dem Kulturkampf 1883 am Lyzeum in Eichstätt fort, wo er 1884 zum Priester geweiht wurde. Noch im selben Jahr übernahm er die Pfarrstelle an St. Gereon in Köln und erwarb während dieser Zeit 1888 mit einer Dissertation „Divi Thomae Aquinatis De voluntate et appetitu sensitivo doctrina“ in Münster den Doktor der Theologie.
Jung zum Professor berufen
1889 übernahm Mausbach eine Stelle als Religionslehrer am Gymnasium in Mönchengladbach, wo er sich im katholischen Vereinsleben betätigte und sich mit dem Sozialpolitiker Franz Hitze anfreundete, der seit seiner Studentenzeit ebenfalls der Unitas angehörte. 1892 berief Friedrich Theodor Althoff den erst 31-jährigen Mausbach auf eine Professur für Moraltheologie und Apologetik an der Akademie Münster, die 1903 zur Universität erhoben wurde. Hier war Mausbach 1899 an der Gründung des Collegium Marianum beteiligt, einer Bildungsstätte für Ordensfrauen und andere weibliche Studierende, und übernahm neben seinen akademischen Verpflichtungen Aufgaben in der Pädagogik, Seelsorge und Volksbildung. Hier war Mausbach unter anderem Präses der Marianischen Akademiker-Kongregation von Münster und Vorstandsmitglied der Görres-Gesellschaft.
Für das Zentrum in der Nationalversammlung
Den 1912 zum Päpstlichen Hausprälaten ernannten jungen Professor lockte vor allem die politische Arbeit in der Zentrumspartei, für deren Arbeit er unablässig warb. Von 1915 bis 1920 leitete er den „Ausschuss zur Verteidigung deutscher und katholischer Interessen“, der sich insbesondere gegen die antideutsche französische Agitation innerhalb der Weltkirche richtete. In der Kirche von Münster übernahm er 1918 das Amt des Dompropstes.
Die Katastrophe des gerade beendeten Krieges sah als Niederlage im Feld, als Staatsumsturz und als entscheidende Machtsteigerung der Sozialdemokraten. Dies führte den Priester auch in die politische Arena: Er war 1919 für den Wahlkreis 17 (Regierungsbezirk Münster-Minden-Lippe) als Mitglied der Weimarer Nationalversammlung im Ausschuss zur Vorberatung des Entwurfs einer Verfassung für das Deutsche Reich tätig. In vertraulichen Beratungen mit Adolf Gröber, Peter Spahn, Friedrich Naumann und Bbr. Franz Hitze erreichte der Zentrumsabgeordnete hier die schwierige Verständigung über die Religion und Religionsgesellschaften, Bildung und Schule betreffenden Artikel der Weimarer Verfassung (§§ 135-149). Seine kulturpolitischen Vorstellungen brachte er auch auf der Reichsschulkonferenz von 1920 und bei der Begründung des Instituts für wissenschaftliche Pädagogik in Münster 1922 ein.
Beitrag zum Verhältnis von Kirche und Staat
Nach 1919 nahm Joseph Mausbach kein Reichstagsmandat mehr an und blieb trotz zweier an ihn ergangener Rufe als Professor in Münster. Als Moraltheologe und Vertreter der katholischen Soziallehre leistete er einen wesentlichen Beitrag zur Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Katholischer Kirche und Republik, vor allem in Fragen der Sozialpolitik und Schulpolitik. Der beliebte Professor erlebte den rasanten Aufschwung seiner Hochschule intensiv mit.Zwischen 1918 und 1920 veröffentlichte er sein Handbuch der Moraltheologie, dessen Reformvorschläge fast ein halbes Jahrhundert richtungsweisend für das Fach blieben. Dabei suchte die Anlehnung an die Kirchenväter, Thomas von Aquin und die nachtridentinische Lehre, versuchte aber auch auf die philosophischen und zeitgeschichtlichen Herausforderungen der „modernen“ und protestantischen Ethik zu antworten. Vor allem widersprach er der Entleerung eines transzendent aufgefassten Sittengesetzes durch eine empirische oder biologische Ethik.
Fast 100 Aufsätze und Artikel aus seiner Feder erschienen in Zeitschriften und Zeitungen wie Hochland, Theologische Revue, Der Katholik, Kölnische Volkszeitung oder Germania. Weitere Beiträge finden sich in Lexika, Sammelbänden und Festschriften, er hielt Reden auf den Katholikentagen und auf den Tagungen der Görres-Gesellschaft. Damit geht die Bedeutung von Bbr. Mausbach und seinem umfangreichen Œuvre weit über den engeren wissenschafts- und theologiegeschichtlichen Bereich hinaus: Er war ein öffentlich und publizistisch beachteter Repräsentant des politischen Katholizismus in Deutschland. Knapp siebzigjährig verstarb Dompropst Joseph Mausbach im Lehrbetrieb des Wintersemesters 1930/31, dem letzten vor seinem Ruhestand.
CB
Bbr. Matthias Mertens – mit Karl Leisner im KZ Dachau
(1906-1970), Immatrikulation im Sommersemester 1927 an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster, Freisemester 1929/30 an der Universität Bonn, Eintritt in die UNITAS-Salia Bonn, 1930 wieder in Münster und Mitglied bei UNITAS-Sugambria, Priesterweihe am 17. Dezember 1932 im Dom zu Münster, Primiz in der Pfarrkirche St. Michael Wachtendonk, Kaplan an St. Anna in Materborn (heute Kleve-Materborn), von NSDAP bespitzelt, 1935 in Sondergerichtsprozess in Düsseldorf wegen Verstoß gegen das „Heimtückegesetz“ angeklagt, freigesprochen.
Kaplan an der Pfarrei St. Josef in Sterkarde-Schmachtendorf (heute Oberhausen-Sterkrade), Anzeigen wegen „verbotener Vereinstätigkeit“ und „aggressiver Predigten“, 1941 Vernehmung bei der Gestapo-Leitstelle Düsseldorf, Verhaftung am 6. Januar 1942, zwei Monate Polizeigefängnis Oberhausen, Schutzhaftbefehl und Überführung in den Priesterblock des Konzentrationslagers Dachau, nach drei Jahren am 9. April 1945 entlassen, Rückkehr nach Wachtendonk, Empfang bei Bischof Clemens August Graf von Galen in Münster, wieder Kaplan in St. Josef in Sterkarde-Schmachtendorf, 1947 Lungentuberkulose als Folge der langen Haftzeit, stationäre Behandlung, 1948-1949 Spezialklinik in Arosa (Schweiz).
1948 mit der Seelsorge am Prosper-Hospital in Recklinghausen beauftragt, ab 1953 Spiritual und Prokurator der „Gaesdonk“ am Collegium Augustinianum, seinem alten Gymnasium, gestorben am 1. Februar 1970.
NEUENKIRCHEN / ESSEN. Am Dienstag, 16. Januar 2024, ist Bbr. Dr. Michael Mommert im Alter von 87 Jahren in Recklinghausen verstorben. Geboren am 27.10.1936 in Schurgast (Schlesien), hatte er sich während seines Studiums in Münster der Unitas Ruhrania angeschlossen, die 1958 den Verbandsvorort übernahm. 1961 bestand er sein Staatsexamen.
Der begeisterte Pädagoge war ab 1992 erster weltlicher Direktor des Arnold-Janssen-Gymnasiums der Steyler Missionare in Neuenkirchen/St. Arnold nahe Rheine. 1928 gegründet, bereitete es ursprünglich zukünftige Ordensleute auf ihre vielfältigen Dienste auf Missionsstationen in aller Welt vor. 1996 ging die Schule unter seiner Leitung mit ihren etwa 1000 Schülerinnen und Schülern in die Trägerschaft des Bistums Münster über, er selbst übergab seine Aufgabe im Jahr 2000 in die Hände seines Nachfolgers.
Seiner Unitas Ruhrania blieb Bbr. Mommert auch über das Studium hinaus - und trotz der Suspendierung der Aktivitas - über den Altherrenverein verbunden. Den Neuanfang in Essen und an den Ruhr-Universitäten verfolgte er aufmerksam und ganz praktisch, den Unitas Ruhrania-Studentenheim e.V. hat er zur neuen Beheimatung des Vereins großzügig unterstützt. R.I.P.
Der Lebensweg von Bundesbruder Eduard Müller war nicht vorzeichnet: Er wurde geboren am 20. August 1911 in Neumünster, kam aus armen Verhältnissen. Der Vater hatte die Familie mit sieben Kindern früh verlassen, die Mutter stammte aus dem katholischen Eichsfeld und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten als Waschfrau und Stundenhilfe durch.
Eduard war der jüngste, besucht den 1907 von Elisabethschwestern (Graue Schwestern) gegründeten katholischen Kindergarten in Neumünster, wird Messdiener und machte nach der Volksschule eine Lehre als Schreiner. In der Weltwirtschaftskrise wird er arbeitslos, engagiert sich stärker in der katholischen Jugendbewegung und schließt sich dem katholischen Gesellenverein Adolph Kolpings an. Er ist als Führer der Sturmschar, Gruppenleiter in der DJK-Sportjugend und auf vielen Fahrten mit der Pfarrjugend unterwegs.
1927 kommt Dr. Bernhard Schräder (Unitas Winfridia Münster, später Weihbischof in Schwerin) als Kaplan an die Gemeinde und fördert Müller. Er sammelt Geld bei Gemeindemitgliedern, um ihm ein Studium zu ermöglichen. Den Wunsch, Priester zu werden, muss Müller erst über den mühsamen Weg privater Lateinstunden und Spätberufenenkonvikt verwirklichen: Um das Abitur zu erwerben, trat er mit 19 Jahren zunächst 1931 ins Studienheim St. Klemens in Belecke ein, das Juvenat des Clemensheimes in Bad Driburg. Zum 20.03.1932 zog Müller ins Clementinum Bad Driburg um und litt dort schwer unter seiner Armut: Für Schulgeld, Wohnung und Beköstigung muss er sich verschulden und geht seinem Rektor aus dem Weg, da er dauernd Rückstände hat.
Auf dem „zweiten Bildungsweg“ zum Studium
Doch aus Neumünster fördert ihn Kaplan und Bundesbruder Bernhard Schräder weiter, besorgt Geldgeber für seine Schulbildung. Eduard Müller schafft das Abitur durch Überspringen einer Klasse statt in sechs in gut vier Jahren. Zu Ostern 1935 besteht Müller mit 25 Mitschülern die Reifeprüfung vor der Prüfungskommission des Gymnasium Paulinum in Münster, mit dem das Clementinum damals kooperierte mit Gesamtnote Gut. Im April 1935 wird Müller an der Universität Münster zum Theologiestudium immatrikuliert. Er kommt dort mit der Unitas in Kontakt, doch bleiben ihm nur wenige Jahre: 1938 wird der Unitas-Verband durch die Gestapo als staatsfeindliche Organisation verboten.
Seiner Gemeinde bleibt er verbunden: In den Semesterferien 1936 bis 1939 unternimmt Müller lange Reisen mit Jugendlichen aus der Neumünsteraner Pfarrgemeinde und ist begeisterter Fotograph. Die erste Fahrt führt als Radtour 2400 km durch Westdeutschland, 1937 geht es in den Sommerferien per Anhalter nach Rom, 1938 nach Jugoslawien und 1939 über Rom bis nach Libyen.
Nach dem Studienabschluss tritt Eduard Müller ins Priesterseminar Osnabrück ein und wird am 25. Juli 1940 von Bischof Dr. Wilhelm Berning im Dom zu Osnabrück zum Priester geweiht. Am 28. Juli 1940 fährt er zur Heimatprimiz in Neumünster, wo ihm die arme Gemeinde einen Kelch und zwei Messgewänder schenkt. Noch im gleichen Jahr kommt er nach Lübeck. Hier tritt er am 19. September 1940 gemeinsam mit Johannes Prassek (32, Vikar) und Hermann Lange (31, Kaplan) seinen Dienst an der Herz-Jesu-Kirche an.
Bbr. Eduard Müller – beliebter Seelsorger
Müller ist „Adjunkt", so der Titel des im Range dritten Vikars einer Pfarrei. Pfarrer Dr. Msgr. Albert Bültel, ebenfalls Bundesbruder aus der Unitas Sugambria und pastor primarius in Lübeck, fördert ihn sehr. Kirchliche Vereinsarbeit ist unter den Nationalsozialisten verboten, doch betreut die Kolpinggruppe, vor allem aber mehrere Kinder- und Jugendgruppen in sogenannten „Glaubensstunden". Weil mit der Gestapo immer zu rechnen ist, steht immer ein Diaprojektor mit Bildern seiner Romreise bereit, um einen harmlosen Reisebericht vorzuspielen. Mit seinen Mitbrüdern sorgt er sich bei Luftalarm um die Überbringung der Kranken aus dem gegenüberliegenden Marienhaus in den Luftschutzkeller. Besonders bei der Jugend und bei den einfachen Leuten war Müller beliebt. Er legte praktisch mit Hand an, wenn ein Handwerker gebraucht wurde. Seine erfolgreiche Jugendarbeit veranlasste sogar die HJ, die Hitlerjugend, ihn um Mitarbeit zu bitten und ihn anzuwerben. Er aber blieb bei seiner Gemeindejugend.
Müller sah sich als „Soldat“ des „Königs“ Christus. In einem Brief an den Bischof schrieb er kurz vor der Hinrichtung: „Knapp zwei Jahre durfte ich als Priester ihrer Diözese helfen am Aufbau des Reiches Gottes. Und wenn ich an Gottes Thron stehen darf, dann werde ich auch dort helfen am Aufbau des Reiches Gottes in unserem lieben Vaterland und besonders in unserer Diözese.“
Der junge Priester hatte keine politischen Ambitionen. Er war sich aber im Klaren, dass Nationalsozialismus und Christentum unvereinbar waren. Wie bei Bbr. Johannes Prassek konnte ihm die Anklage keine öffentliche Kritik an der NS-Herrschaft vorwerfen. Trotzdem wurde er am 22. Juni 1942 festgenommen und zum Tode verurteilt.
1942/43: Prozess vor dem Volksgerichtshof
Der Prozess gegen die vier Geistlichen, Bundesbruder Kaplan Johannes Prassek (* 13.8. 1911 in Hamburg), Bundesbruder Adjunkt Eduard Müller (* 20.8. 1911 in Neumünster), gegen Vikar Hermann Lange (* 16.4. 1912 in Leer / Ostfriesland) und Pastor Karl Friedrich Stellbrink dauerte kaum zwei Tage (22./23. April). In der Anklage gegen die drei katholischen Geistlichen, die gemeinsam an der Lübecker Herz-Jesu-Kirche in der Seelsorge tätig waren, hieß es:
„Ihnen ist zur Last gelegt, seit 1940 oder Anfang 1941 ständig deutschsprachige Sendungen des feindlichen Rundfunks abgehört und verbreitet und dadurch die Feindpropaganda gefördert zu haben. Sie haben ferner seit Frühjahr oder Sommer 1941 auf Anordnung Ihrer vorgesetzten Kirchenbehörde regelmäßig Gruppenabende veranstaltet, die der religiösen Vertiefung der Teilnehmer dienen sollten und zu denen sich auf Einladung durch die Angeklagten überwiegend junge Männer einfanden, die zum Teil der Wehrmacht angehörten und die weitere Gäste einführten; sie sind weiter beschuldigt, auf diesen Gruppenabenden durch Hetze gegen den nationalsozialistischen Staat, und zwar auch durch Verteilung von Schriften, dem Kriegsfeind Vorschub geleistet und Vorbereitung zum Hochverrat begangen zu haben.“
Das Urteil des Volksgerichtshofes vom 23. April 1942 lautete:
„Im Namen des deutschen Volkes ... Die Angeklagten haben jeder Rundfunkverbrechen, landesverräterische Feindbegünstigung und Zersetzung der Wehrkraft begangen. Wer den Staat angreift, kämpft damit unmittelbar gegen die geschlossene und einige Gemeinschaft der Deutschen ... Die Angeklagten sind hartnäckige, fanatisierte und auch gänzlich unbelehrbare Hasser des nationalsozialistischen Staates. Für solche Verbrecher am Volksganzen wie die Angeklagten Prassek, Lange und Müller es sind, kann es nur die härteste Strafe geben, die das Gesetz zum Schutz des Volkes zulässt, die Todesstrafe!“
Von einem Gerichtsprozess konnte keine Rede sein. Das Urteil stand bereits vorher fest. Bbr. Eduard Lange wies im Prozess vor dem Volksgerichtshof alle Anschuldigungen von sich. Wahrscheinlich war er wirklich kaum an den Handlungen der anderen beteiligt. Nach der Urteilsverkündigung schrieb er:
„So habe ich die Erwartung und Hoffnung, dass ich in keinem Stück werde zuschanden werden, sondern dass in allem Freimut, wie immer, auch jetzt Christus an meinem Leibe verherrlicht werde, sei es durch Leben, sei es durch Tod. Denn für mich ist das Leben Christus und das Sterben Gewinn.“ Das Gebet lautete: „Herr, hier sind meine Hände. Lege darauf, was du willst. Nimm hinweg, was du willst. Führe mich, wohin du willst. In allem geschehe dein Wille.“ (vgl. unitas 1/2005)
Tod durch das Fallbeil
Wenige Tage nach der Gerichtsverhandlung wurden die vier Verurteilten in das Zuchthaus Hamburg-Holstenglacis verlegt. Die letzten Monate verbrachten sie in Einzelhaft, durften aber Besuche (u.a. von ihrem Bischof Wilhelm Berning) empfangen. Am Mittag des 10. November 1943 erhielten die Häftlinge Nachricht, dass ihre Hinrichtung am gleichen Abend sein werde. Die Notiz lautete: „Heute 18 Uhr Urteilsvollstreckung: Tod durch Enthauptung“.
Die Geistlichen schrieben Abschiedsbriefe, kurz vor 18 Uhr wurde die Häftlinge aus dem Gebet gerissen, und einer nach dem anderen gefesselt zum Schafott geführt und durch das Fallbeil hingerichtet. Im Abstand von drei Minuten sterben zuerst Eduard Müller (32), dann Hermann Lange (31), dann Johannes Prassek (31) und zuletzt Karl-Friedrich Stellbrink (49). Die Leichen von Hermann Lange und Karl Friedrich Stellbrink wurden im Ohlsdorfer Krematorium eingeäschert.
Auch die Abschiedsbriefe der Lübecker Märtyrer Johannes Prassek, Hermann Lange und Karl-Friedrich Stellbrink galten Jahrzehnte lang als verschollen oder vernichtet. Im November 2004 tauchten diese Briefe wieder auf. Der Lübecker Historiker Prof. Dr. Peter Voswinckel entdeckte eine ganze Reihe Märtyrer-Dokumente im Berliner Bundesarchiv. Sie waren nach dem Krieg in Archiven der DDR gelandet. Die gefundenen Texte lassen den Weg der Briefe jetzt nachzeichnen. Der Volksgerichtshof hatte die Auslieferung verboten. Grund waren die Bekenntnisse der Zuversicht, ja der Freude der Geistlichen vor ihrem Tod. „Mit diesen Bemerkungen haben die Verurteilten offenbar zum Ausdruck bringen wollen, dass sie sich bei Begehung ihrer Straftaten für eine gute Sache eingesetzt und ihr Leben als Märtyrer eingesetzt hätten", so der Volksgerichtshof.
Ehrungen
Am 9. November 2003, einen Tag vor dem 60. Todestag des Seelsorgers, wurde das katholische Gemeindehaus in Neumünster, wo Bbr. Müller geboren und aufgewachsen war, mit einer Gedenkfeier in „Eduard-Müller-Haus" benannt. Heute finden in dem Pfarrzentrum in der Linienstraße jährlich rund 150 überregionale Veranstaltungen statt. Am Gefängnis in Hamburg-Holstenglacis wurden Gedenktafeln für die vier Geistlichen angebracht und auf der Straße „Stolpersteine" gesetzt.
In Bad Driburg gibt es seit 2009 einen „Eduard-Müller-Weg“, der vom Clemensheim hinauf zur Waldkapelle führt. Damit ehrt die Stadt Kaplan Bbr. Eduard Müller, der von 1931 bis 1935 im dortigen Clementinum sein Abitur erworben hatte. Die clementinische Gemeinschaft hält das Andenken an ihren ehemaligen Schüler seit Jahrzehnten lebendig. Einen Eduard-Müller-Weg hat auch Lübeck-St.Lorenz, eine Eduard-Müller-Straße liegt in seiner Heimat Neumünster. n der Hamburger St. Ansgar-Gemeinde/Kleiner Michel wird die Erinnerung an die Märtyrer und Glaubenszeugen wachgehalten. Die Gefängniskirche in ihrer Hinrichtungsstätte erhielt im Gedenken an die vier Lübecker Geistlichen den Namen „Kapelle des 10. November“.
