
BONN / UV. „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen“, das erklärte der französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 in Paris. In seiner viele damals überraschenden epochalen Rede schlug er fünf Jahre nach dem verheerenden II. Weltkrieg eine Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor, deren Mitglieder ihre Kohle- und Stahlproduktion zusammenlegen sollten. Aus der Montanunion mit den Gründungsmitgliedern Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg erwuchsen die supranationalen europäischen Institutionen, aus denen die heutige Europäischen Union wurde.
75 Jahre nach der Geburtsstunde der EU lädt die Unitas-Salia in Bonn am 2. und 3. Mai 2025 zu einem Colloquium, das nicht nur nach der Motivation und Wirkung dieses Vorschlags fragt. Zugleich nimmt es die aktuellen Entwicklungen in den Blick, mit denen Europa vor einem Scheideweg und seiner sicher bislang größten Herausforderung steht.
Der in der aktuellen Ausgabe der Verbandszeitschrift „unitas“ (1/2025, 50f.) abgedruckten Einladung ist ein von Bbr. Staatssekretär a. D. Dr. Jürgen Aretz verfasstes Wort zum Geleit vorangestellt, das wir im Folgenden dokumentieren:
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„Die meisten politischen Fragen können ganz unterschiedliche Antworten finden. In der Bewertung eines Sachverhaltes aber dürfte es ungeachtet (partei-)politischer Grenzen eine weitreichende Übereinstimmung geben: Das vereinte Europa ist das größte Friedens- und Freiheitsprojekt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Vor allem war dieses Projekt auch erfolgreich: Seit 1945 hat es in West- und Mitteleuropa keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr gegeben. Dieser bald 80 Jahre anhaltende Zeitraum bildet in der europäischen Geschichte eine einzigartige Friedensperiode.
Und doch war und ist der Krieg eine Realität auch in Europa – jedenfalls in Regionen, die aus politischen Gründen an der europäischen Einigungsbewegung nicht teilhaben konnten. Das gilt für das ehemals sozialistische Jugoslawien, das in kriegerischen Auseinandersetzungen in den 1990er Jahren zerfiel, und das gilt für die Ukraine. Der Angriffskrieg Russlands hat inzwischen Hunderttausende Todesopfer und Verletzte gekostet, Menschen wurden entführt, vertrieben oder sie mussten aus ihrer Heimat fliehen. Die Menschen in der Ukraine führen ihren Abwehrkampf für Frieden und Freiheit, Ideale und Ziele, die wir als Bürger der Europäischen Union ganz selbstverständlich leben dürfen.
Fast alle Völker und Staaten Europas hatten die Erfahrung von zwei furchtbaren Weltkriegen und des nationalsozialistischen Unrechtsregimes mit all seinen Folgen machen müssen. Nach dessen Niederwerfung und dem Ende des Zweiten Weltkrieges sah Europa sich dem imperialistischen Anspruch des sowjetischen Totalitarismus ausgesetzt, die zur Teilung des Kontinents und in der Folge auch Deutschlands führte.
Verantwortungsbewusste Politiker verschiedener europäischer Nationen, die westlich des „Eisernen Vorhangs“ lebten, wagten nach 1945 einen bis dahin beispiellosen Aufbruch und Neubeginn. Ziel war das vereinte Europa in Frieden und Freiheit. Es waren vor allem drei Politiker, die diese Politik im noch weithin zerstörten Europa verwirklicht haben. Sie schufen damit zugleich zentrale Voraussetzungen für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas. Es war auch der erfolgreiche Versuch, der Unterdrückungspolitik der Sowjetunion entgegenzutreten, die Mittel- und Osteuropa sowie das historische Mitteldeutschland ihrem Herrschaftsanspruch unterworfen hatte.
Mit Robert Schuman, Konrad Adenauer und Alcide de Gasperi standen an der Spitze der europäischen Bewegung Politiker, die persönlich vieles verband: das konkrete Erleben zweier Weltkriege, die Herkunft aus Grenzregionen und damit die Kenntnis ihrer europäischen Nachbarn, die Verbundenheit mit anderen Kulturen, die deutsche Sprache als verbindendes Kommunikationsmittel und – entscheidend – der gemeinsame und gelebte christliche, sprich: katholische Glaube. Schuman und Adenauer verband darüber hinaus die Mitgliedschaft in katholischen Bonner Verbindungen: Schuman wurde vor gut 120 Jahren bei dem W.K.St.V. Unitas-Salia aktiv, und er ist dem Unitas-Verband auch treu geblieben, als er nach Berlin wechselte. Adenauer war Mitglied der K.St.V. Arminia. Beide Verbindungen haben in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammen mit der K.D.St.V. Staufia ein besonderes Freundschaftsverhältnis begründet.