Am 25. Juni 2011 fand in Lübeck die Seligsprechung der Lübecker Kapläne statt - ein großes Ereignis für die Kirche im Norden, eine Verpflichtung auch für die UNITAS. Die Unitas Ruhrania ehrt ihn mit bildlichen Erinnerungen in ihrem Essener Studentenhaus, sein Portrait wurde im Rahmen einer Kunstaktion mit dem Künstler Mika Springwald auch an andere Unitas-Häuser verbreitet.
Quellen: Erzbistum Hamburg, Homepage Lübecker Märtyrer, Clementinum Paderborn
Der Kommunalpolitiker: Bbr. Friedrich-Wilhelm Müller
(* 5. Juli 1941), ab Juni 1961 aktiv bei UNITAS Ruhrania in Münster, anschließend bei UNITAS Bavaria in Würzburg und Mitglied im UNITAS-AHZ Bochum. Ehemaliger Ltd. Regierungsschuldirektor im Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW, seit 1972 Mitglied der CDU, 1977-2004 im Kreisvorstand Bochum.
1975-1984 war er Vorsitzender der CDU-Fraktion der Bezirksvertretung Südwest, seit 1984 Ratsmitglied, 1989 bis Ende 2003 Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat der Stadt. Mitglied im Haupt- und Finanzausschuss, im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr, im Personal- und Gleichstellungsausschuss. Am 26. September 1999 bei der Stichwahl um den Oberbürgermeister mit nur wenigen Stimmen Ernst-Otto-Stüber (SPD) unterlegen.
1992-2004 Mitglied des Aufsichtsrates der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG, 1994-2004 Mitglied der Verbandsversammlung des Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, seit 1995 im Aufsichtsrat.
2004 mit dem Ehrenring der Stadt ausgezeichnet, der nach der Ehrenbürgerwürde zweithöchsten Auszeichnung der Stadt, im Mai 2008 mit der vom Bundespräsident verliehenen Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Auch an seinem Altersruhesitz im Gemeindeverband-Wangerland in Friesland/Niedersachsen gehört Bbr. Müller dem örtlichen CDU-Vorstand an.
Unvergessener Vorortspräsident: Bbr. Min.Dir. a.D. Werner Niester
Bbr. Ministerialdirektor a. D. Werner Niester (Bonn), Vorortspräsident des UNITAS-Verbandes, als die UNITAS Ruhrania im Amtsjahr 1956/57 auf der 79.GV zu Limburg den Vorsitz im Verband übernahm, hat 60 Jahre lang der Unitas die Treue gehalten. Am 7.11.2016 hat er im Alter von 86 Jahren sein Leben in die Hand seines Schöpfers zurückgegeben.
Werner Niester wurde am 8. April 1930 in Münster (Westf.) als zweiter Sohn eines kaufmännischen Angestellten geboren und machte nach kriegsbedingt mehrfachen Schulwechseln 1951 Abitur am Gymnasium Laurentianum in Warendorf. 1952 nahm er das Jurastudium an der Universität Münster auf, wo er sich zum 1. Juni des Jahres gleich der UNITAS Ruhrania anschloss. Als die Ruhranen im Amtsjahr 1956/57 auf der 79.GV zu Limburg zum Vorsitz im Verband gewählt wurden, übernahm Bbr. Niester das Amt des Vorortspräsidenten. Eine konsequente Entscheidung in einer Zeit, in der die Unitas Ruhrania über 50 Aktive zählte, das Bootshaus an der Werse bei Handorf zurückgewonnen und die Neugründung der Unitas „Fürstenberg“ verwirklicht wurde.
In Bbr. Werner Niesters Erinnerungen war es für ihn der „Höhepunkt“ in der erst kurzen Nachkriegsgeschichte der jungen und aufstrebenden Korporation: „Gerade Gerichtsreferendar geworden, übernahm ich für die Ruhrania das verantwortungsvolle und hochinteressante Amt des Vorortspräsidenten. Mit kräftiger Unterstützung der erfahrenen und vorbildlichen Unitarier Dr. Florian, Dr. Rüdinger, Dr. Hasenkamp, den unvergessenen Monsignore Dr. Portmann als geistlichen Beirat und mit tatkräftiger Hilfe der Bundesbrüder aus den Reihen der Ruhrania ist uns wohl eine gute Amtszeit gelungen. In guter Erinnerung ist natürlich die 80. Generalversammlung in Konstanz im Juni geblieben. Das Thema „Abendland und Weltmission“ war offenbar gut und zeitgemäß gewählt. Das Interesse an den Vorträgen und den verbandsinternen Fragen war groß. Die Vorortsübergabe im August 1957 an die UNITAS-Guelfia in München ein an Erlebnissen und Erfahrungen reiches unitarisches Jahr. Leider hat die UNITAS-Ruhrania die Stürme der 68-ziger Jahre nicht überstanden, doch der AHV lebt kräftig weiter und die Ruhrania findet in der sehr aktiven UNITAS-Ruhrania Bochum-Essen-Dortmund eine neue Heimat.“
Zuständig für den Luftverkehr unter zehn Ministern
Nach dem Abschluss des Studiums 1956 war er Gerichtsreferendar bis zum Assessorexamen 1960 in Düsseldorf. Im selben Jahr trat er in die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bei der Direktion Duisburg ein und wechselte nach sechs Jahren in die Abteilung Luftfahrt des Bundesverkehrsministeriums in Bonn.
In die Zuständigkeit von Bbr. Niester fiel hier der gesamte nationale und internationale Luftverkehr: So führte er Verhandlungen über bilaterale Luftverkehrsabkommen mit allen bedeutenden Luftfahrtstaaten und vertrat Deutschland bei multilaterale Luftfahrtkonferenzen (UNO, EG). Schwerpunkte seiner Amtszeit waren die Liberalisierung des Luftfahrtsystems, die Privatisierung der Deutschen Lufthansa und der Bundesanstalt für Flugsicherung (Lotsenstreik), aber auch die Integration des Luftverkehrs der früheren DDR einschließlich Berlins nach der Wiedervereinigung. Zudem fiel in seinen Arbeitsbereich die Aufsicht über die Bundesoberbehörden Deutscher Wetterdienst in Offenbach und das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig. Nach 27 Jahren Luftfahrt unter 10 Verkehrsministern 1993 trat Bbr. Werner Niester in den Ruhestand. Für seine Verdienste wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.
(Bbr. Ministerialdirektor a.D., Werner Niester (UNITAS Ruhrania), Vorortspräsident, rez. SS 52, M5, phil. WS 55/56, UNITAS-Handbuch Bd. I, S. 52, 59; Bd. III, 179; Bd. IV, 182; Bd. V, 108, 113.)
oben: Vorort 1956/57 (v.l.) VOS cand. iur. Johannes Pfeiffer, Geistlicher Beirat Prälat Dr. Heinrich Portmann, VOP Gerichtsreferendar Werner Niester, AH-Beisitzer Studienrat Pricking und VOS stud. phil. Andreas Hartmann. Weiterer AH-Beisitzer war Theo Kottig (nicht auf dem Photo). Zur Geschichte der UNITAS Ruhrania ab 1950.
ESSEN. Sein Abschied aus Essen zog sich über Wochen und zuletzt ließ er es sich nicht nehmen, zum letzten Mal beim Gartenfest der Ruhranen dabei zu sein. Leicht fiel ihm der ganze Abschied aus seinem Revier nicht, in dem er nach vielen Jahren große Spuren hinterlässt. Doch längst ist Bbr. P. Otto Nosbisch SDB an seinen neuen Wirkungsstätten in Trier und Helenenberg angekommen: Anfang September 2024 hieß ihn die salesianische Gemeinschaft dort als neuen Direktor willkommen. Er versprach seine Treuepflichten mit dem Glaubensbekenntnis und seiner Unterschrift.
„Du bist ein sehr kommunikativer Mensch“, begrüßte ihn Provinzialvikar Pater Christian Vahlhaus SDB zur offiziellen Amtseinführung beim Gottesdienst zum Helenenfest am 2. September 2024: „Du gehst aktiv auf Menschen zu. Du hörst ihnen zu. Du findest die richtigen Worte.“ Genau diese Eigenschaften, so der Provinzialvikar, seien für die Aufgaben wichtig, die in Trier und auf dem Helenenberg auf Bbr. Otto Nosbisch warteten, berichteten die dortigen Mitbrüder. Es gehe immer darum, „Gottes Zeugnis zu verkünden“, gab Vahlhaus seinem Mitbruder mit auf den Weg, „genau das kannst Du. Das ist dein Ding!“
Viele neue Aufgaben für Bbr. Nosbisch
Auf Bbr. P. Otto Nosbisch kommen an seinem neuen Wirkungsort eine ganze Menge Aufgaben zu: Er ist Direktor der Salesianer-Gemeinschaft in Trier mit dem Haus der Offenen Tür und seinen vielen Freizeitmöglichkeiten, dem rollenden Kinder- und Jugendtreffpunkt BoscoMobil, der Soccerhalle und anderen Projekten, zudem mit der Pfarrseelsorge in den drei Gemeinden Christ-König, St. Simeon und St. Simon und Juda. Zugleich ist Bbr. Otto auch Pastoraler Leiter im Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg.
Das Zentrum geht auf das 1894 oberhalb des Ortes Welschbillig gegründete Eduardstift zurück, das die Salesianer Don Boscos 1925 übernahmen und heute verschiedene Wohn- und Betreuungsformen anbietet. Zurzeit werden dort insgesamt rund 200 Jugendliche im Alter von etwa 9 bis 22 Jahren betreut, davon etwa 147 stationär. Sie besuchen die hauseigene Grund-, Haupt-, Förder- und Berufsschule oder befinden sich in einer beruflichen Orientierungs- oder Qualifikationsmaßnahme oder Berufsausbildung. Unter den Wohnangeboten gibt es pädagogisch-therapeutische Gruppen, zwei Gruppen für Kinder und Jugendliche mit der Diagnose Asperger-Syndrom sowie mehrere Wohngruppen für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge dazu eine wachsende ambulante Begleitung von Kindern, Jugendlichen und deren Familien. Pater Ottos Zuständigkeit geht dazu über den direkten Umkreis noch hinaus – dies dokumentierten die anwesenden kroatischen Mitbrüder, die zu seiner Amtweinführung eigens aus Karlsruhe anreisten. Wie er beim Ruhranen-Gartenfest berichtete, wird er also einmal im Monat auch dort sein.
Auch bei der Unitas Trebeta angekommen
Pater Otto Nosbisch folgt in seinem neuen Amt auf Pater Meinolf von Spee, der als langjähriger Jugendseelsorger in Essen auch hier vielen noch bekannt sein dürfte und jetzt von seinem Orden nach Kloster Ensdorf in der Oberpfalz gesandt wurde. Für die Bundesbrüder der Unitas in Trier ist es eine große Freude, dass sie mit Pater Otto nun einen aktiven Alten Herren mehr in ihren Reihen wissen: Wie sie berichten, haben sie mit ihm bereits Kontakt aufgenommen, die Aktivitas war bei seiner Einführung schon vertreten und er ist auch schon als Festredner für das Stiftungsfest am 18. Januar 2025 angefragt.
Otto Nosbisch und die Unitas: Mit der Unitas kam P. Otto Nosbisch vor rund 10 Jahren erst als Spätberufener enger in Kontakt: Ab 2016 konnte mit einem Sozialen Verbandsprojekt des Verbandes, das über die „Unitas Ruhrania Bochum - Duisburg-Essen – Dortmund“ betreut wurde, ein Wohnheim für geflüchtete syrische Studenten auf dem Don Bosco-Campus an der Essener Theodor Hartz-Straße eingerichtet werden. Im Wintersemester 2018/19 trug ihm die Ruhr-Unitas die Ehrenmitgliedschaft an; beim Vereinsfest am 8. Dezember 2018 wurde er bei der von ihm zum Wirken des hl. Giovanni Bosco gehaltenen Morgensitzung in die Unitas aufgenommen. Vielfach hat er mit den Bundesbrüdern die Vereinsfeste gefeiert, er hielt in der Kapelle des St. Johannesstifts die Messen zu den Gedenktagen der „Lübecker Märtyrer“, war Zelebrant beim Altherrenbundstag 2021 und beim Albertus Magnus-Tag des Katholischen Akademikerverbands Ruhr (KAR).
In memoriam Bbr. Pfr. i. R. Alois Ortmann
Bbr. Pfarrer i.R. Alois Ortmann ist 74-jährig am 15. September 2006 in Osnabrück gestorben. Er wohnte zuletzt im Paulusheim. Bbr. Ortmann, geboren am 6.12.1931, stammte aus Hagen. Im Juni 1955 wurde er bei der UNITAS Ruhrania Münster (heute: Bochum-Essen-Dortmund) rezipiert und philistriert zum 1.1.1958. Im Dezember 1958 empfing er die Priesterweihe in Osnabrück.
Bbr. Ortmann war als Kaplan in Eckernförde (Pfarrei St. Peter und Paul, April 1963 – April 1965) und in Bremen. Anschließend ging er in die Hamburger Gemeinde St. Ansgar (Kleiner Michel), die heutige Jesuitenpfarrei. In der katholischen Kirchengemeinde, in der die Erinnerung an das Wirken der in Hamburg unter dem Fallbeil ermordeten „Lübecker Märtyrer“ (unter ihnen Bbr. Johannes Prassek, ebenfalls UNITAS Ruhrania, und Bbr. Eduard Müller) besonders wachgehalten wird, war bereits Bbr. Dr. Dr. Pfr. Bernhard Schwendtner bis zu seiner Hinrichtung durch die Nazis 1944 tätig gewesen.
Nach einer weiteren Kaplanstelle in Osnabrück war Alois Ortmann Pfarrer in Rendsburg, Badbergen und Fürstenau, ab 1983 dann Krankenhauspfarrer im St.-Joseph-Stift in Bremen. 1988 wurde er Pfarrer in Thuine, ab 1989 war er auch zuständig für Freren-Suttrup. Seit September 1991 war Bbr. Ortmann Kirchenrektor im Altenheim St.-Josef in Georgsmarienhütte-Oesede. Mit Wirkung vom 1. März 2003 hatte Bischof Franz-Josef Bode den inzwischen 71-Jährigen von seinen Aufgaben und seiner seelsorgerischen Mitarbeit im Bistum entpflichtet. Zeitgleich wurde Pfarrer Ortmann in den Ruhestand versetzt.
Bbr. Ortmanns 1995 verfasstes Buch „In jedem Abschied steckt ein neuer Anfang. Heilsame Gedanken zu Abschied, Loslassen und Tod“ erfuhr mehrere Auflagen (Bernward Mediengesellschaft mbH; zuletzt: 2000, 144 Seiten, ISBN: 3-89366-507-2).
ESSEN. Bbr. Dr. Wilfried Podlinski gab am 5. Dezember 2022 in Kaarst im gesegneten Alter von 94 Jahren sein Leben im Kreise seiner Familie in die Hand seines Schöpfers zurück. Die Chargen der Unitas-Salia aus Bonn gaben ihm das letzte Geleit. Auch die Unitas Ruhrania in Bochum, Duisburg-Essen und Dortmund hat ihm viel zu danken.
Vor 30 Jahren erklärte sich Bbr. Dr. Wilfried Podlinski zur Übernahme des Amtes als Verbandsgeschäftsführer bereit. Der aus Gronau gebürtige Westfale, Jahrgang 1928, Diplom-Kaufmann mit beiden juristischen Staatsexamina, Promotion zum Dr. jur. und beeindruckender beruflicher Laufbahn nahm die Sache professionell in die Hand. Dabei kamen ihm seiner Erfahrungen als Dezernent in der Industrie- und Handelskammer in Aachen, als Ministerialrat im Wirtschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender des Steuerausschusses der Bundesländer zugute, als oberster Börsenaufseher des Landes NRW, Syndikus und Geschäftsführer der Börse in Düsseldorf.
Nach seinem beruflichen Ausscheiden Ende 1990 machte er sich als Rechtsanwalt selbständig und blieb seiner Unitas weiter verbunden – „ein vollendeter Gentleman der alten Schule“, wie ihn Dr. Winfried Gottschlich 2007 in der Unitas beschrieb: In Münster war Bbr. Wilfried Podlinski bei Unitas Sugambria aktiv geworden, in Köln war er bei Unitas Landshut und in Bonn bei Unitas-Salia, er hielt Kontakt zur dortigen und Düsseldorfer Aktivitas. Ehrenamtlich in der Gefängnisseelsorge und im Malteserorden tätig, ließ sich der Vorsitzende des Katholikenrates des Stadtdekanates Neuss 1992 nun auch vom Unitas-Verband in die Pflicht nehmen und wurde auf der GV 1993 in Paderborn zum Verbandsgeschäftsführer gewählt.
Bbr. Dr. Wilfried Podlinski bei der Verleihung der Silbernen Unitas-Nadel mit dem damaligen Unitas-Verbandsgeschäftsführer Dieter Krüll (l.) und dem ehemaligen AHB-Vorsitzenden Heinrich Sudmann (r.) 2007 in der Godesburg in Bonn
Zur Übernahme der Geschäfte am 1. Januar 1994 stand bereits eine neue Verbandsgeschäftsstelle im Neusser Kardinal-Frings-Haus, Marianne Hübers übernahm die Aufgabe der Verbandssekretärin. Und beherzt stellte sich Bbr. Podlinski dem bereits seit Jahren drängenden Thema in der sogenannten „Frauenfrage“. In all den hitzigen Diskussionen war ihm die Tragweite der Debatte sehr bewusst, doch er blieb ein guter und ehrlicher Moderator zwischen den weit divergierenden Flügeln, der ruhende Pol, immer erfolgreich auf Ausgleich und Miteinander bemüht: So konnte bei der GV 1997 in Bonn endlich die vollwertige Aufnahme der Studentinnenvereine beschlossen werden – dass dies zuletzt Wirklichkeit wurde, ist sein bleibender Verdienst. Er selbst gab den Staffelstab für die Verbandsgeschäfte in jüngere Hände weiter und die bis heute weitergehende Entwicklung um die unitarischen Studentinnenvereine erfüllte ihn mit stillem Glück. Der Verband würdigte seine außerordentlichen Verdienste 2007 mit der Silbernen Verbandsnadel.
Der Unitas Ruhrania griff er spontan und ohne großes Aufsehen kraftvoll unter die Arme, als sie sich an den Hausbau in Essen machte - eine große Ermutigung für den verwegenen Haufen an der Ruhr, aber zugleich auch ein Ausdruck des innersten Wesens einer beeindruckenden und in sich ruhenden Persönlichkeit: Bei aller Klarsicht auf die Schwächen der kirchlichen Institutionen, erlebte man Bbr. Dr. Wilfried Podlinski selbst tief im Glauben verwurzelt und als einen im besten Sinne „frommen“ Mann, einen wirklichen Ermutiger und bescheidenen Entscheider mit großem Gottvertrauen.
„Nur zu Gott hin wird still meine Seele, nur von ihm kommt mir Hilfe“ aus dem Psalm 62 steht über seiner Todesanzeige. Seiner großen Familie gilt in aller Dankbarkeit auch unsere Anteilnahme gilt. R.I.P.
Bbr. Dr. Heinrich Portmann - Ehrensenior der UNITAS Ruhrania
(*5. Oktober 1905 in Hamm-Bockum-Hövel, + 30. April 1961 in Münster), Gymnasium in Hamm, Studium in Freiburg und Münster, Eintritt in die UNITAS Ruhrania, Priesterweihe am 19. Dezember 1931, 1931 Kaplan an Herz-Jesu Emsdetten, 1934-37 Studium des Kirchenrechts in Rom, Kaplan an der Deutschen Kirche "Sta. Maria del´Anima", 1938 Hausgeistlicher am Deutschen Studentenwohnheim in Münster.
1938 Defensor vinculi am Bischöflichen Offizialat in Münster, 1938-1949 Bischöflicher Kaplan von Bischof August Clemens von Galen und Bischof Michael Keller, 1949 Vizeoffizial am Diözesangericht Münster, Päpstlicher Ehrenkämmerer. Erster Biograph des Bekennerbischofs Kardinal von Galens.
Bbr. Hermann Ludger Potthoff – Vater und Gründer der UNITAS
(*21. Januar 1830, Werden, + 8. Oktober 1888), 1840 Rektoratsschule in Werden, Bau- und Gewerbeschule in Hagen, Bautechniker, Theologiestudent ab 1852/53 in Bonn, vom Kölner Erzbischof 1863 für die Seelsorge in der Diaspora freigestellt, wirkt in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden in der Caritasarbeit und als Oberhofprediger am Königlichen Hof, Präses, zugleich Generalpräses der UNITAS bis 1873, bestattet in Aachen-Burtscheid. Er gilt als Stifter und „Gründer der UNITAS", stellte die ab 1847 in Bonn landsmannschaftlich organisierten „Ruhrania“ auf eine eindeutige religiöse Grundlage, gibt ihr im WS 1853/54 den Namen „UNITAS", um dem Verein einen umfassenderen Charakter zu geben, federführend bei der Entwicklung der unitarischen Prinzipien (wissenschaftlich Betätigung, Feier der Vereinsfeste, Lebensbundprinzip), wählte den unitarischen Wahlspruch „in necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas". An seinem Geburtshaus in der Hufergasse 15 in Essen-Werden erinnert eine 1930 gestiftete Gedenktafel des Verbandes an seinen Gründer.
„Cor unum et anima una / Ein Herz und eine Seele“
... so hieß der Wahlspruch, den Potthoff am 18.9.1860 bei der 1. Generalversammlung in Düsseldorf prägte. Unter ihm wurde damals die so genannte „klerikale UNITAS“ ins Leben gerufen. Ihr sollten die Priester angehören, die als Studenten den seit 1847 in Bonn, 1855 in Tübingen und 1859 in Münster aktiven Vereinen angehört hatten. Den sie nun ergänzenden „Priesterverein UNITAS“ der Alten Herren bezeichnete Bbr. Werner Ohlendorf in seinem 1913 erschienenen Handbuch für den Verband der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine UNITAS“ als „eine der einzigartigsten Organisationen, die die Geschichte des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert aufweisen kann.“ Zweck der Vereinigung war die freundschaftliche Verbindung untereinander aber auch die Vermittlung von religiöser und wissenschaftlicher Anregung. An ihrer Spitze stand als Präses, zugleich Generalpräses der UNITAS, bis 1873 Hermann Ludger Potthoff als treibende Kraft der ganzen Vereinigung. In seinem Todesjahr 1888 wurde der erste Altherren-Zirkel des Verbandes in der Ruhrstadt Essen/Werden gestiftet – damit ist bereits auch die Lebensspanne unseres Gründers beschrieben: Von 1830 bis 1888 – ganze 59 Jahre alt ist er geworden, war Hermann Ludger Potthoff „Herz und Seele“ der UNITAS.
Ein Kontinent in Aufruhr
Sein Werk, aus dem der älteste katholische Studenten- und Akademikerverband Deutschlands wuchs, entsteht in einer unruhigen und turbulenten Zeit. Umbrüche und Aufbrüche kennzeichnen das Umfeld der Gründung im 19. Jahrhundert, die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche erreichen einen weiteren Höhepunkt. Hermann Ludger Potthoff und seine Freunde sind damit Zeugen einer sehr bewegten Zeit. Das 1842 begangene Kölner Dombaufest und die ein Jahr später begangene Jahrtausendfeier des Reichs sind Ausdruck eines schwärmerischen und turbulenten Aufbruchs, einer Zeit, in der allenthalben patriotische und nationale Bewegungen Auftrieb erlangen. In ihr gerät der ganze Kontinent in Aufruhr, ausgelöst durch die französische Juli-Revolution in Mittel- und Südeuropa und allen Staaten Europas - mit Ausnahme Englands und Russlands.
Die Ereignisse überschlagen sich: Aufstände überall, die gewaltsame Vereinigung Italiens führt zur Besetzung des Kirchenstaats und Inhaftierung von Papst Pius IX., radikale Unruhen in den deutschen Ländern - besonders im Südwesten, in Wien und Berlin - brechen sich Bahn. Verwegen gewandete aktive und ehemalige Studentenführer rufen die Republik aus, Freischaren proklamieren die bewaffnete Revolution. Im Streit zwischen großdeutschen und kleindeutschen Parteiungen gibt es Demonstrationen für Vereins- und Pressefreiheit, auch für Religions- und Glaubensfreiheit. Die verfassungsgebende Nationalversammlung konstituiert sich in der Frankfurter Paulskirche, wird bald durch Militär gesprengt. Ein Land im Ausnahmezustand: Standgerichte, Massenerschießungen und -auswanderung, Fürstenunion und Reaktion. Widerstand, besonders im katholischen Volksteil Preußens gegen Kulturpolitik, bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen. Kurz: Im manifesten Zusammenbruch der Alten Welt – zwischen Revolte und Beharrung - entsteht die bürgerliche Gesellschaft. Dramatische Schritte vollziehen sich, es entfaltet sich ein rasantes Potenzial in den Wissenschaften, der Wirtschaft und an Ideologien. All dies kulminiert für unseren preußisch dominierten Raum in diesen entscheidenden Jahren zwischen 1848 bis 1859, dem Jahr, in dem die Zentrumspartei gegründet wird. In diesen Umbruchszeiten liegt die Wurzel eines Verbandes – unseres Verbandes, in einer zersplitternden Welt.
Die Ruhrania von 1847
1847 - ein jahr vor der Revolution - hat sich im Bonner Gasthof „Engel“ die „Ruhrania“, ein Verein katholischer Studenten in Bonn gegründet, einer von fünf, die sich dort zur so genannten „Union“ zusammenschließen. Eine Protestaktion vor allem gegen antikatholisches Vorgehen Preußens in den neu gebildeten Provinzen Rheinland und Westfalen. Dieser Union ist trotz heißer Schwüre beim gemeinsamen Fest auf der Klosterruine Heisterbach keine lange Existenz beschieden - die Ruhrania überlebt, weil sie sich ab Sommersemester 1850 total reformiert: Sie verzichtet auf Couleur - (die Farben der Ruhrania waren orange-weiß-rot) - äußerliches Zeichen einer gänzlichen Neuorientierung. Und sie richtet das Vereinsleben bewusst auf die Bildung des katholischen Glaubens unter den Prinzipien „virtus, scientia und amicitia“ aus. Im SS 1852 unter Leonhard Brandt, später Missionar in den USA, wählt die Ruhrania den hl. Thomas von Aquin und den hl. Aloisius zu ihren Patronen. Die Mitglieder verpflichteten sich, an den Festtagen dieser Heiligen zur gemeinsamen Eucharistiefeier, zur anschließenden Agape und einer Festsitzung, für die sich der Name Morgensitzung einbürgert. Später, 1854 – nach der Verkündung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis - kommt als weitere Patronin die Immaculata und damit ihr Fest als drittes Vereinsfest dazu.
Ein Bautechniker wird Priester
Die wichtigen Weichen der späteren UNITAS sind damit bereits gestellt, als der junge Bautechniker Hermann Ludger Potthoff im Wintersemester 1852/53 in die Ruhrania eintritt. Und doch bezeichnen wir ihn mit Recht als ihren Gründer. Hermann Ludger Potthoff ist schon gut zwei Jahre vorher in der damals noch ziemlich kleinen und jungen Universitätsstadt Bonn mit der Ruhrania zusammengetroffen. Viele ihrer Mitglieder sind von der Ruhr zum Studium an den Rhein gegangen. Ihre Geburtsorte gehören heute zur Stadt Essen, wie Werden, Heisingen, Heidhausen, Borbeck und Schönebeck. Sein ältester Bruder Wilhelm war 1847 einer ihrer Gründer, studierte dort zunächst Medizin, dann wie sein zweiter Bruder August ab 1850 Theologie.
Ihr Vater ist Bauunternehmer in Werden - Sohn Hermann Ludger soll das Unternehmen erben und fortführen. Ab 1840 auf der Rektoratsschule in Werden, besucht er die Bau- und Gewerbeschule in Hagen. In den Ferien arbeitet er auf den Baustellen seines Vaters. Auf dem frühesten Bild bis zu seinem Altersbildnis ist er alles andere als ein durchgeistigter, schmaler Gelehrter: Ein durchaus tatkräftiger, ja humorvoller, im Leben stehender Mensch, mittelgroß, mit kräftiger Statur und offenem, optimistischem Blick macht sich Ende 1849 von der Ruhr auf an den Rheinstrom unter dem Siebengebirge, um seine Brüder zu besuchen. Er lernt dort im Freundeskreis der Ruhrania eine ganz andere Welt kennen. Und beschließt: Ich will auch Priester werden und Theologie studieren.
Dazu muss er erst das Abitur nachholen. Ostern 1850 zieht er nach Bonn. Sein Landsmann Wilhelm Pingsmann aus Werden, ebenfaIIs Ruhrane und später Domkapitular und Offizial der Erzdiözese Köln, bereitet ihn auf das Abitur vor. Schon 1852 hat Potthoff es bestanden, beginnt sofort das Studium und kann nun - nach seiner Immatrikulation - vollberechtigtes Mitglied der Ruhrania werden. Bereits zum Sommersemester 1853 wird er zum Präses gewählt und bleibt dies mehrere Semester.
Zug um Zug setzt er nun den Umbau des landsmannschaftlichen Vereins ins Werk. Deutlich wird dies am Beispiel des Prinzips scientia – in einer Zeit, in der Seminare heutiger Zeit noch nicht existieren. Prinzip und Praxis nehmen damit viele Entwicklungen an der Universität bereits vorweg. Nach heißen Debatten beschließt der Convent damals unter seiner Leitung:
1. Jeder (wöchentliche) Vortrag muss frei gehalten werden. Nur die Dispositionen (Stichpunkte) dürfen während des Vortrags eingesehen werden.
2. Jedes Mitglied soll wenigstens einmal im Semester eine schriftliche Arbeit einreichen. Zu ihr haben die anderen Mitglieder eine schriftliche Kritik einzureichen.
3. Es wird den einzelnen Mitgliedern dringend ans Herz gelegt, durch das Studium des vorkommenden Themas und Vorbringungen von Einwendungen die Disputation zu beleben.
Dies sind dies mehr als die Grundzüge eines unverbindlichen Rhetorikseminars: Denn was nutzt es, viel zu wissen, wenn man es nicht mündlich und schriftlich an den Mann bringen kann? Was nutzt es etwas zu vertreten, wenn man es nicht begründen und verteidigen kann? Was nutzt es, viel zu hören, wenn man sich keine eigenen Gedanken dazu machen und Kritik anbringen kann? Was nutzt an einem selbst geübte Kritik, wenn man sie nicht ertragen und danach zu handeln lernt? Und nicht zuletzt: Was nutzt es zu kritisieren, wenn man selbst nichts von der Sache versteht? Zweifellos: Ein pädagogisch wertvolles Programm - hier ist das wöchentliche Training für jedes Mitglied ein echter Nutzen – in einem Verein, der sich das Attribut „wissenschaftlich“ wählt.
Das zweite - und nicht weniger wichtig - war das Abrücken vom althergebrachten Prinzip der Landsmannschaft. Am 2. Februar 1854 wird der Name „UNITAS“ einstimmig angenommen. Ein programmatischer Name, der das „Katholisch“ unterstreicht. Seine Bedeutung: „Einheit im Glauben, Einheit in der Wissenschaft und Einheit in der Freundschaft“, so der ausführlichere Vermerk im Protokoll. Und auf die erste Seite des Protokollbuches schreibt Potthoff: „In necessariis UNITAS, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ – seit 1854 ist dies seither ununterbrochen der Wahlspruch der UNITAS geblieben.
Ein Lebensbund entsteht
Genau ein Monat später, am 3. März 1854, bekräftigen alle Unitarier mit ihrer Unterschrift die neuen Statuten. Sie drücken das aus, was Hermann Ludger Potthoff sich schon zu dieser Zeit unter UNITAS vorstellte – es ist das alles umschließende Band der Einheit: In allen grundsätzlichen Fragen, in allen Lebenslagen, beruflichen und persönlichen Herausforderungen. Ein hehres Ziel, aber auch hier ganz praktisch: Denn die Statuten bestimmen u.a. außerdem: Die UNITAS ist nicht nur ein Freundeskreis für die Studentenzeit, sondern für das ganze Leben. Ein wirklicher Lebensbund entsteht – und das zieht sich mit all den vielfältigen persönlichen Kontakten und Freundschaften durch die gesamte unitarische Geschichte – ja sogar durch große und entscheidende Teile unserer deutschen Geschichte.
Für diese Generationen übergreifende amicitia setzt sich später keiner so engagiert ein wie Potthoff selbst. Er beendet 1855 sein Studium, zieht ins Priesterseminar nach Köln, empfängt im August 1856 die Priesterweihe und feiert in Hardenberg/Neviges seine Primiz. Sieben Jahre ist er Kaplan in Kapellen-Gilverath, wird 1863 vom Kölner Kardinal von Geissel in die Diasporaarbeit nach Dresden „ausgeliehen“ – der Apostolische Vikar für Sachsen – das Herrscherhaus ist katholisch - hat seelsorgerische Hilfe in der sächsischen Landeshauptstadt angefordert. Potthoff wird Stiftskaplan in der Hofkirche, leitet ein Waisenhaus, ist Hofprediger und bleibt als königlicher sächsischer Konsitorialrat für 23 Jahre dort.
Auch in dieser Zeit bleibt er in engem Kontakt mit den Bundesbrüdern im Westen. Es ist inzwischen die Zeit der Reichsgründung, dem Deutsch-Französischen Krieg folgt ein Preuße auf dem deutschen Kaiserthron, als der inzwischen 41-jährige Potthoff in einer weiteren Weise für den inneren Zusammenhalt tätig wird: Auf seinen Antrag beschließt die GV 1871 in Bonn-Poppelsdorf unter anderem die Herausgabe eines „Vereinsorgans für die Mitglieder der „clerikalen und akademischen UNITAS“ - sie setzt die Festbriefe der UNITAS fort, die seit 1860 anlässlich der unitarischen Vereinsfeste zwischen den Coeten der UNITAS ausgetauscht wurden. Poffhoff wird die Schriftleitung übertragen. Die erste Nummer der Zeitschrift kommt zum 1. Januar 1872 - als Treuebekenntnis zu Papst Pius IX. unter dem Namen ROMA. Vielen klingt er zu anspruchsvoll - Potthoff nimmt die Kritik auf und nennt die Zeitschrift ab 1873 „Correspondenz der UNITAS“. Ein Jahr später heißt es „Correspondenz-Blatt der UNITAS“ – Potthoff wird jetzt „Urpräses“ der UNITAS genannt. Seit 1898 wird die Zeitung unter der Leitung von Prälat Joseph Prill in Essen redigiert, bekommt ein ganz neues Gesicht. Und sie erhält hier ab 1900 den Namen „UNITAS“. Und Joseph Prill, damals Religionslehrer am Burggymnasium, gründet später im Todesjahr von Hermann Ludger Potthoff 1888 in dessen Geburtsort Werden den ersten Altherrenzirkel der UNITAS.
Abkehr vom reinen Theologen-Verband
Doch Potthoffs Engagement sind nicht nur die kurz beleuchteten Grundsätze, die innere Ausgestaltung und die Grundlagen der Kommunikation im Verband zu verdanken. Denn er ist ebenfalls wesentlich dafür verantwortlich, dass die UNITAS überhaupt ihre heutige Gestalt annimmt. Denn bei der jungen UNITAS handelt es sich durchaus und keineswegs um einen reinen Theologenverband: Sehr früh hatten die Statuten von 1853/ 54 festgelegt, dass auch Studenten anderer Fakultäten in den Verein aufgenommen werden konnten, jedoch nur nach einstimmigem Beschluss der Mitglieder. Ein Zusatz, der 20 Jahre später, 1873 gestrichen wurde. Denn die Integration der Nichttheologen hatte offenbar völlig problemlos geklappt. Nun wird es 14 Jahre später auch ganz offiziell und verbandsweit beschlossen.
1886 ist Potthoffs Bundesbruder und Mitgründer der UNITAS, Friedrich Ludger Kleinheidt aus Essen-Heisingen Generalvikar der Erzdiözese Köln geworden. Hermann Ludger wird nach 23 Jahren aus der Diaspora in seine Heimatdiözese Köln zurückgeholt - als Oberpfarrer in Burtscheid, heute gehört es zu Stadt und Diözese Aachen. Ein Jahr später findet die außerordentliche GV 1887 in Neuß statt: die UNITAS steht Studenten aller Fakultäten offen. Und die Coeten, die Einzelvereine der UNITAS, nennen sich nun „wissenschaftliche katholische Studentenvereine UNITAS“. Dies setzt Gründer Potthoff – gegen den Widerstand von Franz Hitze - mit dem jungen Studenten Peter Kreutzer durch. Dem späteren Pfarrer in St. Johann in Altenessen und ersten Stadtdechanten von Essen, steht später in dem jungen „Roten Ruhrkaplan“ Bbr. Carl Klinkhammer der erste Priester zur Seite, der von den Nazis verhaftet werden wird.
Mit der Öffnung der UNITAS für Studenten aller Fakultäten hat Potthoff seiner UNITAS einen letzten großen Dienst erwiesen. Doch keiner ahnt, dass sein Leben seinen Lauf vollendet hat: Ein Jahr später, am 8. Oktober 1888, stirbt er im 59. Lebensjahr. Sein frisches Grab auf dem Burtscheider-Friedhof macht die UNITAS zu einem Denkmal. Ort vieler Fackelzüge und Festveranstaltungen ist seit 1930 auch sein Geburtshaus in Essen-Werden, wo in der Hufergasse 15 heute noch eine 2021 durch den Essener Unitas-Zirkel renovierte Gedenktafel an den Gründer der UNITAS erinnert, der ihr die Grundlagen und wesentlichen Strukturen gab.
Das unitarische Testament
Zwar ist vieles über und von Hermann Ludger Potthoff noch erhalten, auch manche seiner Predigten oder seiner Dispositionen zu Predigten. Ein Buch könnte man über ihn schreiben. Doch wenn auch nur sein „unitarisches Testament“ bekannt geblieben wäre – bereits dies wäre allein schon ein einzigartiger Grund, in ihm eines der größten Unitarier zu gedenken. Dieses „unitarische Testament“, von ihm bereits 1854/55 als Erläuterung der Statuten 1854/55 verfasst, wurde viele Jahrzehnte lang es in der älteren UNITAS jeweils zu Beginn eines jeden Semesters vorgelesen. Es ist ein Dokument eines aufmerksamen und scharfen Beobachters, eines abgeklärten Menschenkenners und eines sehr praktisch veranlagten Seelsorgers, der ganz und gar in der Kirche zu Hause ist:
„Wer durch die UNITAS mein Freund geworden, für den war ich es ganz, so gut ich es konnte. Ich fragte nicht nach seinem Namen, seiner Landsmannschaft, nicht nach seinen Talenten allein. Je mehr er mir ein Unitarier schien, je mehr war er mir Freund. Das war mir Bedürfnis, das war mir heilige Pflicht. Man hat es zu öfteren gesagt, und selbst edle Naturen sprechen es heute wohl nach, das akademische Vereinsleben seien jugendliche, oft gut gemeinte, aber immerhin Träume, die in der Wirklichkeit des Lebens wieder in ihr Nichts sich auflösen würden. Ich habe diese Reden, sofern sie auch UNITAS betrafen, niemals verstanden, verstehe sie auch heute nicht und werde sie niemals verstehen. Was mir die UNITAS war, das war kein Traum, denn es war katholisches Leben, Fühlen und Handeln.“
Kein Mythos, sondern Lebenspraxis
Hermann Ludger Potthoff - ein ganz und gar lebenspraktischer Mensch, hatte – so ließe sich sagen - einen Traum. Es war ein Traum, der Wirklichkeit wurde. Das Werk des sehr handfesten, nüchternen Bautechnikers, Jugendführers und Pädagogen, der viele begeistern konnte, der gefragte Kanzelredner und Zeitzeuge entscheidender Ereignisse unserer Geschichte brachte unzählige Menschen nach seinem Vorbild in einer einzigartigen Korporationsform zusammen. Doch anders als bei anderen Stifterpersönluchkeiten wurden um Hermann Ludger Potthoff keine Legenden und Geschichten gedichtet. Aus der Literatur wissen wir schlicht: Er war geachtet, beliebt, wurde sehr respektiert. Wohl, weil er darin selbst ein Vorbild war: Er achtete die Meinung des anderen, er glättete die Wogen mancher interner Auseinandersetzung, respektierte seine Freunde, verhalf jedem zu seinem Recht und blieb doch konsequent. Er selbst hat bis zu seinem Tod so für die UNITAS gelebt, wie er es in seinem frühen Testament gefordert hat: nie herrschsüchtig, selbstlos, hilfsbereit und vor allem tief fromm.