Die Unitas-Salia hatte und hat mit Robert Schuman einen herausragenden Bundesbruder. Kein anderer Bundesbruder hat außerhalb der Kirche vergleichbar hohe Positionen bekleidet. So war er unter anderem französischer Außenminister und Ministerpräsident. Die Treue zu seiner Unitas bewahrte er über den Tod hinaus: Bei seiner Beerdigung sollten den Sarg nur zwei Fahnen begleiten – die französische Trikolore und die Farben der Unitas-Salia und damit des Unitas-Verbandes. Der beispielgebende Lebenslauf, die Lebensführung und die tiefe Frömmigkeit Robert Schumans haben zur Einleitung seines Seligsprechungsprozesses geführt.
In einer Zeit, in der die Bedeutung Europas und die ihm zugrunde liegende Idee immer weniger verstanden werden, in der diese Gemeinschaft zunehmend auf eine ökonomische Dimension reduziert wird, in der antieuropäisch eingestellte links- und rechtspopulistische oder gar nationalistische Kräfte stärker werden, in der sich die Kommission in Brüssel zu einem bürgerfernen Moloch zu entwickeln scheint, ist es umso wichtiger, die Grundlagen der Europäischen Union und die dem vereinten Europa zu Grunde liegende Idee und ihren Anspruch wieder stärker bewusst zu machen oder sie gar neu zu begründen.
Mit diesem Ziel, aber auch, um das Lebenswerk ihres Bundesbruders Robert Schuman zu ehren, wird die Unitas-Salia Anfang Mai 2025 ein erstes „Robert-Schuman-Colloquium“ durchführen. Veranstaltungsort ist die Villa Victoria, das Haus der Unitas-Salia (Luisenstraße 36, 53129 Bonn).“
Vorläufiges Programm
Freitag, 2. Mai 2025
14.00 Uhr s.t.: Eröffnung 14.30 Uhr „Robert Schuman – Ein europäischer Staatsmann und sein Handeln aus dem Glauben“, Referent: Prof. em. Dr. Manfred Spieker, Universität Osnabrück
15.45 Uhr Kaffee-/Teepause
16.15 Uhr s.t.: „Zur aktuellen Politik der Europäischen Kommission“, Referent: Bbr. Staatssekretär a. D. Friedhelm Ost, Bad Honnef
18.00 Uhr s.t.: Heilige Messe Anschließend Empfang auf dem Haus und gemütliches Beisammensein.
Samstag, 3. Mai 2025
11.00 Uhr s.t.: „Unsere Verantwortung für die Einigung Europas – historische Erfahrungen, Robert Schuman und die Perspektive der Zukunft“, Referent: Fbr. Prof. Dr. Gerd Pöttering, Bad Iburg/Berlin, Präsident des Europäischen Parlamentes a.D.
ca.12.30 Uhr: Abschluss des Colloquiums
Um verbindliche schriftliche Anmeldung per E-Mail an vorstand.ahv@unitas-salia.de oder hilfsweise per Post an AHV Unitas-Salia Bonn, Luisenstraße 36, 53129 Bonn wird gebeten.
Für Getränke und Speisen während der Veranstaltung auf dem Haus wird gesorgt. Für die Teilnahme wird kein Kostenbeitrag erhoben. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, wird nach dem Eingang der Anmeldungen verfahren. Die Teilnehmer werden gebeten, sich eigenständig um entsprechende Unterkünfte in Bonn zu kümmern.
Zitiert: Robert Schuman
- „Das Gesetz der Solidarität drängt sich dem öffentlichen Gewissen auf. In der Erhaltung des Friedens, der Verteidigung gegen Aggressionen, dem Kampf gegen das Elend, der Achtung der Verträge, der Erhaltung von Gerechtigkeit und Menschenwürde fühlen wir uns alle solidarisch.“
- „Europa ist gegen niemand. Das geeinte Europa ist ein Symbol der allumfassenden Solidarität der Zukunft. Bevor Europa eine militärische Allianz oder eine wirtschaftliche Einheit sein wird, muss es eine kulturelle Einheit im höchsten Sinne des Wortes sein.“
- „Der Respekt vor dem Recht des Anderen ist der Friede für alle.“
- „Europa kommt es zu, einen neuen Weg aufzuzeigen: durch das Akzeptieren einer Vielfalt von Zivilisationen, von denen jede den anderen mit gleicher Achtung begegnet.“
- „Die Demokratie ist eine fortdauernde Bewegung, die sich vervollkommnen muss. Das Gesetz der Solidarität zwischen den Völkern gebietet dem heutigen Gewissen aller Völker, sich zu einer gegenseitigen Solidarität aufgerufen zu sehen. Einer braucht den anderen, ohne Unterschied des Ranges und der Macht, die er hat.“
- „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“
Nur die Fahne der französischen Resistance und der Unitas durften dem Sarg folgen: Chargen der Bonner Unitas bei der Bestattung von Bbr. Robert Schuman in Scy-Chazelles im September 1963.