Christof Beckmann
Bbr. OStR a.D. Pfr. Wilhelm Potthoff
GELSENKIRCHEN. Mit einer Festmesse in der St. Antonius-Kirche „auf Schalke“ feierte Bbr. OStR a.D. Pfr. Wilhelm Potthoff am 24. Februar 2008 sein Goldenes Priesterjubiläum. Spontaner Applaus dankte dem Seelsorger für seinen 50-jährigen kirchlichen Dienst an den ihm anvertrauten Menschen.
Geboren am 19.2.1931 und aufgewachsen in Essen-Werden, war ihm die Berufung zum Priester quasi in die Wiege gelegt, da sein Vater Küster in der Gemeinde war: „Ich bin im Schatten der Abtei groß geworden. Die Werdener Kirche war unser Wohnzimmer. Ich weiß gar nicht wie oft ich meinem Vater den Kaffee in die Kirche gebracht habe.“ Während seines Studiums in Bonn schloss sich der Nachfahre aus dem verzweigten Stammbaum des UNITAS-Verbandsgründers Hermann Ludger Potthoff im Februar 1953 der Mutterkorporation UNITAS-Salia an. Philistriert zum 1. Januar 1956, wurde er am 24.2.1958 gemeinsam mit drei Mitstreitern als der erste im neu errichteten Ruhrbistum Essen von Bischof Franz Hengsbach zum Priester geweiht. „Bei meiner Priesterweihe war die Domkirche überfüllt. Ich wollte unbedingt in der „neuen“ Domkirche geweiht werden, da ich in Essen geboren und aufgewachsen bin“, berichtete der 77-Jährige.
Anschließend war Bbr. Potthoff als Kaplan in Essen, Duisburg und Oberhausen tätig, bis er in den Schuldienst an die Bergberufsschule in Essen-Ost wechselte. Mit dem Zechensterben ging er vor knapp 40 Jahren als Berufsschullehrer an das heutige Eduard-Spranger-Berufskolleg in Gelsenkirchen-Buer. „Lehrer zu sein, war mir auf den Leib geschnitten“, beschrieb Potthoff am 26. Februar in der WAZ die Freude an seiner Berufung. Über 2500 Schülerinnen und Schüler unterrichtete er und hat sie seelsorgerisch begleitet. Seine Motive: „Wissen vermitteln und den Blick für die Kultur und die weite Welt öffnen.“
Der seit 1993 pensionierte Oberstudienrat war seit 1969 in der Schalker St. Antonius-Kirche als Subsidiar tätig, übernimmt dann auch seelsorgerische Tätigkeiten in der Pfarrei, las auch an Wochenenden oder Feiertagen die Messe und gilt als mitreißender Prediger, wie Bbr. Werner Holthoff vom Gelsenkirchener UNITAS-Zirkel berichtete. Besonders aktiv setzte sich Potthoff auf Bistumsebene ein: 26 Jahre lang war er Diözesanpräses des Verbands der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV). Vier Abordnungen waren auch zur Festmesse in Schalke gekommen. Regelmäßig besuchte er auch den früher aktiveren UNITAS-Zirkel in Gelsenkirchen.
„Man muss überzeugt sein von dem, was man erzählt, wenn man Erfahrungen weitergeben will und das Feuer überspringen soll“, zitierte ihn die WAZ. Dass dies geschehen ist, bescheinigten ihm neben vielen Weggefährten auch Propst Wilhelm Zimmermann und Propst Manfred Paas. „Der Dank gebührt dir dafür, dass du in Kirche, Schule und Seelsorge Gott transparent gemacht hast“, so Paas in der Festmesse. CB
Bbr. Kaplan Johannes Prassek (Unitas Ruhrania, *13.08.1911, + 10.11.1943) wurde am 10. November 1943 mit Bbr. Kaplan Eduard Müller (Unitas Ruhrania), Kaplan Hermann Lange und Pastor Karl-Friedrich Stellbrink von den Nationalsozialisten im Untersuchungsgefängnis Hamburg hingerichtet. Zum 60. Jahrestag ihrer Hinrichtung begann der Seligsprechungsprozess für die „Lübecker Kapläne“. Ihre Seligsprechung fand im Vorortsjahr der Unitas Ruhrania 2011/12 am 25. Juni 2011 vor der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck statt. Bei dem feierlichen Akt wurde auch des protestantischen Geistlichen Karl Friedrich Stellbrink ehrend gedacht.
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“
„Als in den Bombennächten die Türme Lübecks, Zeugen eines frühen Glaubens dieser Stadt, zerbarsten, da ließ Gott vier neue Türme als Zeichen des Glaubens in dieser Stadt erstehen.“ Mit dieser Meditation, verfasst von einer ehemaligen Schülerin unseres Bbr. Johannes Prassek, begann am 10. November 1993 in der Propsteikirche Herz-Jesu in Lübeck der Gedenkgottesdienst für die 50 Jahre zuvor durch das Fallbeil hingerichteten Kapläne Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange sowie den evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink. Zu ihrer Erinnerung und ihnen zur Ehre wurde gleichzeitig eine Ausstellung im Burgkloster zu Lübeck mit dem Motto: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ eröffnet.[1]
Ihre Biodaten sind so unterschiedlich und vielfältig wie dies die Lebenswege vieler ihrer Landsleute in jenen Jahren waren. Der eine kam aus einer behüteten Familie, der zweite rang sich als Handwerker noch spät zum Priestertum durch, der dritte, wohl begabteste, hatte schwere Kinder- und Jugendjahre hinter sich, der vierte war lange Jahre evangelischer Auslandspastor und zunächst - wie viele spätere Widerstandskämpfer - begeisterter Anhänger Hitlers[2].
Die Bereitschaft zum Zeugnis für Christus, das Eintreten für die Würde des Menschen und das Bewusstsein, in jenen Tagen durch ein offenes Wort für Deutschland einzutreten, führte sie zusammen und nach einem Schein- und Schauprozess, bei dem das Urteil bereits vorher feststand, starben sie am selben Tag, innerhalb von 10 Minuten, gemeinsam auf dem Schafott. Als erster wurde am 10. November 1944 um 18.20 Uhr Bbr. Eduard Müller hingerichtet; ihm folgte drei Minuten später Bbr. Johannes Prassek.[3]
Von Hamburg nach Frankfurt, Münster und Osnabrück
Johannes Prassek - oder Hannes, wie er allgemein genannt wird - wurde am 13. August 1911 in Hamburg-Brambek als Sohn eines Maurers in „engen Großstadtverhältnissen“ geboren; die Familie zog bald nach Sasel. Der Vater evangelisch, „eher gottgläubig“; die Mutter aus Mecklenburg stammend, Konvertitin, erzog die Kinder, neben Johannes noch einen weiteren Sohn und eine Tochter, bewusst religiös. Die Mutter gab ihm „starken Halt im Religiösen“, ihr früher Tod 1935 hat ihn sehr getroffen[4]; der Vater heiratete bald wieder. Die Kindheit und Jugendzeit war im äußeren ziemlich glanzlos und von mancherlei Sorge überschattet[5]. Die Schule besuchte er in Hamburg-Barmbek, wo er bei den Grauen Schwestern erzogen wurde[6].
Vor dem Abitur wechselt er das Gymnasium und legte die Reifeprüfung dann am Johanneum in Hamburg ab. 1931 nahm er sein Theologiestudium an der philosophisch-theologischen Hochschule der St. Georgen in Frankfurt/M. auf. Im SS 1931 wurde er in die Unitas Frankfurt rezipiert[7], „wo er seine Bundesbrüder oftmals durch seine kompromisslose und grundsätzliche Haltung schockierte, gleichzeitig aber durch seine Streiche bei den Professoren Irritationen hervorrief“.
Weihnachtskneipe bei Unitas Frankfurt 1931 im Antoniterhof in Höchst a. M., rechts mit seiner Bierfamilie Lübbers WS 1931/32 in St. Georgen, dort gehörten allein 30 Theologiestudenten im WS 1932 der Unitas an.
1933, ab dem 5. Semester, studierte er an der Universität Münster weiter, wo er sich der Unitas Ruhrania anschloss[8] und dort ganz im Gegensatz zu seiner Größe und seinem tönenden Bass den Spitznamen „Knirps“ erhielt. Von dort setzt er seine Ausbildung im Priesterseminar Osnabrück fort.
Die ab 18. Mai 1933 bis 1934/35 (18.02.1935) markierte Studienkarte in Münster vermerkt Prasseks Adresse in der Hammerstraße 87, den Namen der Vermieter und seine Angehörigkeit im Unitas-Verband
Johannes Prassek hatte kein leichtes Studium; es war immer wieder von finanziellen Notlagen überschattet. Zwar wurde ihm vom Hamburger Senat und vom Ordinariat in Osnabrück ein Teilstipendium ausgesetzt, aber während des ganzen Studiums, vor allem in Münster, trug er durch Gelegenheitsarbeiten zu seinem Unterhalt bei. Aus dem Gefängnis schrieb er an einen Freund: „...das Leben ist niemals sanft mit mir umgegangen, es war immer ein Sich-durchringen-Müssen“. Seine Mutter hatte verschiedentlich Darlehen für sein Studium aufgenommen: 3.000 RM von einer Rentnerin, 150 RM von einem Kolonialwarenhändler und 100 RM von einem Pfarrer[9], die nach dem Tod der Mutter vorzeitig getilgt wurden.
Eine weitere Schwierigkeit für ihn war sein kritisches und oftmals burschikoses Verhalten, was u.a. dazu führte, dass er 1936 für ein halbes Jahr von der Priesterweihe zurückgestellt wurde. Er waren Kleinigkeiten, die heute sicherlich keine solche Maßnahme auslösen würden, und sein damaliger Regens im Priesterseminar, der spätere Bischof Keller, stellte nach Jahren hierzu fest: „Finis coronat opus“.
Priesterweihe und offene Worte
Am 13. März 1937 wurde er in Osnabrück zum Priester geweiht; die Primiz feierte der einsame Johannes Prassek - auch zu seiner Primiz in der Heimatgemeinde Sasel erschienen weder sein Vater noch seine Stiefmutter - in der Familie eines Studienfreunds, seines Bbr. Adolf Grothaus (Unitas Winfridia Münster). Seine erste Stelle bekam er in Wittenburg/Mecklenburg, wo er sonntags die Hl. Messe im Saal einer Kneipe zelebrierte, nachdem er vorher die Kringel der letzten Biergläser von dem Tisch gewischt hatte, der ihm als Altar diente.
1939 wird er erster Kaplan an der Herz-Jesu-Kirche in der Lübecker Altstadt. In Lübeck war sein Dechant Bbr. Albert Bültel (Unitas Sugambria Münster), den Prassek sehr schätzte und der seinerseits die Männer- und Jugendarbeit von Prassek schätzte. Um Zwangsarbeitern die Beichte abnehmen zu können, lernt er eigens polnisch und ungarisch. In Lübeck ist er in der katholischen Gemeinde Kopf einer Gruppe von drei Jungpriestern, die eine Seelsorge betreiben, die konträr zur Nazi-Ideologie steht. In Religionsstunden, aber auch in Gesprächsgruppen mit Jugendlichen und jungen Soldaten nimmt Prassek offen gegen die nationalsozialistische Politik Stellung; seine Predigten lassen manchen Zuhörer erbleichen. Dem sorgenvollen Wort eines Gottesdienstbesuchers: „Herr Kaplan, wenn sie so weiterpredigen werden sie bald abgeholt“, stellt er die einfach Frage gegenüber: „Und, war es falsch?“.
Einsatz gegen das Regime
Im Sommer 1941 lernt er auf einer Beerdigung den siebzehn Jahre älteren Karl-Friedrich Stellbrink, Pastor an der Lübecker Lutherkirche, kennen.[10] Beide waren von Natur aus ähnliche „Feuerköpfe“ und spürten schnelle eine Geistesverwandtschaft. Sie beschließen, einander regelmäßig zu besuchen und Informationen auszutauschen. Prassek ist aus dem Holz geschnitzt, das Stellbrink schätzt. Gemeinsam mit Kaplan Hermann Lange verteilen sie Flugschriften und die Predigten von Bischof Clemens August Graf von Galen, des „Löwen von Münster“, die mit der Tötung „lebenswerten Lebens“ und der Kirchenpolitik der Nazis ins Gericht gehen.[11] Das Treiben der Geistlichen wurde von „Höheren Stelle“ mit immer wachsendem Misstrauen verfolgt. Bereits 1936 wurde Pastor Stellbrink aus der Partei ausgeschlossen, später von der Gestapo dreimal verwarnt und von seiner Kirchenleitung - der Lübeckische Landesbischof war gleichzeitig höherer Würdenträger der NSDAP - mit einem Disziplinarverfahren bedroht.
Unter dem Vorwand, geistlichen Beistand zu benötigen, wurde von der Gestapo bereits im Sommer 1941 ein „angeblicher Konvertit“ als Spitzel auf Prassek angesetzt, der Verdachtsmaterial sammeln sollte. Anlass für die Verhaftung von Stellbrink war dessen Predigt am Palmsonntag 1942, nach dem großen Luftangriff auf Lübeck in der Nacht vom 28. auf den 29. März, als er sagte: „... dass Gott in dieser Nacht in mächtiger Sprache zu uns Menschen gesprochen hat“; das Wort vom „Gottesgericht“ macht in Lübeck schnell die Runde. Am 7. April wird er verhaftet, bald danach werden die drei Kapläne und eine größere Gruppe von katholischen Laien festgenommen.
Prassek wird als zupackend und offen für jeden Ratsuchenden geschildert. Erhalten ist u.a. noch der Bericht des Kommandeurs der Luftschutzpolizei über seinen Einsatz anlässlich des schrecklichen Luftangriffs auf Lübeck. Dort wird festgestellt: „Seiner vorbildlichen Treue und Tapferkeit in einer Nacht, wo ein erheblicher Teil der Menschen, denen ich begegnete, völlig den Kopf verloren hatte und geradezu gelähmt waren, verdanken viele ihr Leben... Ich habe nur ganz wenige Männer gesehen, die so mutig und unerschrocken ihrer Pflicht genügt hätten, wie Kaplan Prassek“.
Am 15. Mai 1942 wurde ihm dafür „Im Namen des Führers und Reichskanzlers (vom) Kommandierenden General und Befehlshaber im Luftgau XI ... das Luftschutz-Ehrenabzeichen zweiter Stufe verliehen“; drei Tage später wird er wegen angeblicher Volksfeindlichkeit verhaftet; genau 18 Monate später wird er hingerichtet.
Verhaftung, Prozess und Tod
Am 15. Juni 1942 wird Vikar Lange verhaftet, am 22. Juni kam Adjunkt Müller an die Reihe. Ein Jahr lang wurden die Verhafteten im Lauerhof-Gefängnis inhaftiert, dort einer Baukolonne zugeteilt, sonst aber in Einzelhaft gehalten. Trotzdem ist bekannt, dass untereinander Kontakt halten konnten, die Priester hatten sogar die Möglichkeit mit den von der Haushälterin des Dechanten in das Gefängnis geschmuggelten Hostien und Wein die Hl. Messe zu zelebrieren.
Am 22. Juni 1943 begann vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofs - der in jenen Jahren „wie ein Wanderzirkus im Reichsgebiet herumzog“ und der für diesen Prozess eigens in Lübeck tagte - unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Verhandlung gegen die vier Geistlichen und die 18 Laien. Die Anklage lautete: „Vorbereitung zum Hochverrat, landesverräterische Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung“. Die Prozessakten sind nicht mehr erhalten, aber es war in der Tat ein „kurzer Prozess“, der hier ablief, bei dem das Urteil wohl schon von vornherein feststand.[12]
Der 22. Juni verging mit den Vernehmungen der Angeklagten zur Person und zur Sache; Zeugen wurden keine herangezogen. Am Vormittag des nächsten Tages konnten die Verteidiger ihre Plädoyers halten, wobei das Gericht diesen mit unverhohlener Langeweile folgte und einige Richter demonstrativ Ansichtspostkarten schrieben oder Zeitung lasen. Bereits am Nachmittag, nach kurzer Beratung, verkündete das Gericht die Todesurteile.[13]
Die Reaktion der Verurteilten ist bewundernswert. Von Bbr. Prassek und Kaplan Müller ist bekannt, dass beide unabhängig voneinander in ihr Neues Testament schrieben: „23. Juni 1943, Sit nomen Domini benedictum - Heute wurde ich zum Tode verurteilt“.
Bundesbrüderlicher Beistand
Über die Monate bis zur Hinrichtung haben wir genaue Kenntnis, denn der Gefängnisgeistliche des Zuchthauses Hamburg-Holstenglacis, wo die Hinrichtung stattfand, war Bbr. Bernhard Behnen (Unitas Tuisconia Hamburg), der diese Zeit genau festgehalten hat. Von ihm stammt u. a. auch folgender Bericht:
„...einer, so sagten seine Leidensgenossen, hat uns immer wieder mit Mut erfüllt und mit fortgerissen, nämlich unser lieber Mitbruder Prassek. Ich habe ihn nie traurig gesehen. Er hat auch schwere Todesnöte und innere Seelenkämpfe durchmachen müssen. Er litt besonders darunter, dass er sich vielleicht schuldig gemacht habe, in der Seelsorgestunde sich für christkatholische Sitte und christkatholischen Glauben so offen und furchtlos eingesetzt zu haben“. Die innere Haltung kurz vor seinem Tod drückt Bbr. Prassek in dem wunderbaren Satz aus: „Es geht alles vorbei, und dann kommt nur noch Gott, und das ist unendlich schön“.
Große Bedeutung für die Kapläne hatte die Frage, wie der Bischof von Osnabrück ihr Handeln beurteilte. „Stimmt es, dass der Bischof uns fallen gelassen hat?“ lautete die bange Frage. In mehreren Briefen an Bischof Wilhelm Berning erläutern besonders Prassek und Müller ihre Überzeugung. Der Bischof versteht seine Kapläne und steht zu ihnen. Sofort nach der Verhandlung fährt der Bischof persönlich zum Reichsjustizminister, um eine Vollstreckungsaufschub zu beantragen und ein Gnadengesuch einzureichen[14]. In mehreren Briefen an die drei Kapläne spricht er ihnen Trost zu und überraschend besucht er die zum Tode Verurteilten und schließt sie „spontan in die Arme“.
Die Abschiedsbriefe von Kaplan Prassek und Pastor Stellbrink sind nicht mehr erhalten, vermutlich „wegen politischer Schärfen“; die Briefe der anderen wurden nach Kriegsende gefunden. Da Kaplan Lange und Pastor Stellbrink nahe Familienangehörige hatten, wurde diesen auf deren Antrag die Urnen mit der Asche der Hingerichteten zugeleitet.[15]
Die sterblichen Überreste von Johannes Prassek und Eduard Müller sind im Namenlosen untergegangen. Ihre Leichname wurden auf Anordnung der Gestapo zur Einäscherung in das KZ Neuengamme transportiert, dort verbrannt und ihre Asche in alle Winde zerstreut.
Zeugnis des Lebens und des Glaubens
Wenn später davon geschrieben wird, das „Schicksal der vier Lübecker Geistlichen (habe) einen Schrei des Entsetzens über die Blutjustiz nationalsozialistischer Gerichte hervorgerufen“[16], dann scheint dieser Schrei damals in Lübeck nur sehr verhalten verklungen zu sein. Vielleicht hat es der nordelbische Landesbischof Karl-Ludwig Kohlwag in seiner Predigt während des Gedenkgottesdienstes anlässlich des 50. Jahrestages der Hinrichtung der vier Lübecker Geistlichen am 10. November 1993, den der damalige Bischof von Osnabrück, Dr. Ludwig Averkamp, in Konzelebration mit allen nachfolgenden Kaplänen der Herz-Jesu-Kirche zelebrierte, trefflich geschildert: „Während sich um den Bischof von Münster eine Mauer der Solidarität seiner Gemeinde bildete, durch welche die Nazis nicht durchdringen konnten, standen in Lübeck diejenigen, die die Predigten des Bischofs von Münster verteilten, schutzlos da. Ein evangelischer Pastor, zwischen allen Stühlen seiner Obrigkeit und seiner Gemeinde, drei katholische Kapläne, deren Schicksal in dem protestantischen Lübeck nicht weiter interessierte. Dies waren die willkommenen Exempel, welche die Nazis statuieren wollten. Dies machte es aber auch so schwer und doch so notwendig, ihres Schicksals zu gedenken und dies Männer nicht zu vergessen“.
Was Johannes Prassek für die Unitas sein kann und ist, sagte der langjährige Vorsitzende des Unitas- Altherrenbundes Dr. Ludwig Freibüter so:
„Er war von der Schulzeit bis zur Hinrichtung von Unitariern umgeben. Er sollte auch heute mitten in der Unitas stehen. Er ist Märtyrer und Heiliger unserer Zeit - einfach, natürlich, ohne Schnörkel. Wir haben in ihm ein einzigartiges Vorbild und einen großen Fürbitter bei Gott. Aus seinem Munde würde es unpathetisch klingen, wenn er uns heute sagen würde: „Folgt Christus nach. Ihr braucht Euer Leben nicht zu riskieren, nur ein wenig Zivilcourage ist gefordert, um nach dem Glauben zu leben und sich in der Öffentlichkeit zu ihm zu bekennen.“ Nun denn, fangen wir damit an, ernst zu machen. Unsere Unitas würde dadurch glaubwürdiger“.[17]
Ehrungen und Gedenken
Johannes Prassek, am 25. Juni 2011 vor der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck seliggesprochen, wurde in das „Deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ aufgenommen. Stolpersteine sind ihm vor dem Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis 3 in Hamburg, an der Farmsener Landstraße 181 (Wandsbek, Volksdorf) und vor der Christus-König-Kirche in der Bramstraße 105 in Osnabrück-Haste gewidmet. In Lübeck erinnern zudem Ausstellungen und Gedenktafeln an die Hingerichteten, in Hamburg-Barmbek ist seit 2011 die Parkanlage am Osterbek-Kanal nach Prassek benannt. Fünf Pfarreien in Hamburg-Farmsen, Poppenbüttel, Volksdorf, Rahlstedt und Bramfeld (Heilig Geist, St. Bernard, Heilig Kreuz, St. Maria Himmelfahrt und St. Wilhelm) wurden zur Pfarrei Seliger Johannes Prassek vereinigt. Straßen in Hamburg-Wilhelmsburg, Osnabrück-Haste und Lübeck-Marli sind nach ihm benannt. Die Gedenkstätte Lübecker Märtyrer ist 2013 an der Lübecker Propsteikirche Herz (Parade) neu eröffnet worden. Orte des Gedenkens an die Märtyrer befinden sich in Bad Driburg, Berlin-Charlottenburg, Essen, Frankfurt am Main, Georgsmarienhütte-Oesede, Hamburg, Herten, Leer/Ostfriesland, Lingen-Laxten, Lübeck, Linz, Mölln, Neumünster, Osnabrück, Sande-Neustadtgödens, Spelle, Wietmarschen-Lohne und Wittenburg.
Das Haus der Unitas Sugambria in Osnabrück trägt seinen Namen und eine Widmung findet sich am Haus der Unitas Frankfurt. Im Haus seiner Unitas Ruhrania, die 1989/90 ins Ruhrgebiet nach Essen wechselte, sind ihm bildliche Erinnerung gewidmet, viele Unitas-Häuser schmückt sein Portrait, das im Rahmen einer Kunstaktion mit dem Künstler Mika Springwald bei Unitas Ruhrania entstand. Wie in Lübeck und Hamburg wird der Lübecker Märtyrer zu ihrem Todestag an vielen Unitas-Orten mit Gottesdiensten gedacht.
Mehr zu den Lübecker Märtyrern: http://www.luebeckermaertyrer.de/de/index.html
Das Lebensbild von Johannes Prassek: https://www.luebeckermaertyrer.de/de/geschichte/portraet/portraet-prassek.html
Referenzen
(1) Das Motto findet sich auch in der Gedenktafel der Lutherkirche in Lübeck: „man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen - Karl Friedrich Stellbrink, Pastor der Luthergemeinde 1934-1943, geb. 28. Oktober 1894, gestorben als Blutzeuge am 10. November 1943, Apg. 20,24“. Zur Gedenkfeier s. a. unitas 1994, S. 10f.
(2) Klemens von Klemperer, Die verlassenen Verschwörer, Der deutsche Widerstand auf der Suche nach Verbündeten 1938-1945, Berlin 1994 mit weiteren Literaturhinweisen.
(3) Hierzu gibt es den Vortrag „Johannes Prassek: Märtyrer und Heiliger unserer Zeit“ von Ludwig Freibüter, den dieser auf mehreren Vereinsfesten der Unitas 1994, zuletzt am 20. November 1994 vor der Unitas in Osnabrück, gehalten hat und dessen Manuskript den Priestern der Diözese Osnabrück übersandt wurde.
(4) Die Mutter wurde von Bbr. Pfarrer Bernhard Alves (M) in Ohlsdorf beerdigt.
(5) hierzu Else Pelke, Der Lübecker Christenprozeß 1943, Mainz 1961, S. 85.
(6) Den Religionsunterricht dort gaben die Geistlichen der Pfarrei St. Sophien, die BbrBbr. Pfarrer Alois Bromkamp (M) und Vikar Gerhard Hawighorst; Bbr. Bromkamp war Anfang der 20er Jahre als Kaplan Vorgänger von Johannes Prassek an der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck. Durch diese beiden Geistlichen dürfte er zur Unitas gekommen sein, der er bereits im 1. Studiensemester beitrat (s. Freibüter a.a.O, S.11).
(7) Sein Leibbursche war Bbr. Wilhelm Lübbers aus Emsbüren, später Dechant in Melle, der auch Lb. von Bbr. Msgr. Ludwig Kuckhoff war.
(8) „Es spricht für seinen Humor, dass sich der 1.94 m lange Prassek dort den Biernamen „Knirps“ gab. Bbr. Chefarzt a.D. Dr. Heinrich Althoff (M5), der mit ihm aktiv war, berichtet von einem lebensfrohen Bbr., der gern Bootshauswart des Bootshauses der Unitas Ruhrania an der Werse war. Er war ein hervorragender Schwimmer und vor allem im Kraulstiel unschlagbar“ (s. L. Freibüter a.a.O. S. 12).
(9) In einem Brief vom 23. Juni 1942 an einen Freund, zit. nach Pelke, a.a.O, S. 85.
(10) S. hierzu Martin Thoemmes: „Ich sehe ganz düster in die Zukunft“, Vor 100 Jahren wurde Karl-Friedrich Stellbrink geboren, Rheinischer Merkur, Nr. 43 vom 28. Oktober 1994, S. 25.
(11) Die Predigten des Bischofs von Galen waren von den Engländern auch als Flugblätter abgeworfen worden. Ein Feldwebel aus der Männergruppe des Vikars Lange war bei der Vervielfältigung erwischt worden. Seinem Anwalt gelang mit Hilfe von Galens der Nachweis, dass es sich um den Originaltext und nicht den Text der Flugblätter handelte. Dabei verlangte von Galen, „dass, wenn jemand zur Verantwortung für seine Predigten gezogen würde, er, der Bischof selbst das zu sein habe und kein anderer“. Die Forderung des Reichsführers SS Himmler und des Reichskirchenministers Kerrl, „dass in diesem Fall die einzigste Maßnahme, die propagandistisch und strafrechtlich ergriffen werden kann, durchgeführt wird, dass nämlich der Bischof von Münster erhängt wird“, wurde von Hitler und seinem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels abgelehnt, da „man das Volk damit in den offenen Protest treiben würde“. Der Feldwebel wurde freigesprochen; Prassek wurde auch nicht wegen Verteilung der Predigten, sondern u.a. nur wegen „verleumderischen“ Zusatzes zu den Predigten verurteilt (zit. nach Pelke, S. 24 u. 55).
(12) Entlarvend die Äußerung des Vorsitzenden des 2. Senats und Vizepräsidenten des Volksgerichtshofes Dr. Crohne am Rande der Verhandlung zu dem Verteidiger von Prassek und Müller, Rechtsanwalt Dr. Böttcher: „Ist ganz egal, alle Geistliche sind Schufte und Hunde. Auch Müller wird mit dem Tode bestraft“.
(13) Da genau 50 Jahre später, am 25. Januar 1994 in Dresden der 2. Waldheimprozeß begann, in dem sich ein DDR-Richter wegen Rechtsbeugung und versuchten Mords verantworten muß, weil er nach Kriegsende im sächsischen Waldheim Angehöriger eines Sondergerichts war, das in Schnellverfahren die Todesstrafe verhängte, sei wenigstens darauf hingewiesen, dass keinem der Richter des 2. Senats des Volksgerichtshofs, der damals in Lübeck tagte und deren Namen und Adressen nach dem Krieg bekannt waren, je ein Prozeß gemacht wurde.
(14) Ganz anders die nordelbische Kirchenleitung, über die der jetzige Bischof Karl-Ludwig Kohlwage schreibt, er könne „nach 50 Jahren nur mit Erschrecken feststellen, wie willfährig kirchenleitende Persönlichkeiten sich dem Unrecht beugten und einen Amtsbruder und seine Familie dem Schicksal überließen... Die vier Lübecker Märtyrer stehen für die Kirche Jesu Christi, die nicht lavieren und sich nicht in den Dienst des Unrechts stellen darf“. Ganz anders auch der Bischof einer Nachbardiözese, der in einem ähnlichen Falle ein Gnadengesuch „nur vom Generalvikar“ stellen ließ, was vom Reichsjustizministerium entsprechend gedeutet wurde.
(15) Die Urne von Hermann Lange ist heute in der Krypta seiner Herz-Jesu-Kirche beigesetzt.
(16) Peter Joseph Hasenberg, 125 Jahre Unitas-Verband, 1981, S. 172.
(17) Peter Joseph Hasenberg, 125 Jahre Unitas-Verband, 1981, S. 172.
Dieser Artikel ist auf Basis der Unitas-Handbücher (Band I-V) von Bbr. Dr. Wolfgang Burr entstanden.
Als es auf vaticannews gemeldet wurde, haben wir es sofort auf allen Kanälen weiterverteilt: Papst Franziskus hat mit der Promulgation der Beschlüsse der zuständigen Kongregation am Samstag, 19. Juni 2021, einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung unseres Bbr. Robert Schuman (1886-1963) getan. Bereits die in der französischen Zeitung „La Croix“ veröffentlichten ersten Nachrichten dazu hatten Anfang April 2021 für Aufsehen gesorgt.
„Gründervater des modernen Europa“
Immer wieder hat der Hl. Vater – wie bereits seine Vorgänger - an das Wirken des französischen Staatsmannes und „Vater Europas“ erinnert. Noch Ende Oktober 2020 warb er für eine verbesserte Zusammenarbeit und stärkere Eintracht in Europa und berief sich ausdrücklich auf das Erbe Robert Schumans. In einem offenen Brief an den vatikanischen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin (Wortlaut) rief Papst Franziskus anlässlich der 50-jährigen Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und den europäischen Institutionen dazu auf, in der aktuellen Krisenzeit „den Weg der Geschwisterlichkeit zu wählen“. Die Pandemie sei „wie eine Wasserscheide, die uns vor die Wahl stellt: entweder wir gehen den Weg des letzten Jahrzehnts weiter, der von der Versuchung zur Autonomie geprägt war und steuern so auf wachsende Missverständnisse, Gegensätze und Konflikte zu, oder wir entdecken wieder jenen Weg der Geschwisterlichkeit, der zweifellos die Gründerväter des modernen Europa, angefangen bei Robert Schuman selbst, inspiriert und beseelt hat“, so der Papst.
Traum von einem solidarischen Europa
Es könne kein authentisches Europa ohne die Grundpfeiler geben, auf die es sich historisch gründete, erklärte er und entwarf für die Zukunft die Vision eines Europa der Solidarität: „Ich träume also von einem menschenfreundlichen Europa; von einem Kontinent, in dem die Würde eines jeden respektiert wird, in dem der Mensch an sich einen Wert darstellt und nicht zu einem Gegenstand wirtschaftlichen Kalküls oder zu einer Ware wird; von einem Kontinent, der das Leben zu jedem Zeitpunkt schützt, von dem Moment an, in dem es unsichtbar im Mutterleib entsteht, bis zu seinem natürlichen Ende, denn kein Mensch ist Herr über das Leben, weder über das eigene noch das anderer; von einem Kontinent, der die Arbeit als vorzügliches Mittel sowohl für das persönliche Wachstum als auch für den Aufbau des Gemeinwohls fördert und Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem für die Jüngeren schafft. Menschenfreundlich zu sein, bedeutet, Bildung und kulturelle Entwicklung zu fördern.“ Sein zweiter Traum sei die Einheit. Er träume aber auch, so das dritte Element, von Europa als „Familie und Gemeinschaft“, als Ort, der die besonderen Eigenschaften jedes Menschen und jedes Volkes zu würdigen wisse, „ohne zu vergessen, dass sie eine gemeinsame Verantwortung verbindet“.
Verantwortung der Christen
Es brauche ein großzügiges Europa als „einladender und gastfreundlicher Ort, wo die Nächstenliebe – welche die höchste christliche Tugend ist – alle Formen von Gleichgültigkeit und Egoismus überwindet“, so Papst Franziskus. Er träume von „einem gesund säkularen Europa, in dem Gott und Kaiser zwar unterschiedliche aber nicht einander entgegengesetzte Wirklichkeiten bezeichnen; von einem Kontinent, der offen ist für die Transzendenz, in dem die Gläubigen frei sind, ihren Glauben öffentlich zu bekennen und ihren Standpunkt in der Gesellschaft vorzubringen. Die Zeit des Konfessionalismus ist vorbei, aber hoffentlich auch die eines gewissen Säkularismus, der seine Türen für die anderen und vor allem für Gott verschließt, denn es ist evident, dass eine Kultur oder ein politisches System, das die Offenheit für die Transzendenz nicht achtet, auch die menschliche Person nicht angemessen respektiert.“ Damit trügen die Christen heute eine große Verantwortung: „Wie die Hefe im Teig sind sie aufgerufen, das Bewusstsein für Europa wiederzuerwecken, um Prozesse anzustoßen, die neue Dynamiken in der Gesellschaft erzeugen. Ich ermutige sie daher, sich mit Mut und Entschlossenheit zu engagieren, um ihren Beitrag in allen Bereichen, in denen sie leben und arbeiten, zu leisten.“
Verantwortung für den Kontinent der Freiheit
In diesem Geist stand auch die jüngst von allen Delegierten der 144. Generalversammlung des Unitas-Verbandes in Essen einstimmig verabschiedete Europa-Resolution, die von der Unitas an der Ruhr vorbereitet worden war. „Jetzt ist die Stunde Europas: Wir Unitarier bekennen uns zu unserer Verantwortung für den Kontinent der Freiheit“, unterstrich die vom W.K.St.V. Unitas Ruhrania Bochum – Duisburg-Essen – Dortmund zur Bundesversammlung am 4. Juni 2021 eingebrachte Erklärung: „Freiheit heißt Verantwortung“ lautet das Leitwort der 144. Generalversammlung des Unitas-Verbandes in Essen. Im 70. Jahr nach der Gründung der Montan-Union bekennt sich der Unitas-Verband in Verpflichtung gegenüber dem politischen Erbe seines Bundesbruders Robert Schuman zu seiner Verantwortung, dass wir Europa als Kontinent der Freiheit aktiv mitgestalten.“ Im Sinne der unitarischen Prinzipien „virtus, scientia, amicitia“ plädierte die Erklärung für ein Europa der christlichen Tugenden, für ein Europa der Wissenschaft und der Freundschaft: „Der Unitas-Verband versteht dieses Bekenntnis als Selbstverpflichtung, aber auch als Appell an alle Glaubensgeschwister, ihrer Verantwortung als Christen für den Kontinent der Freiheit nachzukommen.“
Geprägt von der Unitas – die Unitas prägend
Im Artikel von Radio Vatikan berichtete Mario Galgano: „Schumans Engagement in der Politik und für ein geeintes Europa sei nicht zu trennen von seinem katholischen Glauben, kann man in vielen Biographien des Politikers nachlesen. So trat er 1904 in Bonn der katholischen Studentenverbindung Unitas-Salia bei, deren Wahlspruch „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ lautet: „Im notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem aber Nächstenliebe“. Ziel der Verbindung war es, die studentische Jugend mit dem Gedanken des christlichen Dienens und der katholischen Soziallehre vertraut zu machen. Stärker als andere katholische Studentenverbände war Unitas am geistlich-religiösen Leben ihrer Mitglieder interessiert.“
Mit der Zuerkennung des sogenannten „heroischen Tugendgrades“ für Bbr. Robert Schuman steht fest, dass er die „göttlichen Tugenden Glauben, Hoffnung und Liebe zu Gott und zum Nächsten sowie die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit und die damit zusammenhängenden Tugenden in einem heroischen Grad verwirklicht hat" – so die Formel, mit der er als „venerabilis Dei servus“ gilt. Nach seiner offiziellen Seligsprechung, der nun nichts mehr im Weg steht, wäre Bbr. Robert Schuman nach den von den Nationalsozialisten als Glaubenszeugen ermordeten Priestern Georg Häfner, Johannes Prassek und Eduard Müller der vierte Selige aus dem Unitas-Verband.
Mitglied der Unitas
Bbr. Robert Schuman war „geborener Europäer“: Seine Heimat lag auf der Grenze zwischen Luxemburg und Lothringen, das 1871 an das Deutsche Reich fiel. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wollte er ursprünglich Priester werden. Doch Freunde überzeugten ihn, dass die Welt tüchtige Laien brauche. Er studierte Rechtswissenschaften, Volks-, Welt- und Finanzwirtschaft ab 1904 in Bonn, wo er sich sofort der Unitas-Salia anschloss, 1905 war er bei Unitas München aktiv, 1906 bei Unitas Arminia in Berlin und danach bis zum Studienabschluss bei Unitas Straßburg. „Schuman vulgo Eggi“ betätigte sich als Referendar und Rechtsanwalt in Metz nicht nur im örtlichen Altherrenzirkel der Unitas, sondern war einer der Gründer des Katholischen Akademikerverbandes in Deutschland.
1910 wird er mit „summa cum laude“ zum Dr.iur. promoviert, 1912 hält er in Metz Vorträge über Caritas-Fragen und wird lebenslanges Mitglied der Görresgesellschaft zur Pflege der Wissenschaften. Zu Ostern 1913 lernt er in Maria Laach mit anderen jungen Akademikern, u.a. dem späteren Reichskanzler Heinrich Brüning die neue liturgische Bewegung kennen, ist 2. Sekretär des 60. Deutschen Katholikentages in Metz und Teilnehmer bei der Konstituierung einer internationalen Vereinigung zum Studium des Völkerrechts nach christlichen Grundsätzen im belgischen Löwen.
Politische Laufbahn
Mit der Rückkehr Lothringens nach Frankreich 1918 begann Schumans politische Karriere: Er knüpft ein dichtes Netz von Kontakten mit christlich-demokratischen Politikern aus ganz Europa, etwa Konrad Adenauer oder dem Italiener Alcide de Gasperi. Von 1919 bis 1940 gehört er als Abgeordneter seiner Heimat der französischen Deputiertenkammer an. Als Mitglied christlich-demokratisch orientierter Gruppierungen befasst er sich dort vor allem mit der rechtlichen Integration der ehemals deutschen Gebiete und fand auch als Finanzpolitiker Beachtung. Zeitweilig war Schuman Vizepräsident der Kammer – bis zur Berufung zum Unterstaatssekretär für das Flüchtlingswesen. Als 1933 die Nationalsozialisten den Unitas-Verband zur Aufgabe des Katholizitätsprinzips zwangen, stellte Schuman seine Beitragszahlungen nach Deutschland ein und zahlte fortan bis zum endgültigen Verbot der Unitas nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 an die österreichische Unitas. Als die deutsche Besatzung Elsaß-Lothringen wieder dem Deutschen Reich angliederte, wurde Schuman in Haft genommen und nach Neustadt an der Weinstraße gebracht. Aus der Haft gelang die Flucht in den Süden Frankreichs; bis zur Befreiung des Landes durch die Alliierten konnte sich Robert Schuman in einem Trappisten-Kloster und in einem Waisenhaus verbergen.
Finanzminister, Regierungschef und Außenminister Frankreichs
1945 zog der inzwischen 57-jährige Politiker wieder ins Pariser Parlament ein. Bereits ein Jahr später ist er Finanzminister und von 1947 bis 1948 Regierungschef. Der bedeutendste Abschnitt seiner Tätigkeit aber fällt in seine Amtsjahre als Außenminister Frankreichs von 1948 bis 1952: Am 9. Mai 1950 um 16 Uhr gibt Schuman im Uhrensaal des Außenministeriums am Quai d´Orsay seine historische Erklärung zur Neukonstruktion Europas: Er verliest eine Regierungserklärung, in der er die grundlegenden Gedanken für eine Vereinigung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlindustrie bekannt gibt – und mehr. Das Risiko ist kalkuliert – er nimmt die Konsequenzen auf sich, denn sein Plan kommt einem politischen Selbstmord gleich. Und doch wird seine „Historische Erklärung“ heute mit Recht als die Geburtsstunde dessen gefeiert, was wir heute Europa, das politische Europa nennen.
Historische Erklärung von 1950
„Was wir brauchen, ist ein vereintes Europa, das ausschließlich auf Werke des Friedens ausgerichtet ist, ein Europa, das seine Anstrengungen und seine Ressourcen bündelt, um das wieder aufzubauen, was fünf Kriegsjahre zerstört haben“, hatte er bereits am 17. Januar 1949 in Bern erklärt. Jetzt scheint es ihm an der Zeit, dies endlich in der Politik durchzusetzen: Seine mit Jean Monnet, dem Chef des staatlichen Planungsamtes entworfene Regierungserklärung vom 9. Mai 1950 ist mehrere Wochen streng geheim vorbereitet worden, Schuman hat sie in seinem Haus in Scy-Chazelles noch einmal intensiv überdacht. Ministerpräsident Georges Bidault hat nicht reagiert, nur wenige Stunden zuvor wird der deutsche Kanzler Konrad Adenauer informiert und stimmt sofort zu. Schuman tritt an das Mikrophon und erklärt in seinen einleitenden Sätzen:
„Es geht nicht mehr um leere Worte, sondern um eine mutige Tat, um eine Gründungstat. Frankreich hat gehandelt, und die Folgen seines Handelns können gewaltig sein. Wir hoffen, dass sie es sein werden. Frankreich hat in erster Linie im Interesse des Friedens gehandelt. Damit der Frieden eine echte Chance erhält, muss es zunächst ein Europa geben. Fast auf den Tag genau fünf Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands tut Frankreich den ersten entscheidenden Schritt für den Aufbau Europas und beteiligt Deutschland daran. Die Verhältnisse in Europa müssen sich dadurch vollständig verändern. Diese Veränderung wird weitere gemeinsame Taten möglich machen, die bisher undenkbar waren. Daraus wird ein Europa entstehen, ein zuverlässig vereintes und ein sicher gebautes Europa.“
Programmatische Erklärung
Seine Erklärung ist programmatisch: „Der Friede in der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die den Gefahren entsprechen, die den Frieden bedrohen“, sagt er. Europa lasse sich nicht mit einem Schlage herstellen, sondern es werde durch konkrete Tatsachen entstehen. Zunächst müsse eine „Solidarität der Tat“ geschaffen, der jahrhundertealte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht werden – sofort, durch einen ersten ganz pragmatischen, „begrenzten, doch entscheidenden“ Schritt: Die französisch-deutsche Kohle- und Stahlproduktion soll einer gemeinsamen Hohen Behörde unterstellt werden, deren Entscheidungen bindend sind. Die Zusammenfassung der wirtschaftlichen Interessen werde zur Hebung des Lebensstandards und zur Schaffung einer Wirtschaftsgemeinschaft beitragen, zudem sei dieser Vorschlag offen für alle anderen europäischen Nationen, die die Ziele teilten.
„Zerstückelung Europas ist ein Nonsens“
Ein knappes Jahr später erläutert Schuman in der ZEIT (26. April 1951): „Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass ein geeintes Europa nur eine Improvisation ist, ein Ausweg zur Lösung des deutschen Problems oder ein Schachzug gegenüber der russischen Bedrohung. Es gibt tiefere und nachhaltigere Gründe für die Einigung.“ Die europäischen Länder fühlten sich in ihren nationalen Grenzen mehr und mehr beengt, meint er, sie könnten sich nicht mehr aus eigener Kraft erhalten und ihre inneren Probleme mit eigenen Mitteln lösen. Sein Fazit: „Die Zerstückelung Europas ist ein Anachronismus, ein Nonsens, eine Häresie geworden. Die politischen Grenzen sind das Ergebnis einer historischen und ethnischen Entwicklung, die wir respektieren. Es soll keine Rede davon sein, sie auszulöschen. In früheren Epochen veränderte man sie mit Hilfe gewaltsamer Eroberungen oder ertragreicher Heiraten. Heute genügt es, ihre Bedeutung zu entwerten. Auf den alten Grundmauern müssen wir ein neues Stockwerk errichten. Das Übernationale wird auf nationalen Grundsteinen ruhen.“
„Europa schaffen“
Doch das europäische Projekt hat schon Fahrt aufgenommen – sein Vorschlag ist in der Welt. Jetzt seien europäische Körperschaften zu bilden, die für gewisse Aufgaben spezialisiert sind. Seine Vision, so Schuman wörtlich: „Europa schaffen“ heißt gewiss letzten Endes, eine alleinige souveräne europäische Autorität ins Leben rufen.“ (ebd.) 1953 tritt die von Schuman beeinflusste „Straßburger Konvention für Menschenrechte und bürgerliche Grundfreiheiten“ tritt in Kraft, die heute in 26 europäischen Staaten für über 500 Millionen Menschen gültig ist und entscheidend die geistigen Grundlagen des KSZE-Prozesses mitprägt. 1953-1958 wirbt Schuman in allen europäischen Ländern in zahllosen Vorträgen als „Pilger Europas“ für seine politische Vision Europas und ist 1958-1960 erster Präsident des Europäischen Parlaments - zu seiner einmütigen Wahl gibt es stehende Ovationen für den „Vater Europas“.
Als er zwei Monate nach seiner Wahl am Himmelfahrtstag, 15. Mai 1958, mit dem 1950 in Aachen gestifteten Karlspreis ausgezeichnet wird, unterstreicht er erneut die Bedeutung des europäischen „Zentralproblems“ Deutschland-Frankreich „und dass es keine Lösung für Europa geben konnte, solange dieses Problem nicht gelöst war“, wie Bbr. Robert Schuman erklärt: „Es ist gelöst, und eine Sitzung wie die heutige ist der beste Beweis dafür, dass es in den Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland keine Streitobjekte gibt und dass es für uns die größte und tiefste Befriedigung ist, die wir in einer Zeremonie wie der heutigen empfinden.“
1963: Tod in Scy-Chazelles
Am 4. September stirbt Bbr. Robert Schuman im Alter von 77 Jahren in Scy-Chazelles. Abertausende von Bürgern der Stadt Metz säumten am 7. September 1963 die Straßen, als der Sarg von der Präfektur zur Totenmesse in der Kathedrale überführt wird. Für die Bundesrepublik nimmt Bbr. Dr. Heinrich Krone teil, an der Spitze des Leichenzuges zieht die französische Fahne, hinter ihr auf Bbr. Schumans ausdrücklichen persönlichen Wunsch die blau-weiß-goldene Fahne der Unitas, getragen vom Senior der UNITAS Rhenania, mit zwei Bundesbrüdern seiner UNITAS-Salia und der UNITAS Stolzenfels. Auch der Bonner Zirkelvorsitzende gehörte mit der unitarischen Delegation und den Chargen zu dem kleinen Kreis der Ehrengäste (s. „Ein großer Europäer ist heimgegangen“, in: unitas, 103. Jg, Dez. 1963, Heft 12, 226, s.a. „Ein edler Christ, ein großer Europäer, ein treuer Unitarier“, in: unitas 1963, 182ff.) Seit dem 29. Juni 1986 erinnert der Unitas-Verband mit einer Gedenktafel in Berlin an seinen großen Bundesbruder.
Der Unitas zeitlebens verbunden
Dem Unitas-Verband blieb Schuman zeitlebens verbunden, empfing auch als Minister Bundesbrüder aus Mainz und Freiburg, schrieb Briefe. Der vom 3.-9. August 1950 in München tagenden 73. Generalversammlung der UNITAS schrieb Schuman: „Aus Strasbourg, dem Sitz des zurzeit tagenden Europa-Rates entbiete ich dem Unitas-Verband in freundlicher und dankbarer Erinnerung meine besten Wünsche für geistiges Gedeihen und wirksame Friedensarbeit.“ Den UNITAS-Vereinen in Münster wünschte er 1955 zum Stiftungsfest ausdrücklich: „Amicitia über die nationalen Grenzen hinaus soll nunmehr ein Losungswort sein für die Unitas.“ Und egal, was viele auch heute sagen: Europa lebt. Ein Kontinent, der aus seinen christlichen und humanistischen Wurzeln zum Frieden und zur Solidarität aufgerufen bleibt.
Links:
19.06.2021: EU-Mitgründer Schuman auf dem Weg zur Seligsprechung
05.06.2021: „Europa verpflichtet“: Unitas verabschiedet Essener Resolution
28.05.2021: Ruhr-Europatag 2021: Leidenschaftlich für Europa
03.05.2021: Ruhr-Europatag 2021: Agape statt Armageddon
09.04.2021: Bbr. Robert Schuman vor der Seligsprechung?
27.10.2020: Papst träumt von einem „menschenfreundlichen Europa“
BAMBERG / UNITAS. Sein Vater hätte gern gesehen, dass der Sohn Förster wird, er selbst wollte erst eigentlich Arzt oder Lehrer werden. Doch dann kam alles ganz anders: Der emeritierte katholische Bamberger Erzbischof Bbr. Ludwig Schick feierte am 22. September 2024 seinen 75. Geburtstag. Geboren 1949 in Marburg, studierte er in Fulda und Würzburg, schloss sich dort 1972 der Unitas Hetania an, empfing 1975 die Priesterweihe und ging 1976 nach Rom. Er war Vizerektor an der Anima und wurde 1980 an der Gregoriania promoviert.
Von Fulda nach Würzburg
Von 1981 bis 2002 lehrte Prof. Dr. Ludwig Schick Kirchenrecht in Fulda und Marburg. Ab 1995 war er Generalvikar in Fulda und 1998 Weihbischof, leitete er bei der 2001 tagenden Weltbischofssynode als Moderator die deutschsprachige Arbeitsgruppe. 2002 wurde er zum 75. Bischof in Bamberg berufen und empfing 2003 das Pallium. Auch seinen Dienst im „Fränkischen Rom" stellte der neue Erzbischof unter seinen Wahlspruch „Sapientia nobis a Deo“ (Jesus Christus, unsere Weisheit, von Gott gegeben). In der Deutschen Bischofskonferenz übernahm er von 2006 bis 2021 als „Außenminister“ die Leitung der Kommission X „Weltkirche”. Wo immer er auf dem Globus unterwegs war – in den Metropolen der Welt und selbst an den Pyramiden hat er auf seine morgendliche Joggingrunde nie verzichtet.
„Die Frohe Botschaft authentisch verkünden“
Seit vielen Jahren verfolgt er als engagierter Beobachter die Entwicklungen auch im eigenen Land: „Die Kirche muss eindeutiger die Frohe Botschaft verkünden“, erklärte er bereits just vor 20 Jahren. Reden und Tun müssten übereinstimmen, sagte er damals schon dem „Fränkischen Tag“: „Die Kirchenaustritte schwächen unsere christlich geprägte Gesellschaft.“ Viele seien auch enttäuscht von der Kirche. Sie müsse sich fragen, „was sie falsch gemacht habe und was sie besser machen kann“, forderte Schick. „Sie muss an den Freuden und Leiden der Menschen hilfreich teilnehmen. Sie muss authentisch leben, Reden und Tun müssen übereinstimmen.“ Die Kirche müsse den Menschen nahe sein: „Verständliche und menschenorientierte Verkündigung, frohe und aufbauende Gottesdienste, Teilnahme am konkreten Leben der Menschen verhindern Austritte.“
Auch er selbst, bekannte er noch im Juni des Jahres, sei zunächst kein gläubiger Mensch gewesen und habe bis zum Abitur gezweifelt. Theologie habe er studiert, um seine Kenntnisse vom christlichen Glauben zu vertiefen, sagte Schick im Podcast «Fränkischer Talk». Doch noch heute überkämen ihn Zweifel an Gott, wenn er mit Berichten über Katastrophen aus der ganzen Welt konfrontiert werde. „Aber wenn es Gott nicht gibt, dann ist ja alles sinnlos“, so Schick, viel Leid sei von den Menschen selbst verschuldet. Würden sie an Gott glauben, würden sie auch anders handeln.
„Für eine bessere Welt und gute Zukunft für alle"
Als Vorsitzender des Stiftungsrats der 2007 gegründeten Maximilian-Kolbe-Stiftung setzt sich Erzbischof em. Dr. Ludwig Schick für die Versöhnung zwischen Menschen über nationale Grenzen hinweg ein. Mitte August erklärte beim 15. Europäische Workshop zum Umgang mit der gewaltbelasteten Vergangenheit von Auschwitz, wie wichtig praktische Solidarität mit Opfern und Wahrhaftigkeit gegenüber Geschehenem dafür seien, um in langfristiger Perspektive die Hoffnung auf Versöhnung nähren zu können. Die vielfältigen Erfahrungen der Versöhnungsprozesse in Europa hielten auch heute wichtige Lehren bereit: „Da Verletzungen, Gewalt und Kriege immer wieder vorkommen werden, bleiben auch Versöhnung und Befreiung ein Dauerauftrag. Versöhnung zur Befreiung - um in Freiheit sich für eine bessere Welt und gute Zukunft für alle einzusetzen, muss immer neu thematisiert werden.“
Nach 20 Jahren im bischöflichen Dienst in Bamberg hatte der Vielgereiste 2022 Papst Franziskus um Versetzung in den Ruhestand gebeten. „Du bist dahin gegangen, wo sonst niemand hinreist: in Krisengebiete der Welt, an Orte, wo das Elend zum Greifen nahe ist“, würdigte ihn Bischof Georg Bätzing für die Bischofskonferenz damals: „In entlegensten Gegenden, wo kaum ein Besucher hinkommt, warst Du zu Hause. Kein Weg war Dir zu weit, kein Land zu gefährlich und kein Schlafmangel zu viel. Mit ausgestreckten Händen bist Du auf die Menschen zugegangen, hast Ihnen die Solidarität aus Deutschland vermittelt. Mit offenen Ohren hast Du vom Elend der Verfolgten und Entrechteten gehört und mit Deinen Möglichkeiten versucht, etwas zum Frieden beizutragen. Du warst unser Botschafter der Deutschen Bischofskonferenz in der Welt. Wie kein anderer hast Du weltweite Brücken gebaut und Solidarität gelebt. Dir ist es zu verdanken, dass die Verantwortung für die verfolgten Christen lebendig ist in unserer Kirche. Ihnen galt Dein selbstloser Einsatz.“
Gratulor in den Unruhestand
Mit seinen Stiftungen „Familienstiftung Kinderreich“ und „Stiftung Brot für alle Menschen“ hat der em. Erzbischof in Bamberg bleibende Spuren hinterlassen, auch seine vielen Reisen zeugen davon, dass von „Ruhestand“ kaum die Rede sein kann. Immer wieder äußert er sich auch politisch und zu gesellschaftlichen Debatten, twittert mit Leidenschaft, wird für Firmungen, Festgottesdienste, Vertretungen, zu Vorträgen, Einkehrtagen und Exerzitien angefragt. Täglich zieht er jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe seine Joggingrunden und macht in jedem Jahr sein Sportabzeichen. Dass er immer wieder zur Verfügung steht, freut auch seine Bundesschwestern und Bundesbrüder, die ihm zum 75. Geburtstag Gottes Segen und beste Gesundheit wünschen!
Alt-Bürgermeister und Ehrenmitglied: Bbr. Hanns Sobek
Bbr. Hanns Sobek, von 1984 bis 1994 1. Bürgermeister der Stadt Essen, Ehrenmitglied bei UNITAS Liudger in Essen, ist 2006 im Alter von 78 Jahren verstorben. Er hatte von Jugend an in der Essener Kirche und in der Kommunalpolitik an leitender Stelle Verantwortung übernommen. So war er ab 1952 Dekanatsjugendführer des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend in Werden, ab 1954 Stadtjugendführer und schließlich ab 1958 der erste BDKJ-Diözesanvorsitzende. Auch im Pfarrgemeinderat von St. Theresia Rellinghausen war er lange tätig. 1959 gehörte Sobek zu den Mitbegründern der Essener Pax-Christi-Gruppe, deren Vorsitz er bis 1962 innehatte.
Der CDU-Politiker war von 1995 bis 1998 Vorsitzender des Stadtkatholikenausschusses und bekleidete damit das höchste Wahlamt für katholische Laien in der Stadt. „Er war ein Überzeugter, der überzeugen konnte“, würdigte Weihbischof Franz Grave den verstorbenen Essener Altbürgermeister. Mit dem Verstorbenen verliere das Ruhrbistum einen Mann der ersten Stunde, der mit großem Engagement und Tatkraft das 1958 gegründete Bistum Essen mit aufgebaut habe. Essen verliere einen engagierten, überzeugten Christen und Politiker, übermittelte Stadtdechant Otmar Vieth seine Anteilnahme.
Seine Vertrautheit mit kirchlichen wie städtischen Strukturen ermöglichte es ihm, prägend am Jubiläumsjahr „1150 Jahre Stift und Stadt Essen“ 2002 mitzuarbeiten. In November desselben Jahres wurde ihm der Gregoriusorden verliehen, eine der höchsten Auszeichnungen des Papstes für katholische Laien. Hanns Sobek habe als katholischer Christ aus seinem ganzheitlichen Denken und Glauben heraus sein Leben gestaltet, indem er immer wieder für andere Menschen Verantwortung getragen habe, hieß es in der Ordensbegründung. Besonders die Verantwortung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene habe das Tun des früheren Rektors der Stiftsschule in Essen-Stadtwald bestimmt.
„Wir wussten von seiner schweren Krankheit, hatten aber gehofft, er hätte sie überwunden", erklärte Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Reiniger 2006 in seiner Würdigung Bbr. Sobeks, der 1961–1994 dem Rat der Stadt Essen angehörte. „Wir alle trauern um einen guten Freund, einen Sympathieträger in unserer Stadt.“ Sein von 1984 bis 1991 ausgeübtes Amt als 1. Bürgermeister der Stadt habe er stets mit viel Humor und Gespür für die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ausgeübt. Besonders engagierte sich Hanns Sobek in der Sportpolitik. Als Sportsmann, Experte und Vorsitzender des Sportausschusses galt für ihn das Motto des „Fairplay“, das sich auch in seinem Wirken niederschlug und ihm große Anerkennung eingebracht habe.
In der Christlich Demokratischen Union aktiv seit 1952, übte Hanns Sobek in den mehr als 50 Jahren seiner Mitgliedschaft vielfältige Ämter aus. So war er Mitglied des Kreisvorstandes und 1981 bis 1991 stellvertretender Vorsitzender dieses Gremiums. 1984 bis 1989 war er Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU in Essen. „Die CDU verliert mit ihm einen engagierten und bodenständigen Politiker, der sich weit über die politischen Grenzen hinweg höchstes Ansehen erworben hat“, würdige Franz-Josef Britz, Vorsitzender der CDU Essen und der CDU Ratsfraktion, unser verstorbenes Ehrenmitglied.
CB
Mitgründer im Ruhr-Bistum: Bbr. Prälat Paul Solbach
Am 22.12.2000 hat Bundesbruder Msgr. Paul Solbach, geboren am 2. November 1913 in Wildberg, nach kurzer akuter Krankheit in Olpe/Biggesee das Zeitliche gesegnet. Am 25. Juli 1940 in der Kölner Minoritenkirche zum Priester geweiht, war er zunächst zur Aushilfe an St. Peter in Köln-Ehrenfeld tätig. Nach dem Militärdienst 1941-1945 trat er eine Kaplanstelle an St. Franziskus in Gummersbach an.
Seit 1952 Kaplan an der Essener Münsterkirche und Präses der Kolpingfamilie Essen-Zentral erlebte er aktiv die Gründung des neuen Ruhr-Bistums mit. Dem neuen Bischof Franz Hengsbach diente er 1958 bis 1960 als bischöflicher Kaplan und Sekretär, er übernahm von 1958-1966 das Amt des Diözesanpräses der Kolpingsfamilie, wirkte 1960-1966 als Domvikar und Domzeremoniar und von 1961 bis 1966 als Diözesan-Männerseelsorger. 1963 war er bereits zum Päpstlichen Ehrenkaplan ernannt worden.
Ab 1966 war Bbr. Solbach Pfarrer an St. Laurentius in Plettenberg. 19 Jahre sollte er seiner Gemeinde als Seelsorger dienen. Im Dekanat Altena übernahm Bbr. Solbach gleichzeitig bis 1972 das Dechantenamt und wirkte 1968 bis 1980 als Kreisdechant im Kreisdekanat Altena-Lüdenscheid. 1969 wurde Bbr. Solbach zum nichtresidierenden Domkapitular an der Kathedralkirche zu Essen ernannt. Seit 1981 Ehrendechant, ging er 1985 als Pfarrer in den Ruhestand.
Am 29.12.2000 ist er unter großer Beteiligung von Priestern und Gemeindemitgliedern der St.-Laurentius-Gemeinde Plettenberg, von Priestern, Verwandten und Bekannten aus dem Ort seines letzten seelsorgerlichen Wirkens zur letzten Ruhe geleitet worden. Bischof Dr. Luthe von Essen feierte das Requiem als Hauptzelebrant, sein Nachfolger als Pfarrer der St.-Laurentius-Gemeinde hat Bbr. Solbach auf dem katholischen Friedhof in Plettenberg beerdigt.
Bbr. Pfarrvikar Anton Spies – Von Nazis ins KZ gebracht
(* 24. November 1909 in Heckfeld/Badisches Frankenland, + 19. April 1945 Dachau), als Schüler des dortigen Erzbischöflichen Knabenkonvikts in die Quarta des Tauberbischofsheimer Gymnasiums aufgenommen, 1930 Reifeprüfung, Theologiestudium in Münster, Eintritt bei UNITAS Ruhrania, Priesterweihe 1935, Vikar in Bühl bei Offenburg, Vikar in Lauda, Mudau, Distelhausen, Uissingheim, 1939 in Ketsch. 1941 festgenommen und in das Untersuchungsgefängnis Mannheim gebracht, nach Nazi-Anklage wegen „Sittlichkeitsverbrechen“ zwei Jahren Zuchthausstrafe, anschließend von Gestapo in „Schutzhaft“ gehalten. 1943 in das KZ Dachau eingeliefert. Wenige Wochen, bevor er von den Amerikanern befreit worden wäre, an Flecktyphus gestorben und in einem Massengrab beigesetzt. Bis heute nicht rehabilitiert.
Blutzeuge im Dritten Reich:
Bundesbruder Pfarrvikar Anton Spies
von Bbr. Lambert Klinke
Der zur UNITAS Ruhrania Münster gehörende Anton Spies wurde am 24. November 1909 in dem kleinen Dorf Heckfeld im badischen Frankenland geboren. Seine Kindheit und Jugend verlief in geordneten, für einen aus bäuerlicher Familie stammenden späteren Priester nachgerade typischen Bahnen. Er besuchte zunächst bis zur siebten Klasse die Volksschule und wurde dann, nachdem ihm ein Geistlicher durch Privatstunden entsprechend vorbereitet hatte, als Schüler des dortigen Erzbischöflichen Knabenkonvikts in die Quarta des Tauberbischofsheimer Gymnasiums aufgenommen, wo er am 29. März 1930 mit befriedigendem Ergebnis die Reifeprüfung ablegte.
Auch seine Leistungen im Theologiestudium, im Collegium Borromaeum und schließlich im Priesterseminar waren eher unterdurchschnittlich, „dabei aber stets fleißig und von besten Absichten getragen.“ Der Skrutinialbericht des Theologischen Konviktes bescheinigte ihm Frömmigkeit sowie einen willigen und zugänglichen Charakter. Die Beurteilung des Erzbischöflichen Priesterseminars empfahl ihn für „einfache Landposten“ und fügte an, er werde aufgrund seiner Stetigkeit und Überlegtheit ein solider und würdiger Seelsorger werden. Die Priesterweihe empfing Anton Spies am 31. März 1935, danach trat er seine erste Stelle als Vikar in Bühl bei Offenburg an. Es folgten weitere Vikarstätigkeiten in Lauda, Mudau, Distelhausen, Uissingheim und schließlich im Jahr 1939 in Ketsch. In der praktischen Seelsorge erwies sich Spies dabei als in jeder Hinsicht unauffälliger und eifriger Priester; seine Prinzipale sahen in der Landseelsorge den rechten Ort für ihn, und auch er selbst hatte keine andere Absichten, als „einfacher“ Landpfarrer zu werden.
Am 4. März 1941 teilte der Ketscher Ortspfarrer Gustav Westermann dem Erzbischöflichen Ordinariat mit, daß Pfarrvikar Anton Spies am 28. Februar 1941 von der Gendarmerie festgenommen und in das Untersuchungsgefängnis Mannheim gebracht worden sei: „Es wird ihm angeblich zur Last gelegt, an Ministranten unsittliche Handlungen vorgenommen zu haben. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß den Verhältnissen nach er unschuldig ist, da die Anzeige vom hiesigen Rektor aus Gehässigkeit gegen uns Geistliche erfolgte.“ In einem weiteren Schreiben an die kirchlichen Behörden charakterisierte Pfarrer Westermann den denunzierenden Rektor als höchst gehässigen Kirchengegner, der schon seit Jahren erfolglos versucht habe, ihn, den Ortsgeistlichen, zur Strecke zu bringen. Da ihm das bisher nicht gelungen sei, habe er es eben nun beim Vikar versucht. Danach bekräftigte Westermann noch einmal seine Überzeugung, Spies sei unschuldig und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage: „Das möchte ich noch zum Schluß anführen, daß die Beschuldigungen von sittlich sehr minderwertigen Personen ausgehen, die in enger Freundschaft mit dem Rektor stehen. Der weitaus größte Teil der Pfarrgemeinde hält Herrn Spies für unschuldig und kennt den Rektor.“ Eine Frau aus Ketsch, die den Vikar ebenfalls verteidigte, wurde deswegen belangt, wie aus einer „Meldung wichtiger staatspolitischer Ereignisse“ aus Berlin vom 6. August 1941 hervorgeht: „Für die Dauer von zehn Tagen wurde von der Stapoleitstelle Karlsruhe die Ehefrau Sophie M. [...] in Schutzhaft genommen, weil sie die Behauptung aufgestellt hatte, daß die in dem Verfahren gegen den katholischen Kaplan Spies, [...] vernommenen Zeugen falsche Aussagen gemacht haben.“
Alle Bemühungen von Pfarrer Westermann, dem Erzbischöflichen Ordinariat und des mit der Verteidigung beauftragten Rechtsanwaltes waren vergeblich, da das Gericht den Aussagen der etwa elf Jahre alten Schüler mehr Glauben schenkte als Anton Spies. Eine Rolle dürfte auch gespielt haben, daß Spies nicht einfach rundweg alles abstritt, sondern zugestand, „es könne durchaus vorgekommen sein“, daß er „hin und wieder einen der Knaben berührt habe - doch allenfalls versehentlich und ohne jegliche unsittliche Absicht.“ Daraufhin wurde Bundesbruder Anton Spies nach damals angewandten „Recht“ zu zwei Jahren Zuchthausstrafe verurteilt, woran weder die eingelegte Revision noch der Versuch, ein Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu bringen, etwas ändern konnten. Anton Spies verbüßte die Strafe teils im Zuchthaus, teils wurde er beim Autobahnbau eingesetzt. Bald nach der Verurteilung, die, so sah es nach außen hin aus, Spies' Schuld zweifelsfrei erwiesen hatte, setzte auch das Freiburger Ordinariat ein Verfahren gegen ihn in Gang, was die seelischen Leiden des sich als unschuldig ansehenden weiter verschlimmerte.
Als am 2. August 1943 die Strafzeit abgelaufen war, wurde Anton Spies jedoch nicht freigelassen, sondern von der Gestapo in „Schutzhaft“ gehalten. Um dieser zu entgehen, meldete sich Spies in dieser Zeit freiwillig zur Wehrmacht, Erzbischof Conrad Gröber versuchte zu erreichen, daß man ihn in eine Anstalt der Erzdiözese Freiburg überstellte, wo er beaufsichtigt und in der Landwirtschaft verwendet werden würde. Doch weder Spies' eigene noch die Bemühungen seines Erzbischofes hatten Erfolg, stattdessen wurde er am 13. September 1943 in das KZ Dachau eingeliefert. Wenige Wochen, bevor er von den Amerikanern befreit worden wäre, erkrankte Bundesbruder Anton Spies an Flecktyphus. Er verstarb am 19. April 1945 und wurde in einem Massengrab beigesetzt. Anton Spies beharrte stets darauf, unschuldig zu sein. In einem letzten Brief an seine Mutter schrieb er: „Und wenn ich zeitlebens im Kerker schmachten muß, werde ich meine Unterschrift nie hergeben zur Beglaubigung einer Tat, die ich nie begangen.“ Auch viele Menschen, die ihn näher gekannt hatten, darunter seine geistlichen Dachauer Mithäftlinge und jener Lehrer aus Ketsch, der schon beim Gerichtsverfahren zu Spies' Gunsten ausgesagt hatte, blieben fest und unerschütterlich der Ansicht, er sei zu Unrecht verurteilt worden. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in einem Spruchkammerverfahren gegen seinen damaligen Ankläger, den nationalsozialistisch eingestellten Rektor, gravierende Widersprüche in den gegen Spies gerichteten Aussagen der Schüler festgestellt. Ebenso gaben mehrere der seinerzeit vernommenen Schüler an, vom Rektor dazu angestiftet worden zu sein, die Unwahrheit zu sagen. Von seinen Verwandten vorgenommene erneute Versuche, in einem Wiederaufnahmeverfahren Spies' Unschuld zu beweisen und ihn hierdurch rehabilitieren zu lassen, scheiterten daran, daß einige der Zeugen auf ihren Vorwürfen beharrten und dem Rechtsanwalt wie dem Erzbischöflichen Ordinariat die Durchführung eines solchen Verfahrens angesichts des ungewissen Ausgangs wenig ratsam erschien. Auch die von Anton Spies seinerzeit gewählte, aus Sicht des Rechtsanwaltes wenig glückliche Verteidigungsstrategie, die bei einem neuerlichen Prozeß sicherlich wieder eine Rolle gespielt hätte, wirkte sich noch über Spies' Tod hinaus negativ für ihn aus, ebenso wie das förmlich nie abgeschlossene oder niedergeschlagene kirchliche Strafverfahren. So ist die Ehre des im KZ Dachau zum Blutzeugen gewordenen Bundesbruders Anton Spies bis heute nicht formaljuristisch wiederhergestellt; vielmehr bleibt er „offiziell“ ein rechtskräftig verurteilter Sittlichkeitsverbrecher. An der Tatsache, daß seine Anklage, seine Verurteilung und letztlich sein Tod ein fanatischer Priesterhasser verschuldet hat, daß Anton Spies also für seinen Beruf und seinen Glauben zum Martyrer geworden ist, ändert sich nichts dadurch, daß seine Unschuld wohl niemals mehr von einem irdischen Gericht wird bewiesen werden können.
Literatur: H. Ginter, Necrologium Friburgense 1941-1945. Verzeichnis der in den Jahren 1941 bis 1945 verstorbenen Priester der Erzdiözese Freiburg, in: FDA 70 (1950) 19-258; C. Schmider, Pfarrvikar Anton Spies, in: H. Moll (Hrsg.), Zeugen für Christus. Bd. 1 (Paderborn u.a. 1999) 219-221 und R. Zahlten, Die Ermordeten. Die Gedenktafel der Erzdiözese Freiburg für die verfolgten Priester (1933 bis 1945) in „Maria Lindenberg“, nahe St. Peter / Schwarzwald (Vöhrenbach 1998).
Aus: unitas 200/1
Bbr. Dr. Meinolf Stoltenberg – unitarischer Bürgermeister
(*8.2.1927, + 8. April 2006 Lengfeld bei Würzburg), am 4. November 1950 bei UNITAS-Ruhrania zu Münster rezipiert, im SS 1951 Senior, im SS 1953 Neugründer der UNITAS-tom-Kyle Kiel, Jurastudium nach drei theologischen und zwei philosophischen Semestern, Philistrierung 1960. In Kiel 1960 Assessor, 1961promoviert, 1960-1962 Referent bei Ministerpräsident Kai Uwe von Hassel, anschließend bis 1973 in der Finanzverwaltung, zum Schluss als Regierungsdirektor in der Oberfinanzdirektion.
1973 Bürgermeister von Kronshagen bis zu seinem Ruhestand 1988. 1970-1999 Leiter des Kieler UNITAS-Altherrenvereins. Übersiedelung nach Würzburg, Mitglied des Altherrenzirkels, B-Philister bei UNITAS-Würzburg, ab Anfang der 1990er Jahre im Studentenheim e.V. der UNITAS Ruhrania Bochum-Essen-Dortmund.
Der Pädagoge: OStD Bbr. Hans-Dieter Strotmeyer
Nach langer Krankheit verstarb Bbr. Oberstudiendirektor Hans-Dieter Strotmeyer am 24. September 2009 im Alter von 72 Jahren in Münster. Bbr. Strotmeyer, geboren am 1.12.1936 in Münster und rezipiert 1958 bei der dortigen UNITAS Ruhrania, studierte Deutsch und Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität, wurde zum 1.1.1965 philistriert und fand nach dem zweiten Staatsexamen 1967 an der damaligen Marienschule Warendorf seine Lebensstellung, bis er 2001 in den Ruhestand trat.
In einem Nachruf würdigte das Mariengymnasium einen ehemaligen Kollegen, der mehr als drei Jahrzehnte das schulische Leben mitprägte. Schon als Jugendlicher sei er gern in die Schule gegangen und diese Freude habe er sich auch als Lehrer nicht nehmen lassen: „Seine Schüler haben dies gespürt. Als Westfale stand er fest auf der Erde, besaß die Fähigkeit, Hochtrabendes auf ein menschliches Maß zurückzustutzen, hatte Sinn für das Mögliche, vermochte humorvoll Konflikte oft schon im Vorfeld zu entschärfen. Als langjähriger Vorsitzender des Lehrerrates trug er wesentlich dazu bei, die Solidarität des Kollegiums zu stärken, ohne Spannungen und Differenzen unter den Teppich zu kehren. Er war einer jener Kollegen, die einer Schule mit ihrer erfrischenden Herzlichkeit ein Gesicht geben können. Das ist nicht wenig in einer Welt des Taktierens und überbordener Bürokratie."
Bbr. Direktor i.R. Hans Stumpf, Träger der Goldenen Unitas-Nadel, langjähriger Referent für Wohnheimbau des UV und VOP des Jahres 1955/1956, ist in der Nacht vom 6. zum 7. Februar 2016 friedlich eingeschlafen und zu unserem Herrn im Himmel heimgegangen. Zahlreiche Chargenteams gaben ihm am 17. Februar 2016 auf dem Südfriedhof in Köln-Klettenberg das letzte Geleit.
Hans Stumpf, geboren am 20.10.1931, hatte sich während seines Studiums an der Technischen Hochschule Aachen am 1. Mai 1951 der Unitas Frankenburg angeschlossen. Schon während seiner Amtszeit als Vorortspräsident mit dem W.K.St.V. Unitas Silesia begann in den Jahren 1955/56 ein Einsatz, der weit über den eigenen Verein hinausging - aus Überzeugung, wie der Bericht über die Einweihung der vom Unitas-Verband gestifteten Hitze-Gedächtniskirche im Juni 1956 in Neuenhasslau/Kreis Gelnhausen verdeutlicht: Zum Bau dieser Kirche für Heimatvertriebene habe man sich aus der sozialen Tradition des Verbandes heraus verpflichtet, erklärte VOP cand. ing. Hans Stumpf damals in seinen Glückwünschen an die Gemeinde. Jedes Berufsethos habe in Gott Ursprung und Ziel, erklärte der 24-Jährige damals – damit dienten Unitas-Mitglieder allen in Arbeit und Gebet.
Der Unitas Frankenburg und der Unitas in Aachen blieb der Diplomingenieur auch nach seiner Philistrierung zum 1.1.1957 immer eng verbunden. So war er viele Jahre Vorsitzender des Altherrenvereins Unitas Frankenburg, Mitglied im AHV Unitas Silesia Aachen und Vorsitzender des Hausbauvereins „Unio Academica e.V. Aachen". Doch auch für den Verband, für den er schon als VOP die mehr als 50 Jahre gültige Ausgabe des neuen Liederbuchs anregte, wurde er intensiv tätig und übernahm 1978 mit 47 Jahren die Aufgabe des Referenten für Wohnheimbau.
Als Vorsitzender der 1959 eingerichteten Bewilligungskommission hatte Hans Stumpf immer das vorentscheidende Wort bei der Vergabe der Verbandsmittel aus dem Unitas-Fonds. Dabei arbeitete er als geborenes beratendes Mitglied eng mit dem Vorstand des Zentralen Hausbauvereins zusammen. Für die Finanzierung von Unitas-Häusern leistete er oft die entscheidende Vorarbeit, besuchte die Vereine und analysierte mit ihnen die Projekte für eine sachgerechte Antragstellung. Sein mehr als verdienstvolles Wirken für den gesamten Verband zeigt die Zahl der Unitas-Häuser, die mit seiner Hilfe durch die Bewilligung von Verbandsmitteln errichtet werden konnten deutlich.
Zum Dank und in Anerkennung für diese Arbeit, in denen er sich besonders um den Bau unitarischer Wohnheime verdient gemacht hatte, verlieh ihm der damalige Vorsitzende des Altherrenbundes, Bundesbruder Günter Ganz, bei der Tagung des Verbandsvorstandes am 26./27. Februar 1994 in Neuss die neu gestiftete Silberne Unitas-Nadel. Auch darüber hinaus wurde sein Engagement ausgezeichnet: 1993 verlieh ihm der Bundespräsident für seine Verdienste um das Gemeinwohl das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Erst 2008 legte Bundesbruder Hans Stumpf, der bei kaum einer Generalversammlung als Mahner und Berichterstatter in der Finanzkommission fehlte, nach 30 Jahren seine Arbeit als Vorsitzender der Bewilligungskommission und des Referenten für Wohnheimbau in jüngere Hände. Die 131. Generalversammlung in Köln wurde zu einem bewegenden Abschied: Der Verband ehrte beim Festkommers im Gürzenich das außerordentliche Engagement von Bbr. Hans Stumpf mit der Goldenen UNITAS-Nadel, seiner höchsten Auszeichnung. Noch kurz zuvor hatte er das bislang größte Projekt, das Unitas-Haus „Feldschlösschen“ in Essen, auf den Weg gebracht.
Seine oft knorrige, auch streitbare und bisweilen strenge Art bleibt sicher vielen unvergessen, auch sein kritischer Blick auf das Zeitgeschehen in Kirche und Gesellschaft. Zugleich aber prägten ihn auch sein Sinn für Humor und fürs Praktische, seine Großzügigkeit, wirklich tiefe unitarische Freundschaft und Treue. Wie viele Vereine, die ihm viel zu verdanken haben - unter ihnen nicht zuletzt die Ruhr-Unitas -, ist auch der Verbandsvorstand seiner Familie eng verbunden und gedenkt Bundesbruder Hans Stumpf in Dankbarkeit.
CB
Die Ruhr-Unitas hat ihm viel zu verdanken: Otmar Vieth, ehemaliger Pfarrer an St. Dionysius Essen-Borbeck, Essener Stadtdechant und Dompropst, ist am Abend des 29. Oktober 2022 gestorben.
Mit der Unitas bekannt wurde Otmar Vieth Anfang Ende der 1980er Jahre. Unvergessen ist der beschwerliche Aufstieg auf den irischen Wallfahrts-Berg Croagh Patrick, wo der begeisterte Irland-Fan mit den Teilnehmern einer AGV-Studentenwallfahrt die Messe feierte. Seine Predigt auf dem hagelumtosten Gipfel widmete er damals „Heiligen Bergen“ und auch an das anschließende Beisammensein in einem Pub seiner heimlichen Wahlheimat erinnern sich viele. Die jahrelangen Bemühungen um die Wiederbegründung der Unitas im Ruhrbistum hat Msgr. Otmar Vieth intensiv und ganz praktisch begleitet, sowohl die Bochumer Zeit der Ruhrania, als auch die Suche nach einem Studentenhaus, für das man schließlich 2004 in seiner Borbecker Gemeinde fündig wurde.
Ehrengast bei der Einweihung des neuen Unitas-Hauses
Über die persönlichen Kontakte hinaus verband Otmar Vieth ein großer Respekt für die lange soziale Tradition des Unitas-Verbandes. Dies machte er am 31. Mai 2008 in seinem Gruß beim Festakt zur Einweihung des neuen Unitas-Hauses im Feldschlößchen an der Flurstraße deutlich. Dabei erinnerte der damalige Essener Stadtdechant und Dompropst an die vielfachen persönlichen Begegnungen in den Jahren und an die besonderen Herausforderungen für eine dem christlich-sozialen Gedanken verpflichtete Studentenvereinigung im Ruhrgebiet. Bei dem Colloqium im Conventsaal verwies Prälat Vieth vor knapp 90 Bundesbrüdern und Ehrengästen auf das Erbe des Borbecker Vikars Heinrich Brauns und an die Umbruchszeiten für die Kirche im Revier. Herzlich lud er damals die Unitas zur aktiven Mitgestaltung ein. Auch dem Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen im CV war Vieth jahrzehntelang verbunden und immer gern gesehener Gast bei den Barbarafeiern des CV-Zirkels „Kohle“ in Essen-Borbeck, zu dem er lange enge Kontakte unterhielt.
Ein Kind des Reviers
Otmar Vieth, 1941 geboren, wuchs in Bochum-Riemke auf und wurde am 30. Januar 1969 durch den Essener Gründerbischof Franz Hengsbach zum Priester geweiht. Nach Kaplanszeit in Essen-Frillendorf und Essen-Rüttenscheid kam er 1974 als Leiter der Abteilung Sozialwesen ins Bischöfliche Generalvikariat Essen und wurde zum Domvikar ernannt. 1976 übernahm er die Aufgabe des Domzeremoniars und war ab 1982 als Stadtvikar in Essen „rechte Hand“ des damaligen Stadtdechanten Karl Zurnieden. 1985 übernahm Otmar Vieth die Nachfolge von Pfarrer Ludwig Theben an der Pfarrei St. Dionysius in Essen-Borbeck, bis 1995 das Amt des Dechanten des Dekanates Essen-Borbeck und war ab 1988 als Stadtdechant von ganz Essen Chef des Katholischen Stadthauses mit seinen Verwaltungsstellen, Beratungsgremien, Bildungs- und Beratungseinrichtungen.
Als Vorsitzender des Caritasverbandes für die Stadt Essen wirkte er für die Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung, initiierte die Gründung der sozialen „Cosmas & Damian-Stiftung“ auf Stadtebene und übernahm vielfältige Verpflichtungen für die gesamte Stadtkirche. 1990 berief ihn Kardinal Franz Hengsbach als nichtresidierenden Domkapitular in das Essener Domkapitel und 2005 ernannte ihn Bischof Felix Genn zum Dompropst am Essener Dom.
Eine besondere Ehre wurde Vieth 2007 mit der Ernennung zum „Päpstlichen Ehrenprälaten“ durch Papst Benedikt XVI. zuteil, seit Oktober 2008 war er in Anerkennung seiner Verdienste Ehrenstadtdechant von Essen. Aus gesundheitlichen Gründen bat Otmar Vieth 2013 nach neunjähriger Amtszeit als „Hausherr“ am Dom um seine Emeritierung als Dompropst und konnte 2019 sein Goldenes Priesterjubiläum begehen. Der Domkirche blieb er jedoch eng verbunden - ebenso wie vielen Menschen in Borbeck und den akademischen Verbänden.
Requiescat in pace
„Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“, so hieß es an seinem Todestag am 29. Oktober 2022 in der Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer, „Denn für mich ist Christus das Leben, und Sterben Gewinn“ lautete ein Satz der zweiten Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper“. Seine Arbeit, die Otmar Vieth in aller Bescheidenheit in vielfältigen Aufgaben in der Kirche Gottes übernahm, werden viele Spuren hinterlassen. „Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen“, sagt Jesus selbst im Evangelium nach Lukas (Lk 14, 1.7-11), das an diesem Tag in der von Otmar Vieth so gern gefeierten Liturgie gelesen wurde. Diese Ehre bleibt dem verdienten Seelsorger allemal, der ganz im Dienst an der Kirche und den Menschen aufgegangen ist und vielen ein Vorbild bleibt. R.i.P.!
Am 4. November hält die Eucharistische Ehrengarde um 19:30 Uhr in der Pfarrkirche St. Dionysius eine Betstunde für den Verstorbenen. Die Pfarrgemeinde feiert für ihren ehemaligen Pfarrer die Eucharistie am Donnerstag, 10. November, um 18 Uhr in der Pfarrkirche. Im Essener Dom wird am Freitag, 11. November, um 19 Uhr die Totenvesper für den langjährigen Dompropst gefeiert und am Samstag, 12. November, verabschiedet sich dort das Ruhrbistum mit einem Requiem um 15 Uhr von Otmar Vieth. Anschließend erfolgt die Beisetzung auf dem Kapitelsfriedhof.
Fotos: Dompropst Otmar Vieth bei der Einweihung des Unitas-Hauses 2008 an der Flurstraße in Borbeck
Zirkel-Chef in Dortmund: Bbr. OStD i.R. Erhard Wagener
Sein Lebensmittelpunkt war Dortmund, dort wurde er geboren, lebte er und starb er. Doch die Interessen von Bbr. Erhard Wagener gingen weit über Dortmund hinaus. Er war weltoffen, tolerant und kulturell sehr interessiert, seine Sprachkenntnisse waren gute Voraussetzungen, sich in Frankreich, Großbritannien und in den USA für Völkerverständigung und Toleranz einzusetzen. In zahlreichen Studien- und Urlaubsreisen lernte er interessante Menschen kennen und schloss mit ihnen Freundschaft. Auch in seiner Heimat Dortmund engagierte sich Erhard Wagener als Leiter des Phoenix-Gymnasiums und als stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Französischen Gesellschaft für die deutsch-französische Verständigung.
Bbr. Erhard Wagener trat im Juni 1950 in Münster in die Unitas Burgundia (heute Unitas Rolandia-Burgundia) ein und wurde zum 01.01.1955 philistriert. In Dortmund schloss er sich dem örtlichen Altherrenzirkel an. Er gehörte dort über Jahrzehnte zu den besonders Aktiven des Zirkels: Mehr als 16 lange Jahre, von 1985 bis 2002, war er – stets begleitet und unterstützt von seiner lieben Frau Helga – Vorsitzender des Zirkels. Bbr. Erhard hat das Amt vorbildlich ausgefüllt und so zum Gedeihen des Zirkels beigetragen.
Bbr. OStD i.R. Erhard Wagener starb am 7. Juni 2010 und die Unitas verlor einen liebenswerten, geistreichen und humorvollen Bundesbruder. Viele Bundesbrüder und Damen des AHZ Dortmund nahmen an dem Auferstehungsgottesdienst am 12. Juni 2010 in der St.-Kaiser-Heinrich-Kirche in Dortmund-Höchsten teil und erwiesen ihm bei der anschließenden Beerdigung auf dem kath. Friedhof Höchsten die letzte Ehre. R.i.P.
Bbr. Lorenz Werthmann wurde am 1. Oktober 1858 als Sohn eines Gutsverwalters und Weinbauern in Geisenheim (Rheingau) geboren. Nach dem Besuch der Volksschule wechselte er 1873 an das Bischöfliche Konvikt in Hadamar, wo er sein Abitur ablegte und den Entschluss fasste, Priester zu werden. Zum Studium der Philosophie und Theologie ging er an die Päpstliche Gregoriana nach Rom - für ihn eine prägende Zeit: Er schloss mit dem Doktor der Philosophie (1880) und der Theologie (1884) ab, wurde am 28. Oktober 1883 zum Priester geweiht und feierte die Primiz am Allerheiligenfest in seiner Lieblingskirche, der Kirche seines Namenspatrons, S. Lorenzo fuori le mura.
Begegnung mit Bbr. Franz Hitze
Schon in Rom hatte er sich intensiv mit sozialen Problemen auseinandergesetzt und dabei entscheidende Anregungen in den Begegnungen mit dem am Campo Santo Teutonico studierenden Kaplan und späteren Sozialpolitiker Bbr. Franz Hitze (1851-1921) gefunden. Zurück in der Heimat, wurde Werthmann zunächst Sekretär von Bischof Joseph Blum und ging nach dessen Tod als Domkaplan nach Frankfurt. Blums Nachfolger Bischof Christian Roos berief ihn ebenfalls als Sekretär. Ihm folgte Werthmann, als Roos Erzbischof von Freiburg wurde. Hier wandte er sich mehr und mehr dem Studium der sozialen Frage zu, nahm das Studium der Jurisprudenz und Volkswirtschaftslehre auf, beteiligte sich an der Arbeit caritativer Vereine und sammelte praktische Erfahrungen in der Sozialhilfe. Hohen Geistlichen in Freiburg galt er als „cholerischer Preuße“, wegen seines Einflusses auf Roos wurde er in dieser Zeit auch als „schwarzer Erzbischof“ bezeichnet, doch nahm er 1888 die badische Staatsbürgerschaft an, um als Priester in die Erzdiözese Freiburg inkardiniert werden zu können.
Eine Idee nimmt Gestalt an
Währenddessen nahmen der von Bbr. Franz Hitze inspirierte und ins Leben gerufene Verband „Arbeiterwohl“ (ab 1880) und der 1890 gegründete „Volksverein für das katholische Deutschland“ zahlreiche Stimmen auf, die sich für die Zusammenfassung der caritativen Arbeit aussprachen. Den ersten konkreten Anstoß für die Gründung eines katholischen Caritasverbandes gab der IV. praktisch-soziale Kurs des von Generalsekretär Bbr. Franz Hitze gleiteten „Volksvereins“ vom 14.-20. Oktober 1894 in Freiburg. Schon im Frühjahr 1895 traf man sich erneut und vollzog im Hause des Verlagsbuchhändlers Herder die Gründung eines „Charitas-Comité“ unter Werthmanns Leitung. Dieses Comité setzte sich das Ziel, parallel zu Wicherns „Innere Mission“ eine Organisation der gesamten katholischen Nächstenliebe in Deutschland zu schaffen, die von möglichst vielen wissenschaftlich gebildeten Mitarbeitern getragen und durch regelmäßige Publikation und Information in die Öffentlichkeit hinein wirksam werden sollte.
Und Werthmann schaffte, was zuvor niemand für möglich gehalten hatte. Miut den Schlagworten „Publizieren, studieren, organisieren“ prägte er selbst das Programm für seine ganze weitere Arbeit, übernahm die Schriftleitung der Zeitung „Charitas“ und wurde nach dem Tod von Erzbischof Roos im Jahr 1900 von seinem Nachfolger, Erzbischof Thomas Nörber (1846-1920), als „Commissarius für charicative Angelegenheiten“ gänzlich für die Organisation der diözesanen Caritasarbeit freigestellt (vgl. Ludwig Freibüter, Franz Hitze, in: UH, Bd. I, S. 254ff.). Vor allem mit Hilfe der Zeitschrift sowie durch unermüdliches Werben für den Caritasgedanken bei den verschiedensten Konferenzen und Versammlungen der katholischen Vereine wie Mitgliedern der Diözesanverwaltungen arbeitete Werthmann nun gezielt auf eine alle Katholiken in Deutschland umfassende Caritasorganisation hin.
Gründung des Deutschen Caritasverbandes
Zu der mit den führenden Köpfen sorgfältig vorbereiteten Gründung des „Charitasverbands für das katholische Deutschland“ kam es schließlich am 9. November 1897 in Köln, wobei Lorenz Werthmann zu dessen erstem Vorsitzenden gewählt wurde. Dafür wurde er von seinem Erzbischof von den Pflichten eines Angestellten im Ordinariat befreit, für Werthmann selbst blieb die vielfältige Sorge um die Italiener in ganz Deutschland ein mit besonderer persönlicher Hingabe betriebenes Anliegen. 1898 trug ihm die Unitas Freiburg die Ehrenmitgliedschaft an, wodurch Lorenz Werthmann auch Ehrenmitglied des Unitas-Verbandes wurde.
Unablässig und zäh suchte Werthmann vor allem auf die bereits zahlreichen caritativen Vereinigungen aufzubauen, ihnen Struktur und organisatorischen Rahmen zu geben. Dazu zählte auch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Er war in ganz Deutschland persönlich ständig unterwegs, führte die Schriftleitung der Zeitschrift „Caritas“ bis kurz vor seinem Tod und begründete er weitere Periodika wie „Die christliche Frau“, das heute noch bestehende „Jahrbuch des Caritasverbandes“ sowie die jetzt unter dem Namen „Jugendwohl“ und „Krankendienst“ erscheinenden Zeitschriften. Zahlreiche Broschüren und Kleinschriften mit allgemeinverständlichen Überblicken zu sozialpolitischen und fürsorgerischen Themen entstanden, aber auch eine Bibliothek zur Bereitstellung allen für die Caritasarbeit relevanten Wissens. Aufgelegt wurde ein umfangreiches Kurs- und Schulungs-, später auch ein Lehrgangsprogramm zur besseren fachlichen Qualifizierung der professionellen und ehrenamtlichen Helfer und Werthmann initiierte eine Caritasschule, in der hauptamtliche Mitarbeiter ein bis zwei Jahre lang auf ihren Einsatz vorbereitet werden sollten. Doch er kämpfte auch für die Einbeziehung der Caritasarbeit in die Lehrpläne des Theologiestudiums: An den Universitäten Münster und Freiburg wurden daraufhin caritaswissenschaftliche Lehraufträge eingerichtet.
Reibungen und Konflikte
Für seinen Erfolg sicher entscheidend waren sein ausgesprochenes Organisationstalent, ein unermüdlicher Fleiß, seine Energie, Hartnäckigkeit, Leidenschaft und Entscheidungskraft sowie seine rhetorische und sprachliche Darstellungskraft. Besonders bei internationalen Begegnungen kam ihm die Beherrschung mehrerer Fremdsprachen zugute. Seine schonungslose Arbeit galt nicht zuletzt für ihn selbst: Die ständigen Reisen des „Workaholics“ zehrten an seiner Gesundheit.
Doch sein lebhaftes Temperament und Ungeduld führten auch zu Reibungen und Konflikten. Sein Hang zu alleinverantwortlichem und eigensinnigem Handeln, seine ungestüme Art und seine fast unüberschaubaren Aktivitäten führten dazu, dass die offizielle Anerkennung des Caritas-Verbandes als Zusammenfassung und Repräsentant der organisierten Sozialarbeit der Katholischen Kirche in Deutschland durch die Bischöfe erst sehr spät kam: Am 23. August 1916, erst fast 19 Jahre nach der Gründung erfolgte sie auf Beschluss der Fuldaer Bischofskonferenz. Ein besonderes Kapitel ist Werthmanns Eintreten für die deutsche Kolonialpolitik: Er setzte sich für die Abschaffung der Sklaverei ein, plädierte aber auch im Namen des „Kulturfortschritts“ nach dem ersten Weltkrieg für Kolonien, um die Welt zu christianisieren.
Hohe Ehrungen
Gleichwohl wurde Bbr. Lorenz Werthmann für seine großen Verdienste sowohl von kirchlicher als auch staatlicher Seite hoch ausgezeichnet. Nachdem er 1900 zum Päpstlichen Ehrenkaplan (Monsignore) ernannt worden war, erfolgte 1913 die Ernennung zum Päpstlichen Ehrenprälaten sowie einige Wochen vor seinem Tod die Verleihung der höchsten Prälatenwürde, der des Apostolischen Protonotars. Von staatlicher Seite wurde vor allem sein Einsatz für die Kriegswohlfahrtspflege (Versorgung der Kriegsverwundeten, Betreuung Kriegsbeschädigter, Sorge für die Familien der Soldaten, die Hinterbliebenen, die Flüchtlinge, Unterbringung von Stadtkindern auf dem Land u.ä.) während des Ersten Weltkriegs ausgezeichnet. 1920 verlieh ihm die Medizinische Fakultät der Universität Freiburg die Ehrendoktorwürde.
Unermüdlich widmete sich Werthmann dem weiteren Aufbau des Verbands, auch seine gesamten privaten Geldmittel flossen in sein Werk. Die letzten drei Monate seines Lebens verbrachte er schwer herzkrank im Josefskrankenhaus in Freiburg. Dort tagte noch vier Tage vor seinem Tod im April 1921 der Zentralrat des Caritasverbandes, dem er dabei gestand: „Ich habe mein ganzes Leben für die Organisation der Caritas eingesetzt. Ich habe es getan, ohne zu wissen, wie wohltuend die Einrichtungen sind. Jetzt erfahre ich es am eigenen Leib.“ Er starb am 10. April 1921.
Die Caritas: Ein Vermächtnis
Der deutsche Caritasverband, heute größter Wohlfahrtsverbandes in Deutschland, zählt in bundesweit mehr als 20.000 Beratungsstellen, Pflegeheimen und anderen sozialen Initiativen rund 700.000 Hauptamtliche und noch einmal so viele ehrenamtliche Mitarbeiter. Zu Ehren des Caritasgründers gab die Deutsche Post zu seinem 150. Geburtstag eine 55 Cent-Sonderbriefmarke heraus. Sie zeigt Werthmann und das Logo des Verbandes, das Flammenkreuz. Bereits 1954 war Bbr. Lorenz Werthmann schon einmal von der Post mit einer Briefmarke im Satz „Helfer der Menschheit“ gewürdigt worden.
C. Beckmann
Anmerkungen:
Der Artikel folgt im Wesentlichen dem Lebensbild „Lorenz Werthmann“ von Bbr. Dr. Lambert Stamer im UNITAS-Handbuch Bd. I, S. 369.
Für jeden Interessierten sicher eine Anschaffung wert ist die zitierte Schrift „Lorenz Werthmann, Caritasmacher und Visionär“ von Peter Neher, Ingeborg Feige, Andreas Wollasch, Hans-Josef Wollasch (Hrsg.), erschienen im Lambertus-Verlag, Freiburg 2008, ca. 120 Seiten, zahlreiche sw-Abbildungen, 9,90 Euro; ISBN 978-3-7841-1853-6. Sie versammelt folgende Aufsätze: Lorenz Werthmann – eine große Caritasgeschichte wirkt bis heute / Peter Neher; Lorenz Werthmann: Sozialreformer mit konservativer Ausrichtung / Andreas Wollasch; Lorenz Werthmann 1858–1921. Gründer des Deutschen Caritasverbandes / Hans-Josef Wollasch; Gründung der Ausbildungsstätten beim DCV / Hans-Josef Wollasch; Die Geschichte der Caritas-Bibliothek / Ingeborg Feige; Von der „Charitasdruckerei“ zum Lambertus-Verlag. Eine ungewöhnliche Verlagsgeschichte / Andreas Wollasch; Von der Zeitschrift „Caritas“ zur „neuen caritas“ / Hans-Josef Wollasch.
Bbr. Prälat Martin Zeil - Versöhnungsarbeit im Geiste Robert Schumans
(*9. April 1912 in Dundenheim, + 5. Juli 1999), Theologiestudent in Münster, im SS 1934 Rezipierung bei UNITAS Ruhrania, später bei der Freiburger UNITAS Eckhardia, Philistrierung 1936.
Am 7. März 1937 im Münster zu Freiburg durch Erzbischof Conrad Gröber zum Priester geweiht. Kaplan zuletzt in Mannheim-Neckarau, 1940 zur Wehrmacht eingezogen. Kriegspfarrer in verschiedenen Lazaretten in Belgien, Frankreich und Russland. 1940 Divisionspfarrer der 23. Panzerdivision. 1956 einer der ersten Militär-Seelsorger der Bundeswehr. Im April 1956 Wehrbereichsdekan im Wehrbereich V (Baden-Württemberg) in Stuttgart.
Bis zu seinem Tod war ihm die Deutsch-Französische Verständigung ein Herzensanliegen. Organisator der internationalen Soldatenwallfahrten nach Lourdes. Vom französischen Staat zum Kommandeur des „Orde National du Mérite“, des französischen nationalen Verdienstordens ernannt, 1997 von der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung Basel mit dem „Josef-Rey-Preis“ ausgezeichnet. Ehrenbürger von Dundenheim.